Lokalsport
Nachhaltigkeit im Sport

Umwelt Die Diskussion um Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Sport steckt voller Dynamik. Doch welchen ­Stellenwert hat das Thema eigentlich bei den Amateurvereinen rund um die Teck? Von Max Pradler

Nicht jede Welle hat zwangsläufig mit der Corona-Pandemie zu tun. Beim Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz schlagen die Wogen hoch – in der Politik und mittlerweile auch im Sport. Eine immer bedeutendere Rolle spielt dieser Aspekt auch bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Erst kürzlich hatte die Taskforce „Zukunft Profifußball“ ihre neuen Ziele für das Jahr 2030 ausgerufen. Darunter ein Bekenntnis der Vereine zu Nachhaltigkeit mit der Einrichtung einer entsprechenden Kommission. Das Ziel ist klar: Der Sport soll seinen ökologischen Fußabdruck verkleinern.

Dass sich diese Richtlinien vorrangig an die „großen“ Klubs richten, die regelmäßig um den halben Globus fliegen und – im Normalbetrieb ohne Corona – bei Heimspielen mehrere Zehntausende Zuschauer im Stadion unterbringen, ist plausibel. Doch wie sieht es bei den kleinen Vereinen aus? Denn auch sie sind vom Verband dazu angehalten, sich stark an diesem Weg zu orientieren.
„Der Gedanke dabei ist lobenswert, aber bei uns sind die Möglichkeiten dahingehend sehr begrenzt“, schildert Marc Butenuth, Abteilungsleiter des Fußball-Bezirksligisten VfL Kirchheim. Dass bei Heimspielen an der Jesinger Allee auf Wurst und Backwaren vom lokalen Hersteller gesetzt wird, ist für Butenuth „selbstverständlich“. Auf künstliches Einweggeschirr hat der VfL bisher hingegen nicht verzichtet – zumindest noch nicht. Denn das wird sich bald ändern: Ab 3. Juli gilt ein EU-weites Verbot für Einweggeschirr (siehe Infokasten). Für Butenuth eine sinnvolle Entscheidung: „Es sollte eigentlich in unserer Lebenseinstellung verinnerlicht sein, auf die Umwelt zu achten.“

Ähnlich sieht es auch ­Raphael Schmid, Pressewart von Handball-Landesligist HSG Owen-Lenningen: „Das Thema Nachhaltigkeit haben wir natürlich auf dem Schirm, trotzdem gibt es aktuell deutlich größere Baustellen.“ Gemeint ist damit unter anderem die Besetzung von Ehrenämtern im Verein oder das Sportangebot für Kinder in Corona-Zeiten.
Ebenfalls keinen Hehl daraus, dass die Handlungsmöglichkeiten bei einem Amateurverein gering seien, macht Marvin Heth, stellvertretender Fußballabteilungsleiter des TSV Weilheim. „Wir kaufen unsere Produkte beim lokalen Anbieter. Aber oftmals sind das eben auch Sponsoren, mit denen wir zusammenarbeiten. Das also unter den Punkt Nachhaltigkeit zu stellen, wäre scheinheilig. Es ist aber eine positive Nebenerscheinung“, sagt er. Wichtig ist ihm allerdings, dass das Gelände rund ums Lindachstadion so bleibt, wie es ist. „Wir haben sehr viel Grün und eine vielfältige Pflanzenwelt. Das ist für mich genauso wertvoll“, betont Heth.

Eher schlechte Erfahrungen hat Peter Martsch gemacht – in diesem Fall mit der Stadtverwaltung. Der frühere Fußball-Abteilungsleiter und jetzige Sponsorenbeauftragte des TSV Jesingen möchte eine kleine Freilufthalle an den Lehenäckern installieren. „Die autarke Arena besteht aus recyclebaren Werkstoffen, hat eine Solar­anlage und verzichtet auf ener­gie­intensive Heizungssysteme. Sie bietet zudem durch geringe Unterhaltskosten und die Schaffung eines öffentlichen Hallenangebots auch wirtschaftliche und soziale Mehrwerte – so ein Ding ist die Zukunft“, ist Martsch überzeugt, „trotzdem wird uns dieses Vorhaben seit drei Jahren von der Stadt blockiert.“

Soziale Werte vorleben

Ganz anders sieht es derweil bei den Zweitliga-Basketballern der Kirchheim Knights aus: „Wir haben dieses Thema vergangenen Sommer ganz oben auf die Agenda gesetzt“, betont Bettina Schmauder, Geschäftsführerin der Knights, „weil wir als Eventanbieter und Sport-Unternehmen einen Vorbildcharakter haben.“ Daher haben sich die Vereinsverantwortlichen mit einem Nachhaltigkeitsberater zusammengesetzt, um zu erörtern, wo die Knights in dieser Hinsicht stehen und welche Potenziale es noch gibt.
Die Liste der seither umgesetzten Maßnahmen ist lang: Klatschpappen für die Fans wurden beispielsweise mit Holzratschen aus wiederverwendbarem ­Material ersetzt, auch der Einkauf findet nunmehr bei lokalen Händlern statt und nicht mehr im Supermarkt. Außerdem kooperieren die Knights mit einem Echterdinger Busunternehmen, das auf umweltschonende Technologie setzt, um bei den langen Auswärtsfahrten CO2-Emissionen einzusparen. Aber auch die Verpflegung während der Fahrt entspricht dem „grünen“ Prinzip: Es wird ausschließlich wiederverwendbares Besteck und Geschirr bereitgestellt, Getränke gibt es nur in Mehrweg-Glasflaschen.

Wo kommen die Trikots her?

