Kirchheim. Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Olympiasprinter Tobias Unger brachte gestern Mittag den Ehrungsplan in der Stadthalle durcheinander – aber das war von den Organisatoren durchaus gewollt. Der 33-jährige Kirchheimer schaute trotz einer erst wenige Tage zuvor erfolgten Knieoperation vorbei. Unter anhaltendem Beifall humpelte der verletzte London-Teilnehmer nach vorne, nahm aus der Hand von Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker und dem Vorsitzenden des Stadtverbandes für Leibesübungen (SfL), Hermann Schnizler, das Simonsiegel in Gold entgegen. Minuten nach der Ehrung für Staffel-Silber bei den Leichtathletik-Europameisterschaften lag Unger bereits wieder daheim auf dem Sofa, um dem frisch operierten Knie die nötige Ruhe zu gönnen.
Neben dem bekanntesten Leichtathleten der Teckstadt bekam lediglich der immer stärker werdende U23-Mountainbiker und Weltmeisterschafts-Vierte Christian Pfäffle (MTB Teck) die höchste aller Auszeichnungen überreicht: 42 Simonsiegel in Bronze, Silber und Gold wurden dieses Mal vergeben, dazu rund 100 Sportplaketten, Ehrenurkunden und lobende Erwähnungen. Voraussetzung dafür: Ein württembergischer Meistertitel muss es mindestens sein.
Die Stadt und der SfL hatten gerufen und fast alle kamen. Nur wenige der rund 150 zu Ehrenden fehlten bei der diesmal vom TC Kirchheim und dem Tanzsportclub Kirchheim ausgerichteten Feier. Die Oberbürgermeisterin nutzte dabei ihre Rede zu einem Plädoyer für einen sauberen Sport. Nach einem Bekenntnis für das Vereinswesen („Ehrenamtliche beweisen Bürgersinn und sorgen für ein attraktives Vereinsangebot in der Stadt“), nahm sie die Dopingbeichte des einstigen Tour de France-Helden Lance Armstrong zum Anlass, um für einen sauberen Sport zu werben. „Wir müssen weg von diesen Skandalen und ich freue mich, dass uns die Kirchheimer Sportlerehrung das ehrliche Gesicht des Sports zeigt.“ Matt-Heidecker outetet sich dabei als langjähriger Radsportfan. „Es ist schade um diese herrliche Sportart. Auch die Rolle der Verbände ist dabei kritisch zu sehen.“
Anschließend hatte die Oberbürgermeisterin mehr Grund zur Freude. Bei der Ehrung war einmal mehr die große Bandbreite des Kirchheimer Sports zu sehen – auch was die Körpergröße betrifft. So gehörten zu den Geehrten die gerade einmal etwas mehr als einen Meter großen Schüler Markus Neher und Maike Haibisch aus dem Schüler-Kunstturnsport ebenso wie die Basketball-Cracks der Kirchheim Knights. Am Abend zuvor hatte das Team einen eminent wichtigen Sieg in Paderborn gelandet. Für das Publikum gab es auch die eine oder andere theoretische und praktische Nachhilfe. So zückte das Moderatorinnen-Duo Tina Grassl (Tanzsportclub) und Christine Kipper (Tennisclub) vor der Übergabe der Ehrenurkunde an die Fechterin Iris Gruber einen Degen. An anderer Stelle boten die beiden Details zur einen oder anderen vielleicht nicht ganz so gängigen Sportart, wie Monkey-Cross oder Speedklettern. „Rhythmische Sportgymnastik gibt es in den USA nun auch schon für Männer“, wusste Tina Grassl zu berichten.
Sonderapplaus gab es für den ältesten Geehrten. Der Kirchheimer Tischtennisspieler Peter Schuler („bei uns fliegt der Ball noch ganz flott“) wurde Dritter in der Altersklasse der über 75-Jährigen bei den Deutschen Seniorenmeisterschaften im Doppel. Zu den Dauerbrennern bei der Meisterehrung zählen neben den Kunstturnern auch die Ötlinger Sportschützen. So wurde Markus Geipel gleich ein halbes Dutzend Mal für seine Erfolge im Einzel und mit der Mannschaft ausgezeichnet. Die Speedkletterin Anja Schreiber („ich höre entgegen erster Überlegungen nicht auf, es macht einfach zu viel Spaß“) und der junge Kunst- und Turmspringer Leon Schall erhielten bei der von der 20-köpfigen Gesangsgruppe „Happy Vocals“ begleiteten Feier, den Sonderpreis der Kreissparkasse Esslingen.
Und einer blieb bei dieser Feier unvergessen: Der im vergangenen Jahr bei einem Flugunfall nahe der Hahnweide ums Leben gekommene Klaus Lenhardt. Auf der Leinwand wurde mit Fotos an den Leki-Chef erinnert. „Sein Tod ist ein unfassbarer Verlust“, sagte OB Matt-Heidecker in Gedenken an den herausragenden Flugsportler und Unternehmer.