Saisonstart Basketball
Perovic ist bei den Knights wieder als Erneuerer gefragt

Kirchheims Zweitliga-Basketballer erleben nach einem spektakulären Erfolgsjahr die nächste Zäsur. Der Trainer muss aus einer jungen, talentierten Mannschaft eine starke Einheit formen.

Auf Igor Perovic wartet in der neuen Saison wieder einmal viel Aufbauarbeit.  Foto: Patrik Otte

Ein erfolgreicher Spieler war er. Ein Zocker ist er nicht. Dass Igor Perovic in seinem fünften Trainerjahr in Kirchheim wieder einmal voll ins Risiko gehen muss, ist weniger eine Frage des Typs, als vielmehr das Diktat wirtschaftlicher Fakten. Wer sich kein Starensemble leisten kann, muss potenzielle Stars entwickeln. Nach einem Jahr, in dem Kontinuität und Erfolg einhergingen, hat der 50-jährige Serbe bei den Knights erneut den Umbruch zu gestalten. Fünf Stammkräfte sind weg, Ersatzbeschaffung heißt in Kirchheim seit jeher: auf junge Talente setzen und darauf vertrauen, dass sie unter der Hand des erfahrenen Coachs zu Leistungsträgern werden.

Wie weit ihm das bis hierher gelungen ist, wird vermutlich nicht lange ein Rätsel bleiben. Mit Gießen am Samstag zu Hause und eine Woche später in Hagen erwartet die Knights ein Hammer-Auftaktprogramm, das zentrale Fragen schnell beantworten dürfte: Hat die junge Mannschaft die nötige Reife? Vor allem: Wie gut gelingt es ihr, Tiefschläge wegzustecken? Mit dem Startschuss bereit sein – selbst für Teammanager Chris Schmidt sind Zweifel zwar berechtigt, aber kein Grund zur Nervosität. „Die Mannschaft hat individuell enormes Potenzial, aber sie wird Zeit brauchen“, sagt er.

Jahr eins nach Flowers

Wie schafft man es, einen Leader wie Michael Flowers einigermaßen adäquat zu ersetzen? Die Antwort auf die kniffligste Frage heißt Bradon Norris. Der muss zwar erst noch liefern, doch sein bisheriges Versprechen wirkt beruhigend. Der 24-jährige und nur 1,83 Meter große Rookie, der direkt vom College kommt, hat sich in der Pre-Season in kürzester Zeit zur Leitfigur entwickelt. Mit Cameron Henry, der in Frankfurt lange auf einen Anschlussvertrag in der BBL gehofft hatte, und dem Ex-Münsteraner James Graham hat Norris als Neuling in der Liga immerhin zwei Kräfte mit Pro-A-Erfahrung zur Seite. Graham, der in der Vorbereitung lange verletzt war, hat sich vergangene Woche gegen Pro-B-Aufsteiger Fellbach stark zurückgemeldet. Henry ist einer, der mit Präsenz punktet und der nicht erst ein imposantes Oberarm-Tattoo gebraucht hätte, um zu zeigen, dass Basketball bei ihm die Krone trägt. Ein Energielieferant und ausgemachter Kämpfertyp ist auch Paderborns Ex-Kapitän und Dreier-König Lucas Mayer als vierter Neuzugang in Perovics künftigem Ensemble. Alle drei haben eines gemein: „Sie waren in der vergangenen Saison zwar Leistungsträger, aber keine Schlüsselspieler“, stellt Perovic fest. In anderen Worten: In Kirchheim sollen sie es werden.

Dann ist da noch Miryne Thomas, der erst kurz vor Trainingsstart Mitte August für die letzte freie Ausländerstelle verpflichtet wurde, nachdem die Knights lange auf die Rückkehr von Nick Muszynski spekuliert hatten. Das Label Kämpfertyp tragen viele auf der Stirn. Bei Thomas ist es mehr als nur Etikette. Er hat als Jugendlicher geboxt, stammt aus Cleveland, einer Stadt, in der wirtschaftlicher Niedergang, Kriminalität und harte Lebensbedingungen Hand in Hand gehen. Wer sich hier behauptet, hat gelernt, zu kämpfen. Der 25-Jährige wirkt auf den ersten Blick schlaksig, hat Perovic jedoch durch seine physische Präsenz und Unerschrockenheit überzeugt. „Er geht keinem Körperkontakt aus dem Weg und auch dorthin, wo es wehtut“, sagt sein Coach.

Nachdem klar ist, das Nick Muszynski in seinem Heimatland in der G-League starten wird, bleibt die Rolle des klassischen Big Man in dieser Saison allein dem 21-jährigen Toni Dorn vorbehalten, auch wenn er sich mit dem Deutsch-Chilenen Aitor Pickett die Spielzeit an den Brettern teilen wird. Für Dorn ist es nach einer schwierigen Saison mit starken Auftritten, aber auch vielen Selbstzweifeln eine neue Rolle mit deutlich mehr Verantwortung. Der blonde 2,13-Meter-Hüne gilt als Riesentalent und setzt auf seiner Position körperlich Maßstäbe in der Liga. Dass er diese Vorteile umgesetzt bekommt, zählt zu den größten Herausforderungen, die sich dem Trainer in der neuen Saison stellen dürften.

Weniger klare Rollenverteilung, mehr Flexibilität, mehr Tempo und Korbgefahr auf fast allen Positionen – so weit die Theorie auf dem Papier. Obwohl mit Graham, Pickett, Dimi Ward und Aleksa Bulajic, der bis vergangene Woche auf sein Arbeitsvisum warten musste, immer wieder Spieler erkrankt oder verletzt gefehlt haben, zeigten die Knights bei den drei Testspielsiegen gegen Nürnberg, Karlsruhe und Fellbach gute Ansätze.

Deren Wert wird schon am Samstag gegen Frenki Ignjatovics Gießener sichtbar werden, die wie schon im Vorjahr zum Kreis der Aufstiegskandidaten zählen. Ein Kreis, der größer geworden ist, nachdem sich in der Liga zunehmend Teams mit BBL-Vergangenheit tummeln und in der die Duelle mit den beiden Erstliga-Absteigern aus Tübingen und Crailsheim das Salz in der Suppe sind. Perovic ist kein Mann großer Worte. An einem Satz hält er dennoch fast mantraartig fest: „Wenn wir von schweren Verletzungen verschont bleiben, dann können wir jeden schlagen.“