„Uns liegt der Umweltschutz sehr am Herzen, deswegen suchen wir unsere Partner auch konsequent nach diesem Kriterium aus“, bekräftigt Bettina Schmauder. Selbst die Knights-Spieler wurden bereits dafür sensibilisiert, wie sie zu Hause den Energieverbrauch optimieren oder den Einkauf bewusster gestalten können. Derzeit befassen sich die Ritter sogar mit der Lieferkette ihrer Trikots und sind diesbezüglich im Austausch mit dem Hersteller. „Wir wollen wissen, wie und wo unsere Trikots produziert werden – und ob Optimierungsbedarf besteht“, sagt Schmauder.

Generell stehe stets die Gemeinwohl-Bilanz im Fokus. Die Knights-Chefin hat dahingehend eine klare Meinung: „Der Klimaschutz ist dabei nur der Aufhänger. Es geht auch darum, welche soziale Funktion wir erfüllen und dass wir fair miteinander umgehen. All diese Themen wollen wir unseren Spielern, Mitarbeitern und Kindern ins Bewusstsein rufen und aktiv vorleben.“

Zwischen Seetang-gepflegtem Rasen und Benzin aus Frittenfett

Der „grünste“ Verein der Welt trägt sein Motto bereits im Namen: der „Forest Green Rovers FC“. Das Team aus der vierten englischen Fußball-Liga ist sogar vom Weltverband Fifa offiziell als „umweltfreundlichster Fußballverein“ anerkannt worden. Kürzlich setzte der Klub nochmals ganz neue Maßstäbe. Statt in den bisherigen Trikots – aus Bambus gefertigt – lief die Mannschaft in einem Dress auf, das aus Kaffeesatz und recyceltem Plastik hergestellt wurde. Außerdem werden im Stadion der „Green Devils“ ausschließlich vegane Speisen und Bio-Bier aus kompostierbaren Bechern verkauft. Ferner setzt der Klub bei seinem Rasen auf eine Pflege mit Seetang statt Pestiziden, der Mähroboter fährt solargetrieben und aus der Sprinkleranlage spritzt gespeichertes Regenwasser. Darüber hinaus wird die gesamte Energieversorgung des Vereins zu knapp einem Viertel von den Solarzellen auf dem Stadiondach geliefert. Nicht zu vergessen: Die Zapfsäule am Stadion mit Biobenzin – aus recyceltem Frittenfett der Vereinskantine.
Zum Schutz der Umwelt hat die EU beschlossen, ­bestimmte Plastik- und Styroporgegenstände ab 3. Juli 2021 zu verbieten. Dazu gehören Besteck, Geschirr, Trinkhalme, Wattestäbchen, Essstäbchen und Essensverpackungen aus Styropor. Erheblich reduziert werden sollen zudem Einmal-Essensverpackungen und Einmal-Becher aus Plastik sowie deren Zubehör. Ab 2030 sollen außerdem sämtliche Plas­tikflaschen zu mindestens 30 Prozent aus recyceltem Material bestehen. max

 

Keine Ausreden mehr

Genau 60 000 Bäume müssten gepflanzt werden, um die ­Emissionen eines einzigen Spieltags der ­Fußball-Bundesliga mit neun Partien klimatechnisch zu kompensieren – umgerechnet entspricht das circa 7753 ­Tonnen CO2. Berücksichtigt werden in dieser Rechnung der Hin- und Rückweg der Fans sowie der Konsum im Stadion mit dem d­amit verbundenen Müll – eine erschreckende Bilanz. Daher ist es auch richtig, dass das ­Thema Nachhaltigkeit im Sport eine ­immer größere Rolle spielt.
Zumal vielen Menschen beim eigenen Stadionbesuch bereits gedämmert haben dürfte: Aus ökologischen ­Gesichtspunkten sind Sportveranstaltungen ­alles andere als vorbildlich. Vom Mobilitätskonzept und den Imbiss­buden über Merchandising-­Produkte mit Kunststoff-Verpackungen bis hin zu Verbrauchsmaterialien wie Plastikbecher – es entstehen riesige Mengen an Müll, der keinerlei oder nur ­wenig Weiterverwendung bietet.
Sich den Klimaschutz auf die Fahne zu schreiben, ist deshalb längst keine Frage der Bereitschaft mehr, sondern zwingend notwendig. Zumal die Lösungen nahe liegen: die Zusammenarbeit mit einem regionalen Catering-Anbieter, der Verzicht auf gedruckte Tickets oder Plastik. Und selbst wenn im schlimms­ten Fall keine kurzfris­tige Umsetzung möglich sein sollte, gibt es immerhin die Option, als „Ausgleich“ für den ökologischen Fußabdruck, CO2-Zer­tifikate zu kaufen.
Für Amateurvereine sind all diese Beispiele natürlich keines­wegs greifbar. Gerade in Corona-­Zeiten, in der die kleinen Klubs sowieso schon ums Überleben kämpfen müssen, werden wohl kaum Überlegungen in eine nachhaltigere Spieltagsgestaltung fließen. Das ist aber auch – vorerst – gar nicht nötig, denn jetzt sind erst einmal die „Big Player“ gefragt, die Anforderungen anzunehmen und vor allem langfristig umzusetzen. Gelingt dies, könnte die eine oder andere „leicht“ umsetzbare Maßnahme eines Tages womöglich durchaus auch im Amateursport Anwendung finden. Wie das auf unterschiedlichsten Ebenen funktionieren kann, stellen die Basketballer der Kirchheim Knights bereits vorbildlich unter Beweis.
Bis sich eine noch breitere Basis dieses Themas annimmt, gilt es, zumindest das Bewusstsein jedes Einzelnen zu schärfen. Denn Nachhaltigkeit und ­Erlebnisorientierung sind auch im Amateurbereich durchaus mit­einander zu vereinen.

Kommentar
Max Pradler zur Nachhaltigkeit im Sport