Wer sich in der Natur selbst erfahren will, findet rund um die Teck zahlreiche Angebote
Raus in die Natur – Rein ins Leben

Outdoor-Sportangebote sprießen derzeit in der Teck-Region regelrecht aus dem Boden. Wenn sich der Frühling endlich wieder von seiner sonnigen Seite zeigt, rücken Outdoorsport-Angebote wie Kletterwälder, Hochseilgärten und Erlebnis-Touren in den Vordergrund.

Kirchheim. Wer seine Grenzen erweitern will oder einfach den Adrenalin-Kick sucht, dem steht im Voralbland ein breites Angebot zur Verfügung – eine ergiebige Mixtur aus Bespaßung, Extremsport und Erlebnispädagogik. Doch ab wann darf sich Sport „extrem“ nennen, und was ist überhaupt Erlebnispädagogik?

In sogenannten Kletterwäldern und Hochseilgärten geht es vorrangig um den Spaß. Ob Hindernisbewältigung in 20 Metern Höhe nun Extremsport ist, oder nicht, bleibt letztlich jedem selbst überlassen. Diese Angebote haben meist auch eine pädagogische Komponente. Helmut Wackenhut ist der Betreiber des Plochinger Kletterwaldes. Hier können sich Kletterbegeisterte wie Tarzan von Baum zu Baum schwingen und Hindernisse in verschiedenen Schwierigkeiten bewältigen. Seinen schwarzen Parcours sieht der Sportlehrer als „Spiegel des Lebens“: „Manche rasen da rein, ohne viel zu überlegen und verheddern sich dann auf die schrägste Art und Weise. Andere tasten sich langsam mit Versuch und Irrtum heran.“ Diese Verhaltensmuster überträgt Wackenhut gerne auf den Alltag der Menschen: „Das sind dann zum Beispiel Leute, die sich in Projekte stürzen und auf halber Strecke merken, dass sie gar kein Geld und keine Zeit haben.“ Wackenhut behält diese Gedanken aber für sich – und deswegen spricht man hier auch nicht von Erlebnispädagogik, bei der die Reflexion des Erlebten explizit vom Kunden erwartet wird.

Wolfgang Baumgartner aus Ötlingen gründete 1996 als erster Anbieter im Raum Stuttgart „Horizonte – Erlebnispädagogik & Outdoortraining“. Zielgruppe sind hauptsächlich Schulklassen, kirchliche Organisationen und Behinderteneinrichtungen. Vor sieben Jahren gründete Baumgartner das Schwesterunternehmen „Outdoor Consults“ für gewerbliche Kunden. Der Ötlinger besitzt zwei Hochseilgärten, in Marbach und in Böblingen, nutzt aber auch die landschaftlichen Vorzüge der Teckregion. „Wir sind regelmäßig am Gelben Felsen, dem Hohenneuffen, der Zipfelbachschlucht in Hepsisau und an den Bürgerseen unterwegs“, erzählt der 55-Jährige. Was erlebt werden soll, bestimmt der Kunde. Klettern, Floßbau und individuelle Planspiele in der Natur sind nur ein kleiner Teil des Angebotes. Die Aufgabenstellungen unterscheiden sich auch deutlich von denen in Kletterwäldern: „Alles ist darauf ausgelegt, Probleme in der Gruppe zu lösen.“ Das scheinbar unlösbare Problem ist bei Wolfgang Baumgartner ein wichtiges Arbeitsmittel: „Da bleiben wahnsinnig starke Bilder im Kopf. An einem Tag kann man keinen Menschen verändern, aber man kann nachhaltige Impulse geben.“ Im Vorfeld werden schriftlich Ziele festgelegt. Anschließend wird von Trainern ein individuelles Trainingsprogramm zusammengestellt. Was die Erlebnispädagogik aber von anderen Angeboten abhebt, ist die Reflexion nach dem Erlebten. Die pädagogisch geschulten Trainer arbeiten mit Kleingruppen das Erlebte auf. Hier soll den Teilnehmern aufgezeigt werden, wie ihre Stärken und Schwächen Einfluss auf eine Gruppe haben.

Detlef Nescholta ist das Gesicht von „360 Grad Schrittweise“ in Bad Boll. Er bietet verschiedene Erlebnisaktivitäten im Outdoor- und Individualsportbereich an. Unter anderem veranstaltet er 24-Stunden-Touren über die Schwäbische Alb. Was sich zunächst harmlos anhört, hat es wirklich in sich. In 24 Stunden von Geislingen über die Teck nach Bad Urach – 72 Kilometer wandern ohne Schlaf. Eine physische und zugleich psychische Herausforderung, die viele Teilnehmer an ihre Grenze bringt. Nescholta präzisiert: „Wir bieten Grenzerfahrungen im geschützten Raum.“ Der Teilnehmer kann sich bewusst über seine ihm bisher bekannten körperlichen und mentalen Grenzen hinausbewegen. Von Erlebnispädagogik oder Extremsport will Nescholta aber nicht sprechen. „Für mich ist ein Sport extrem, wenn ihn nur noch ganz wenige betreiben.“ Im Gespräch über die 24-Stunden-Tour im Winter rutscht ihm dann doch das Wort „extrem“ heraus. „Die Kälte belastet physisch und die langen Dunkelphasen psychisch – wir sind meines Wissens auch die Einzigen die so etwas anbieten.“ Zu Nescholtas Kundenkreis gehören Hausfrauen ebenso wie Marathonläufer. „Die Leute melden sich an, um bewusst an ihre Grenzen zu gehen.“

Auch der 50-Jährige spricht gerne von unlösbar scheinenden Aufgaben und stellt fest: „Das Bewältigen solcher Probleme setzt positive Energie frei. Das ermutigt, auch in anderen Lebensbereichen Probleme anzupacken.“ Detlef Nescholta will bewusst mit Privatpersonen und Familien zusammenarbeiten, auch wenn er sieht, dass sich im gewerblichen Bereich eine Menge Geld mit solchen Angeboten verdienen ließe: „Die Leute sollen aus eigenem Antrieb zu uns kommen und der Sache offen gegenüberstehen.“ Freiwilligkeit, sagt er, sei die Basis allen Tuns.