Lokalsport
Radrennfahrer sind nicht aus Zuckerwatte

Event Bei der zweiten Kirchheimer Radsportnacht konnte selbst sintflutartiger Regen die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht davon abhalten, bis zum Schluss auszuharren, um ihren Lokalmatadoren zu feiern. Jannik Steimle aus Weilheim hat es wieder aufs oberste Treppchen geschafft. Von Sandra Langguth

Spaß sieht vermutlich anders aus. Während die Zuschauer Jacken und Mäntel rauskramen, Schirme aufspannen und sich mit bangem Blick gen Himmel auf die Suche nach einem Unterstand machen, drehen die Rennfahrer der zweiten Kirchheimer Radsportnacht weiter tapfer ihre Runden. Aus anfänglichem Getröpfel wird bald ergiebiger Regen, und Veranstalter Jürgen Wastl ist die Enttäuschung anzumerken. „Wirklich schade“, sagt er, und sieht den nächsten Fahrer, der aufgrund der Umstände die Segel streicht und aus dem Rennen aussteigt. „Klar, dem ein oder anderen ist das hier zu heikel“, weiß der Rad-Experte.

Alles reintreten was geht: Nach der Spitzkehre am alten Teckboten mussten die Rennfahrer die Marktstraße hoch richtig Druck aufs Pedal bringen, ehe es den Alleenring hinunter auch schon mal bis zu 70 Stundenkilometer schnell wurde. Fotos: Carsten Riedl

Das rund 50-köpfige Fahrerfeld ist bis zur Hälfte des Rennens deshalb schon kräftig geschrumpft, was der Stimmung und Spannung aber keinen Abbruch tut. Dafür sorgt neben den Sportlern vor allem Sprecher Freddy Eberle. „Rennfahrer dürfen nicht aus Zuckerwatte sein“, haut er den einen oder anderen Spruch heraus. Außerdem weiß er zu beinahe jedem Fahrer eine Geschichte. Und so dauert es auch nicht lange, bis die ersten Zuschauer gleich wieder an der Strecke stehen, sobald ein bisschen weniger Wasser von oben herabfällt. Derweil liefern sich die Männer auf der Strecke einen unerbittlichen Kampf. „Hier wird hart gefahren heute. Die schenken sich wirklich nichts“, hat Simon Schreck beobachtet. Der Rennleiter, im Passione-bici-Team selbst einst als Sprinter aktiv, ist extra für die Radsportnacht aus der Nähe von Leipzig angereist und hat sich im Vorfeld um die Fahrerbesprechung gekümmert. „Der Vorteil für die Fahrer ist, dass es die letzten Tage schon geregnet hat. Ansonsten kann man nur mit ein bisschen weniger Luftdruck fahren.“

 

"So filetiert man einen Fisch
Freddy Eberle
Der Moderator über die Tatsache, dass Jannik Steimle und Teamkollege Mauro Schmid Marius Mayrhofer in die Mangel genommen haben.
 

Vor allem für die nicht so starken Teilnehmer hat der Regen eher Vorteile, denn so haben sie noch am ehesten die Chance, an den drei Profis Jannik Steimle, Mauro Schmid (beide Soudal Quick-Step) und Marius Mayrhofer (DSM-Firmenich) dranzubleiben, da diese das Tempo insgesamt etwas drosseln. Allerdings nicht lange. Während die Rennleitung spontan beschließt, das Ganze um fünf auf 60 Runden zu kürzen und nun nur noch 15 zu fahren sind, setzt der Schweizer Mauro Schmid eine Attacke. Die Profis bleiben beieinander, dicht gefolgt von einer Vierergruppe mit Jan Ryba (AC Sparta Praha Cycling), Daniel Bichlmann (54x11), Adrion Zuger (Bike Aid) und Marco König (Skullracing Team).

Dass zehn Runden vor Schluss die digitale Anzeige schlapp macht, wird kurzerhand mit Papier und Edding gelöst. So darf sich der junge Robin Benkert vom Helferteam als „Nummern-Boy“ verdient machen. Inzwischen drängen sich annähernd so viele Zuschauer wie vor dem Regen an der Strecke und verfolgen die letzten Kilometer mit Spannung. Drei Runden vor Schluss übernimmt schließlich Lokalmatador Jannik Steimle die Führung. Und während am Ende des Feldes Sympathieträger Richard Habermann vom Prager Team wie im vergangenen Jahr für Stimmung sorgt und die Zuschauer zur La-Ola-Welle animiert, fährt Steimle das Rennen ungefährdet nach Hause. Die Plätze zwei und drei machen Mayrhofer und Schmid untereinander aus, gefolgt vom Vierten Florian Tenbruck (Bausch Factory Racing Team), der den Regen genutzt hatte, um sich nach vorne zu arbeiten.

Kuschelig war's nicht gerade auf der Strecke, aber die Fahrer haben sich durchgebissen. Foto: Carsten Riedl

„Wahnsinn, es ist so gut wie niemand nach Hause gegangen“, ist Organisator Jürgen Wastl fast schon gerührt angesichts des vollen Marktplatzes während der anschließenden Siegerehrung. Jannik Steimle, der erst noch den einen oder anderen Autogrammwunsch erfüllt, hüpft leichtfüßig aufs oberste Treppchen und spricht von einer „gelungenen Show“, und: „Heute haben mich die Zuschauer beflügelt. Chapeau und vielen Dank, dass so viele dageblieben sind.“ Das beeindruckt auch Robert Mayrhofer, der seinen Sohn Marius begleitet und schon am Vorabend mit ihm beim Rennen in Fellbach war, wo Jannik Steimle ebenfalls den Sieg eingefahren hat. „Das war heute Werbung pur für den Radsport. Einfach toll, was hier los war.“

Nass, nasser, nass bis auf die Knochen: Bei der zweiten Kirchheimer Radsportnacht wurde es zwischendurch richtig ungemütlich. Foto: Carsten Riedl

Während sich die ausgekühlten Fahrer für die After-Race-Party im Wilden Mann fertig machen, laufen auf dem Marktplatz und entlang der Strecke die ersten Abbau-Arbeiten. Hunderte Absperr-Gatter müssen eingesammelt und verladen, der Start- und Zielbogen zusammengefaltet und sämtliche Infostände beseitigt werden. Bis zum nächsten Jahr, wenn die Radsportnacht in die Kirchheimer Innenstadt zurückkehrt.

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