Hallo Norbert“, ruft der Steppke schon von Weitem und eilt fröhlich winkend in Richtung des Mannes im hellblauen Trainingsanzug. Es ist Montag kurz vor 17 Uhr und Zeit für Norbert Krumm und seinen Fußball-Kindergarten. Teilweise tummeln sich mehr als 50 Jungen und Mädchen auf dem VfL-Sportplatz oder in der kalten Jahreszeit in der Konrad-Widerholt-Halle. Und das seit mittlerweile fast 15 Jahren. So lange schon zeigt der nunmehr 77-Jährige beim VfL Kirchheim Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren einmal in der Woche, wie viel Spaß das Spiel mit dem Ball und in einer großen Gemeinschaft machen kann.
„Kinder müssen sich doch bewegen“, sagt der alte Fahrensmann, weshalb er Montag für Montag auf dem Platz steht – auch in den Ferien. Wer rennen und kicken will, braucht keine Pause. Der Inhaber der Trainer-A-Lizenz, in den 60ern und 70ern beim VfL einst in der zweiten Amateurliga am Ball und anschließend bei zahlreichen Vereinen der Region viele Jahre als Coach tätig, erst recht nicht. Schließlich ist es sein Herzensprojekt.
Eines, bei dem der Fußball zwar im Mittelpunkt steht, aber nicht das Allerwichtigste ist. „Bewegung, Spaß und Spiel sind mein Motto“, erklärt der ehemalige Spielleiter der „Blauen“ zu Verbands- und Oberligazeiten. Norbert Krumm zeigt dem Nachwuchs mithilfe des runden Leders, das in diesem Fall der Kindgerechtigkeit wegen aus Plastik besteht, wie viel Freude es bringt, mit Freunden gemeinsam Sport zu machen. Und obwohl die vielen Kids nur schwer zu bändigen sind, hat der Mann mit der Basecap alles im Griff. Auch wenn das manchmal eine Engelsgeduld erfordert. Spätestens, wenn Krumm kräftig in die Trillerpfeife bläst, ist Ruhe auf dem Platz. Dann lauscht selbst der umtriebigste Zwerg dem, was der Boss zu sagen hat.
Amtssprache bei Krumm und seinen zwei, drei Helfern, zu der neben seiner Enkelin auch zwei, drei Eltern zählen, ist Schwäbisch. So wie es eben einer spricht, der im nordhessischen Reinhardshagen aufwuchs und Mitte der 60er nach Kirchheim kam. Der Fußball half entscheidend mit, dass er sich mit seiner Frau Rosemarie am Fuße der Teck schnell wohlfühlte. Nun gibt er zurück, begeistert die Kinder, die nicht nur aus Deutschland, sondern „im Prinzip vom ganzen Erdball kommen“, wie Norbert Krumm schmunzelnd erzählt. In Ländern wie Indien, Pakistan, Eritrea, den USA, Vietnam und den üblichen europäischen Staaten liegen ihre Wurzeln. Daheim sind sie in Kirchheim und den umliegenden Orten. Hier ist der Fußball so, wie die Fifa-Oberen gerne vorgeben, was er bei ihrem Millionenspiel sei – menschenverbindend.
Mehr Anfragen als Plätze
Das spricht sich offensichtlich rum. Krumm hat mehr Anfragen als Plätze. Vor allem wenn es in die Halle geht, wird es eng: „Dieses Jahr habe ich schon mindestens 20 Anfragen ablehnen müssen.“ Das bedeutet, dass sich die Eltern und ihr Nachwuchs bis zum Frühjahr oder Sommer gedulden müssen. Denn „wenn sie in die Schule kommen, dann ist für sie bei mir Schluss.“ Die Jungen und Mädchen müssen sich dann entscheiden, wie und wo sie weitermachen. Am liebsten ist es Krumm, wenn sich seine Schützlinge den VfL-Bambinis anschließen. Er hat aber auch kein Problem damit, falls es zu einem anderen Verein oder in eine andere Sportart geht. Wichtig ist ihm nur, dass die Kids weiterhin Sport machen.
Entsprechend breitgefächert baut er sein Programm auf. Zwar sind die Fußbälle bereits bei der Aufwärmgymnastik im Spiel, doch Mini-Trampolins und Gerätschaften für kleinere Koordinationsübungen sind ebenfalls im Einsatz. Ballschule nennen private Anbieter solch ein Programm und verlangen dafür pro Stunde oft das, was Norbert Krumm und der VfL fürs halbe Jahr verlangen: 22,50 Euro. Warum er den Beitrag immer nur für sechs Monate will? „Die Kinder haben manchmal ja von heute auf morgen keine Lust mehr, da kann ich sie doch nicht für ein ganzes Jahr zahlen lassen.“
Das ist übrigens auch der Grund, weshalb die Jungs und Mädels erst drei bis vier Mal reinschnuppern dürfen, ehe Vater oder Mutter den Anmeldezettel ausfüllen können. Ein prägender Moment, denn: „Wenn man sich bei mir in der Liste eingetragen hat, dann ist man mit mir per Du.“ Der 77-Jährige macht klar: „Danach sind wir alle gleich, ziehen alle an einem Strang und wir sind wie eine Familie.“ Eine Gemeinschaft eben, die Kindern Spaß an der Bewegung vermittelt. „Seit 2008, seit mich der damalige Jugendleiter Detlef Pflüger gefragt hat, ob ich mir so etwas nicht vorstellen kann“, sagt Norbert Krumm und darf zufrieden auf das blicken, was in den nicht ganz eineinhalb Jahrzehnten entstanden ist. Wobei das nicht das einzige ist, was den erfahrenen Coach stolz macht. Das ist er auch, weil „es in all den Jahren noch nie einen Streit mit irgendwelchen Eltern gab“.
Mit den Jungs und Mädels sowieso nicht. Spätestens wenn die Trillerpfeife ertönt, wissen die, wer hier die Kommandos gibt und dass nun für kurze Zeit Schluss ist mit dem Gewusel und Geplapper – zumindest bis zum abschließenden Kreis, bei dem sich alle an den Händen fassen, sie gemeinsam in die Höhe werfen und laut rufen: „Wir sind die Champions.“ Der Fußball-Kindergarten des VfL ist zu Ende. Das weiß auch der Steppke, ruft zum Abschied „Tschüss Norbert“, winkt fröhlich und weiß: Nächsten Montag um 17 Uhr geht’s weiter mit Norbert Krumms Fußball-Kindergarten.