Lokalsport
Nochmal Gold für Linn Kazmaier

Paralympics Bei einem heiter-beschwingten Empfang auf dem Oberlenninger Marktplatz feiern Hunderte die fünffache Medaillengewinnerin und ihren Begleitläufer Florian Baumann aus Balzholz. Von Reimund Elbe

Ernst Waldhauser musste kurz überlegen, dann war sich der 88-Jährige absolut sicher. „Nein, an einen solch großen sportlichen Erfolg in unserem Ort kann selbst ich mich nicht erinnern“, erklärte der Oberlenninger Senior, zusammen mit Frau Inge am Samstagnachmittag mittendrin beim Empfang für die fünffache Paralympics-Medaillengewinnerin Linn Kazmaier.

Das rüstige Rentner-Ehepaar sowie knapp 300 weitere Besucherinnen und Besucher bereiteten der 15-Jährigen auf dem Oberlenninger Marktplatz mit reichlich Applaus plus guter Laune einen überwältigenden Empfang, sorgten teils für Gänsehautatmosphäre. „Ein Stück Sportgeschichte“ habe Kazmaier in Peking geschrieben, merkte Bürgermeister Michael Schlecht in seinen Begrüßungsworten an.

Die Gemeinde hatte das Feld für den offiziellen Empfang bestellt: Über dem Rathaus-Portal ein großes Glückwunschbanner, an den Fahnenmasten Gemeinde- plus Deutschlandflagge, Getränkestände, per Bildschirm fotografische Erinnerungsstücke der Pekinger Kazmaier-Wettkämpfe.

 

Sie hat ein Stück Sportgeschichte geschrieben.
Michael Schlecht Der Lenninger Bürgermeister würdigte die Leistungen von Linn Kazmaier

Eine Abordnung der Skizunft Römerstein stand für Linn Kazmaier und ihren Guide Florian Baumann beim Weg auf die Rathaustreppen Spalier, der Musikverein Unterlenningen war zudem zwecks musikalischer Einlagen am Start. „Wir haben spezielle Stücke herausgesucht“, verdeutlichte der Musikverein-Vorsitzende Simon Knabel – ganz im Sinne des besonderen Moments. „An Tagen wie diesen“ von den Toten Hosen folgten die Klassiker „One moment in time“ sowie „We are the champions“. Ein Team des Fernsehsenders RegioTV dokumentierte das Geschehen filmisch. Das Ganze wurde garniert mit Topwetter und Temperaturen knapp unter 20 Grad.

Die Protagonistin dieses Nachmittags war bereits vor Beginn des offiziellen Teils eine gefragte Gesprächspartnerin. Ein Selfie hier, ein Smalltalk da – Linn Kazmaier genoss den Trubel mit einem Dauerlächeln im Gesicht. Zusammen mit ihrer ehemaligen Klassen- und Sportlehrerin Heidi Segeritz schwelgte sie auch in vergangenen Grundschulzeiten. „Linn war immer eine sehr motivierte Schülerin“, erinnerte sich die Pädagogin, die mit der Medaillengewinnerin schon in deren Kita-Alter bei Inklusionsprojekten zu tun hatte.

Matthias Etzel von der Skizunft Römerstein, Willi Hahner von der Skizunft Uhingen, Martin Moll, Chef der LG Teck, und Beurens Bürgermeister Daniel Gluiber (Kazmaier-Guide Baumann ist Balzholzer) würdigten die Medaillengewinnerin und deren Begleiter ebenso. Wobei Martin Moll an eine Besonderheit erinnerte: „Linn ist die einzige gehandicapte Sportlerin im Kreis, die schon einmal Kreismeisterin bei den Nicht-Behinderten wurde“. Und zwar im 800 Meter-Lauf.

Und Linn Kazmaier? Hörte sich die Lobeshymnen strahlend an, dankte in ihrem Statement allen, die sie in den vergangenen Jahren unterstützt hätten. „Ohne diese Menschen würde ich heute nicht hier stehen“, sagte sie hörbar bewegt.

Und Gold gab es für sie zum zweiten Mal binnen weniger Wochen. Bürgermeister Schlecht überreichte ihr, nach zuvor einstimmig vom Gemeinderat gefassten Beschluss, die Goldene Gemeinde-Ehrennadel plus Jahreskarten fürs Freibad. Der Schultes nutzte die Bühne noch für einen Appell: „Vielleicht können diese Erfolge andere Menschen mit Handicap inspirieren, und so für einen weiteren Schritt für Inklusion in der Gesellschaft sorgen.“

Zum Schießen, die Sache mit dem Schießriemen

Wer Matthias Berg einlädt, bekommt Matthias Berg geboten. Seit 22 Jahren gibt der ehemalige Esslinger Vize-Landrat den ZDF-Experten bei den Paralympics, steht für Kurzweil und Humor („Bin der Oliver Kahn für Kassenpatienten“). 27 Medaillen hat Berg einst selbst als Gehandicapter gewonnen, steht damit fachlich voll auf der Höhe. Gezielt nachfragend, entlockte der 60-Jährige am Samstag in einer lockeren Talkrunde Linn Kazmaier und Guide Florian Baumann nette Geschichten. Dass Kazmaier zum Beispiel schon mal auf einem Einrad 90 Kilometer am Stück unterwegs gewesen sei, oder sie „doch froh war“, bei ihrem Goldrennen ins Ziel gekommen zu sein.
Florian Baumann schilderte, wie emotional er die Situation in Peking neben Linn erlebte, als sie im Schießstand auch den letzten Schuss ins Ziel gesetzt hatte. Das Duo gab zudem ein klares Bekenntnis für eine weitere Zusammenarbeit ab.
Und dann war noch die Sache mit dem Schießriemen. Den hatte Linn Kazmaier daheim vergessen, den Schlüssel fürs Zimmer zudem nach Peking mitgenommen. Ein Schlüsseldienst musste ran, der später anreisende Bundestrainer brachte das unverzichtbare Requisit schließlich doch noch rechtzeitig mit. „Und dabei hat er auch gleich noch das Geburtstagsgeschenk für Florian mitgebracht, das lag nämlich auch noch noch in meinem Zimmer“, so Kazmaier mit einem Lachen. rei