Manuel Rommel liebt Fußball. Seit er vier ist, jagt der 26-Jährige dem Ball mit Begeisterung nach. Was ihm unlängst im Kreisliga-B-Spiel seines TSV Schlierbach gegen Türk SV Donzdorf widerfahren ist, hat er allerdings „noch nie in einem Fußballspiel am eigenen Leib erlebt“, wie er sagt. Der dunkelhäutige Sohn einer afroamerikanischen Mutter und eines deutschen Vaters war nach eigenen Angaben in der Nachspielzeit von einem Donzdorfer Spieler als Nigger beleidigt worden. „Der Schiedsrichter ließ dies aber unkommentiert und unbestraft, obwohl er mir bestätigte, dass er die Beleidigung wahrgenommen hat“, schildert Rommel, der sich ärgert, dass eine derart offensichtlich rassistische Äußerung für den Spieler und den Verein ohne Folgen bleibt.
Aber warum ist das so? Der für die Schlierbacher Staffel zuständige Funktionär beim Bezirkssportgericht kennt die Antwort: „Wie im Zivilrecht auch, muss eine Beleidigung eindeutig einer Person zuzuordnen sein“, betont Thomas Eisele, dem Manuel Rommels Fall bekannt ist. Zwar habe der Schiedsrichter die Beleidigung im Online-Spielbericht unter dem dafür vorgesehen Reiter „Vorkommnisse“ eingetragen, allerdings ohne den Täter namentlich zu benennen, weil er den Übeltäter nicht genau identifizieren konnte.
Dabei sieht die Rechts- und Verfahrensordnung des Württembergischen Fußballverbands (WFV) für solche Fälle eigentlich saftige Sanktionen vor: Sechs Wochen bis neun Monate Sperre sowie eine Geldstrafe bis zu 600 Euro sind für diskriminierende und verunglimpfende Äußerungen vorgesehen - sofern sie ruchbar und von den Sportgerichten zur Verhandlung gebracht werden.
Dass dies längst nicht in allen Fällen geschieht, liegt an den Unparteiischen. „Wir haben leider viele Schiedsrichter, die bei so etwas lieber weghören“, will Sportrichter Thomas Eisele, selbst seit 25 Jahren an der Pfeife aktiv, erkannt haben. „So etwas wird leider viel zu selten gemeldet“, vermutet auch Steffen Müller, Obmann der Schiedsrichtergruppe Nürtingen, dass es eine höhere Dunkelziffer gibt, als es offizielle Statistiken weismachen wollen: Württembergweit sind vergangene Saison 34 Sportgerichtsurteile wegen Diskriminierung gegen Spieler und Vereine gefällt worden.
Das klingt vor dem Hintergrund von rund 130 000 Amateurspielen pro Jahr im Verbandsgebiet zwar wenig. Doch ist den Offiziellen durchaus bewusst, dass vor allem in den unteren Ligen ein rauer Umgangston herrscht. „Was mir auf dem Fußballplatz mittlerweile richtig abgeht, ist die Wertigkeit des Begriffs Respekt“, klagt Sportrichter Thomas Eisele, „das ist offenbar kein Wert mehr, den die Menschen leben.“
Eine Erfahrung, die auch Manuel Rommel gemacht hat: Nach dem Spiel suchte er das Gespräch mit dem Donzdorfer, der ihn beleidigt hatte. „Da war aber nicht einmal der Ansatz von Schuldbewusstsein erkennbar“, klagt er, der sich ein rigoroses Durchgreifen des Schiedsrichters gewünscht hätte: „Er hätte sich nur umdrehen müssen, um zu sehen, wer mich beleidigt hat. Aber wenn man solche Dinge nur halb gar behandelt, ändert sich nichts.“
Was aber könnte sich ändern? „Wir als leitende Instanz vor Ort können unseren Schiedsrichtern nur predigen, was der Verband uns vorgibt“, sagt Schiri-Obmann Steffen Müller. Soll heißen: Außer in Schulungen auf ein vom WFV aufgelegtes Merkblatt zum Thema Diskriminierung hinzuweisen und an die Meldepflicht in solchen Fällen zu appellieren, ist von offizieller Seite kaum mehr möglich.
Manuel Rommel bleibt bei allem Unverständnis immerhin die Gewissheit, dass sein Team hinter ihm steht: Hätte der Schiedsrichter die Partie nach dem Vorfall nicht ohnehin regulär abgepfiffen, wären die Schlierbacher aus Solidarität geschlossen vom Platz gegangen. „Das haben mir hinterher alle versichert“, freut er sich.