Das Notprogramm hat offenbar den Premieren-Charme verloren. Nach der zweiten Auflage der Bissinger Meile, pandemie-bedingt erneut mit virtueller Unterstützung und in einem auf rund zwei Wochen ausgedehnten Startfenster ausgetragen, geben sich die Organisatoren nachdenklich. Das Experiment, die legendäre Radler-Hatz auf den Dachsbühl wieder mithilfe einer App über mehrere Tage abzuwickeln, hat weniger gut funktioniert als noch im Jahr zuvor. „Leider konnten wir die Zahl aus dem letzten Jahr nicht ganz erreichen”, kommentiert Organisator Falk Meyer den Rückgang von 134 Startenden auf deren 101.
Folge: Der Plan B, kompatibel zu den herrschenden Corona-Verordnungen, wandert voraussichtlich in den Papierkorb. Die Lust auf Normalität im kommenden Jahr könnte beim TV Bissingen angesichts dieser Tendenz kaum größer sein. „2022 wollen wie endlich wieder die Meile im Original anbieten”, betont Organisator Andreas Henssler.
Dass zumindest eine dreistellige Zahl erreicht wurde, hatte auch mit Leuten zu tun, die die Fahrt auf den Dachsbühl im familären Verbund erledigten. Wie bespielsweise Andreas und Eva-Maria Rottmann. An Fronleichnam tourte das Ehepaar zusammen mit den Kids von Weilheim aus an den Start. „Ich will unbedingt fahren”, hatte bereits Tage zuvor Tochter Luisa ihren entsprechenden Willen selbstbewusst bekundet. So absolvierte die Sechsjährige Seit‘ an Seit‘ mit ihrem Vater die 1600 Meter inklusive 100 Metern Höhenunterschied Richtung Breitenstein, im Schlepptau folgte die Mutter mit dem 16 Monate alten Söhnchen Rafael. Jener hatte, im Fahrradanhänger sitzend, an diesem Tag den stresslosesten Job im Team. „Uns war es vor allen Dingen wichtig, die Veranstalter mit ihrem Online-Konzept in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen”, schildert Andreas Rottmann einen der Beweggründe für das Antreten. Als die Familie im Ziel eingetroffen war, begann es zu tröpfeln - das Signal zur Rückfahrt gegen Limburg.
Der rasende Maler war der Erste
Auch 2021 galt bei der Meile: Wer in die offizielle Wertung gelangen wollte, musste die Tracking-App Strava nutzen, Zeiten per GPS und App in einer Online-Ergebnisliste. Wie im vergangenen Jahr eröffnete Fabian Lübker zur Geisterstunde das Meile-Notprogramm. Am 22. Mai um 0 Uhr rauschte er laut digitaler Erfassung in vollkommener Finsternis über die Startlinie. Statt aus dem Stand, wie ansonsten bei der Bissinger Meile in Nicht-Coronazeiten zwingend vorgeschrieben, war fliegender Start erlaubt. Der Zeitvorfall hierfür kann mehrere Sekunden betragen. Für Lübker, ein begeisterter Landschaftsmaler („obwohl die Gegend um Kirchheim intensiv bebaut ist, findet man hier immer noch schöne Motive”) bedeutet Radeln Passion. Immer mal wieder fährt der Naberner mit kleiner Malausrüs- tung auf die Schwäbische Alb, sucht abseits der großen Wanderwege „schöne Stellen”, wie er sagt, beginnt dort zu malen. Mit ordentlichen 3,50 Minuten landete Lübker im Mittelfeld.
Ganz oben auf der Ergebnisliste: Tobias Hörsch. Er brannte 2,37 Minuten aus dem Betonband, was einem Schnitt von über 33 Kilometern pro Stunde entspricht. Damit war der klar Dominierende lediglich zehn Sekunden langsamer als Vorjahressieger Jannik Steimle, der aktuell bei der Tour de Suisse nach schwerer Verletzung ein bemerkenswertes Comeback feiert.
Schnellste Frau und damit Nachfolgerin der Neidlinger Triathletin Karoline Brüstle: Saskia Haug mit 3,57 Minuten. In der E-Bike-Wertung vorne: Gerald Schur (3.05) sowie Tanja Gölz (3.25 ).
Die virtuelle Variante landet nun vermutlich in der Mottenkis- te, die Meile könnte, wenn alles gut geht, 2022 im Original zurückkehren - es wäre extrem stimulierend für die lokale Radsportszene und das Organisationsteam des TV Bissingen nach zwei Veranstaltungen nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit.