Kassel. Die Jubelschreie der rund 14 000 Zuschauer hallten bereits durchs Kasseler Auestadion, bevor der Wurfhammer von Aileen Kuhn über die 70-Meter-Marke hinausgeflogen war. Flugkurve und Abwurfgeschwindigkeit deuteten schon früh an, dass das vier Kilo schwere Wurfgerät weit fliegen würde. Doch der Jubel endete jäh, als die rote Fahne signalisierte, dass der erste Versuch ungültig war – die Wendlingerin im Dress des LAZ Ludwigsburg war übergetreten.
„Ich habe etwas zu lang dem Wurf hinterhergeschaut, dadurch den Körperschwerpunkt nicht rechtzeitig abgesenkt und bin dann mit dem Fuß nach vorne aus dem Ring getreten“, erklärte die 20-jährige Wendlingerin, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass dieses Malheur sie den Deutschen Meistertitel gekostet hatte. Doch Kuhn hadert nicht, freute sich über die Silbermedaille und richtet den Blick optimistisch nach vorn. Bereits gestern flog sie nach Espoo/Finnland zu den U 23-Europameisterschaften, wo sie am Donnerstag die Qualifikation bestreiten wird, um am Freitag im Finale der besten zwölf Hammerwerferinnen um die Medaillen mitzukämpfen.
Den Meisterwurf setzte Titelverteidigerin Samantha Borutta (Eintracht Frankfurt) bereits im ersten Durchgang mit 68,12 Metern. Aileen Kuhn ging im zweiten Versuch auf Sicherheit, schob sich dennoch mit 65,59 Metern an die zweite Stelle und steigerte sich im dritten Durchgang auf 66,87 Meter. Bronze holte sich Michelle Döpke (Leverkusen/64,59).
Lauria in Feierlaune
Fast zur gleichen Zeit ließ der Stettener und ehemalige LG-Filder-Athlet Tizian Lauria seinen Emotionen freien Lauf, hüpfte mit geballten Fäusten um den Kugelstoßring herum und schrie seine Freude ins Stadionrund. Gerade hatte der 20-Jährige vom VfL Sindelfingen im dritten Versuch mit 19,65 Metern seine Bestleistung um 44 Zentimeter gesteigert und die Führung in einem spannenden Wettbewerb übernommen. Am Ende reichte dies zu Silber hinter dem neun Jahre älteren Dennis Lukas (LG Idar-Oberstein), der im vierten Durchgang mit 19,82 Metern konterte. „Ich habe den Wettkampf hier gar nicht so richtig ernst genommen, weil ich mich voll auf die U 23-EM vorbereite“, so Lauria, „aber ich wusste natürlich auch, dass ich sehr fit bin, und bin mit der Einstellung hierher gekommen, um einen guten Wettkampf zu machen.“ Bronze ging überraschend an Silas Ristl (LAC Essingen/19,65).
Der siebenfache Deutsche Weitsprung-Meister Fabian Heinle aus Musberg konnte trotz Saisonbestleistung von 7,70 Metern seinen Titel nicht verteidigen. Der 29-Jährige vom VfB Stuttgart gewann immerhin Bronze hinter Simon Batz (MTG Mannheim/7,97) und Luka Herden (LG Münster/7,91).
Eine Medaille im Diskuswerfen hatte sich auch der Musberger David Wrobel, der ebenfalls für den VfB startet, als Ziel gesetzt. Doch der 32-Jährige mühte sich zunächst mit 58,87 Metern ins Finale der besten acht, legte dann aber im vierten Durchgang mit 62,26 und im fünften mit 62,67 Metern eine Schippe drauf. Zu Bronze fehlten Wrobel schließlich 20 Zentimeter. Silber ging an Steven Richter (LV Erzgebirge) mit 63,57 Metern, Bronze gewann Christoph Harting (LG Nord Berlin) mit 62,87 Metern.
Auch die Deutsche Vize-Meisterin im Kugelstoßen des vergangenen Jahres, Katharina Maisch aus Bempflingen, hatte eine Medaille fest eingeplant. Doch am Ende blieb für die 29-Jährige von der LV Erzgebirge, die mit einer Saisonbestleistung von 17,99 Metern angereist war, nach nur zwei gültigen Versuchen mit 17,65 Metern lediglich der undankbare vierte Platz. Mit dem fünften Platz zufrieden, mit der Weite aber nicht, war die Esslingerin Lea Riedel. Die U 23-Vize-Europameisterin von 2021, die in diesem Jahr bereits 17,68 Meter weit gestoßen hatte, kam nicht über 16,92 Meter hinaus.
Ihren Titel im Stabhochsprung verteidigt hat die deutsche Jahresbeste, Anjuli Knäsche von der LG Leinfelden-Echterdingen, mit 4,41 Metern. Die 29-Jährige, die nur vier Zentimeter unter ihrer Jahresbestleistung von 4,45 Metern blieb, war dennoch nicht ganz zufrieden. „Ich hatte viele abgebrochene Sprünge. Das muss ich in den nächsten Wettkämpfen ändern“, sagte sie selbstkritisch. Bei prächtiger Kulisse gingen Silber und Bronze an Chiara Sistermann (TSV Gräfelfing/4,31) und an Annika Roloff (MTV Holzminden/4,11).