Lisa Müller aus Weilheim hatte gestern 25. Geburtstag – und würde am Sonntag Abend liebend gerne ein zweites Mal in ganz großer Runde feiern. „Mit ein paar Freundinnen werde ich zum Public Viewing nach Kirchheim fahren“, erzählt die gelernte Kindergärtnerin, „wenn Deutschland das Endspiel gewinnt, wird es richtig lustig.“ Hardcore-Fußballfan sei sie nicht, bekennt sie, aber derlei Mega-Events inmitten gut gefüllter Zuschauerreihen wohnt sie gerne bei – als Kontrastprogramm zum eher überschaubaren WM-Geschehen in ihrer Heimatstadt. Einen Strich durch ihre mitternächtliche Feten-Planung kann ihr außer den Argentiniern jetzt nur noch das Wernauer Maultaschenfest machen, wo die Querflötenspielerin zusammen mit dem Musikverein Weilheim morgen eine feste Auftrittsverpflichtung hat. „Aber eigentlich ist der Zeitplan in Wernau so geändert worden, dass es zum WM-Finale am Abend für uns Musiker locker reichen müsste.“
Nobel, mit einem Viertel Rotwein, will Dieter Schilling (76) den möglichen deutschen WM-Sieg begießen, „und ich mache zur Feier des Tages dann eine Tüte Kartoffelchips auf“, fügt seine Ehefrau Ursula scherzend hinzu. Das Kirchheimer Ehepaar wird das finale WM-Spiel daheim auf der Couch verfolgen – aber mehr gelassen als ausgelassen, denn in ihrem Leben haben beide Sportfans schon Events zuhauf anschauen können. „Bei einer deutschen Niederlage geht die Welt auch nicht unter“, sagen sie nüchtern. Enkel Tim (10), der auch im Hause lebt und ausnahmsweise bis zum Schlusspfiff aufbleiben darf, könnte solch ein Fußball-Drama etwas emotionaler sehen.
Stephanie Schraft (48) aus Jesingen, Ehefrau von Wolfsburgs VfL-Pressesprecher Oliver Schraft, schaut die Übertragung aus Rio de Janeiro zusammen mit Mann und Sohn Felix (9) ebenfalls im eigenen Wohnzimmer an. „Wenn Deutschland Weltmeister wird, gibt‘s bei uns ein Gläschen Sekt“, sagt sie. Die in Stuttgart tätige Krankenschwester ist am Montagmorgen zwar dienstfrei, doch zu einem ausgedehnten interfamiliären Siegerfest kommt es in Jesingen trotzdem nicht. Was daran liegt, dass Oliver Schraft nach dem Abpfiff noch dringend ein paar Stunden Schlaf braucht – schließlich startet am Montagmorgen bereits um 6.45 Uhr der Rückflug nach Wolfsburg.
„Deutschland wird Weltmeister“, behauptet der Kirchheimer Miguel Dias (27) vorm Finale steif und fest – ergo hat er den Sonntag zum Feier-Tag erkoren. Das Abendprogramm des portugiesischen Daumendrückers für die DFB-Elf („ich lebe in Deutschland seit meiner Geburt“) ist längst im Hinterkopf. Gegen 19 Uhr will er sich mit Kumpels in der Innenstadt treffen, dann Ausschau halten nach einem guten Kneipen-Platz für bequemes Public Viewing, und nach dem Abpfiff und der Pokal-Übergabe will Dias mit seinen Freunden zum Alleenring pilgern. „Die Autokorsos wollen wir natürlich life miterleben“, sagt er. „Zwei bis drei Bierchen“ will sich der Kranführer bei einem deutschen Sieg noch zusätzlich gönnen.
Georgios Theodoridis (29), griechischer BWL-Student mit Wohnsitz in Kirchheim, zieht‘s am Finaltag ebenfalls in die Öffentlichkeit. „Am liebsten würde ich zum Public Viewing meine Frau mitnehmen“, sagt er und schwankt noch in seinen Endspiel-Planungen: Für Töchterchen Zoe muss für die Zeit nach 20 Uhr erst noch ein Babysitter her. Wird jener gefunden, will Deutschland-Fan Theodoridis auf den (erhofften) WM-Sieg der Löw-Kicker inmitten der innerstädtischen Partymeile anstoßen – nicht mit griechischem Ouzo, sondern schwäbischem Bier. „Notfalls feiern wir aber auch, wenn die DFB-Mannschaft allen Prognosen zum Trotz nur Vizeweltmeister wird“, sagt er und fürchtet ernsthaft, dass er seine Uni-Vorlesung in Stuttgart anderntags aus persönlichen Befindlichkeitsgründen sausen lassen muss.
Die Neidlingerin Irene Issler (52) feiert Deutschlands Final-Vorstoß zusammen mit ihrem Ehemann und rund 20 weiteren Fußball-Sympathisanten morgen Abend im Hobbyraum eines befreundeten Ehepaars. „Vorher grillen wir, so ab 18 Uhr“, sagt sie und erwartet, weil Deutschland ja gewinnt, einen stimmungsvollen Abend, der lang werden wird. „1 Uhr morgens könnte es schon werden, bis wir nach Hause kommen“, sagt sie und hat diesbezüglich Erfahrungswerte: Schon seit Jahren trifft sich der ehemalige Kegelclub zu wichtigen EM- oder WM-Spielen. Manchmal dauert die Fußball-Fete länger, manchmal kürzer, je nachdem, wer anderntags arbeiten muss und wer nicht. „Ich muss am Montagmorgen arbeiten“, sagt Warenauszeichnerin Irene Issler: Eine WM-Sause bis in die Puppen ist für sie nicht möglich.
Der Schlierbacher Max Waldenmaier ist 15, VfL-Basketballer und neben „seiner“ Sportart auch vom Fußball fasziniert. „Basketball und Fußball sind meine zwei absoluten Lieblingssportarten“, sagt der junge 190-Zentimeter-Mann, der in die Klasse 9 c der Kirchheimer Freihof-Realschule geht. Derzeit hat er ausschließlich das WM-Finale zwischen Deutschland und Argentinien im Fokus – er fiebert ihm förmlich entgegen und steckt voller Emotionen. Wie Millionen Fußball-Fans hierzulande setzt auch Max Waldenmaier auf einen deutschen Sieg und will beim gemeinsamen TV-Gucken mit seinen Feuerwehr-Kumpels im Schlierbacher Feuerwehrmagazin alles, nur keinen argentinischen Sieg. „In diesem Falle würde ich sofort heim- und ins Bett gehen“, sagt er. Lieber wäre dem Bayern-Fan da die positive Ergebnis-Variante mit Nationalmannschafts-Kapitän Philipp Lahm, der den WM-Pokal als Erster in den brasilianischen Abendhimmel reckt. In diesem Fall würde Max beim Feuerwehr-Fußballfest nicht nur länger bleiben, sondern auch das ein oder andere Spezi mehr trinken.