Lokalsport
Relegationsfinale: Kampf auf dem Platz, Zittern am Smartphone

Fußball-Relegation Wohl und Wehe für Bezirksligist VfL Kirchheim könnte sich morgen nicht nur in Berghülen, ­sondern auch in Lahr oder Reinstetten entscheiden. Der Showdown verspricht Dramaturgie. Von Reimund Elbe

Frank Müller ist offenbar ein emphatischer Mensch. „Falls wir den Oberliga-Aufstieg schaffen würden, wäre dies auch für andere Teams in der Region ein Glücksgefühl“, sagt der Vorstandsvorsitzende des SC Lahr. Schaffen: Damit meint er, einen 0:3-Rückstand gegen Normannia Gmünd aus dem Hinspiel um den Oberliga-Aufstieg aufzuholen.

Müller („bei uns hätte unser Aufstieg in etlichen unteren Ligen Auswirkungen“) hat in seiner Sichtweise vornehmlich Teams aus dem südbadischen Raum im Sinn. Der SC-Chef verspricht deshalb auf die Hand, dass seine Mannschaft gegen die Normannia „alles geben wird“. Der Sportclub, vor acht Jahren entstanden aus der SpVgg Lahr und dem Lahrer FV, steht folglich im Fokus. 

Was die Lahrer für Südbaden, sind die Schwäbisch Gmünder für Württemberg – Hoffnungsbringer. Gelingt der Normannia im Lahrer Volksbank-Stadion tatsächlich das Oberliga-Comeback, würde sie eine gewaltige Kettenreaktion auslösen, bis tief hinein in die Kreisligaebene des Bezirks Ne­ckar/Fils. „Es ist erst einmal wichtig, dass wir im Hinspiel ein hohes Ergebnis erzielt und kein Gegentor kassiert haben. Denn in dieser Relegation zählt ja komischerweise die Auswärtstorregel“, sagt Normannia-Trainer Zlatko Blaskic.

Noch besser für die betroffenen Klubs aus der hiesigen Region: Sie haben mit dem TV Echterdingen noch ein weiteres Eisen im Feuer. Der TVE steht in Reinstetten im Relegationsfinale um den Verbandsligaaufstieg. „Wir schauen erst einmal schön nach uns und wollen mit einem Sieg eine klare Ansage machen“, gibt TVE-Cheftrainer Giu­seppe Iorfida selbstbewusst die Richtung vor. Sollte tatsächlich ein Sieg gegen den Verbandsliga-Releganten FV Biberach gelingen, wäre es „in Ordnung“, wenn davon zum Beispiel der VfL Kirchheim profitieren würde, so der TVE-Trainer augenzwinkernd.

„Natürlich werden wir ab und an mal auf das Smartphone schauen, um zu sehen, wie es in Lahr steht“, sagt derweil TVE-Fußballchef Philipp Wunsch. Hält die Normannia stand, steht der Aufstieg der Echterdinger und der Ligaverbleib der Biberacher fest. Auch die Echterdinger hängen somit sinngemäß am Tropf.

Der VfL stünde als Landesliga-Relegationsteilnehmer als nächster Profiteur in der Reihe. Nach überzeugenden Auftritten gegen den SC Stammheim (4:1) und SC Staig (2:0) kommt es am Sonntag zum Entscheid gegen den Landesliga-Tabellenzwölften FC Blaubeuren. Armin ­Ohran meldet einen vollständigen Kader: „Auch Pascal Schwickert ist wieder ins Training eingestiegen.“ Der VfL-Angreifer hatte vergangenen Sonntag eine Brustprellung erlitten, musste vorsorglich in ein Ulmer Krankenhaus gebracht werden. Ohran pflegt derweil die gleiche Denke wie seine Trainerkollegen Iorfida und Blaskic. „Wir wollen gewinnen, um unabhängig von den Ergebnissen auf anderen Plätzen zu sein.“ Das zweite Kirchheimer Relegations­finale binnen eines Jahres steigt ab 15 Uhr in Berghülen, Nachbarort des letztjährigen Finalortes Suppingen. „Wir wollen diesmal unseren Traum verwirklichen“, gibt sich Ohran kämpferisch. 

Doch die Geschichte ist noch nicht ganz zu Ende erzählt. Ein Kirchheimer Aufstieg wiederum würde das entscheidende Relegationsmatch zwischen der TSG Salach und dem TSV RSK Esslingen um den Aufstieg in die Bezirksliga Neckar/Fils beeinflussen: Beide Teams stünden als Aufsteiger fest. Dies wiederum würde die Duelle TV Hochdorf gegen SC Altbach am Donnerstag sowie SV Göppingen II gegen Albershausen im Kampf um Kreisliga-A-Plätze ebenso zu Matches mit vornehmlich statistischem Wert werden lassen würde. Alle vier Teams hätten das A-Liga-Ticket bei einem VfL-Aufstieg sicher.

VfL-Historie: Von der Regionalliga in die Kreisliga

1997 Nach fünf Jahren in der Oberliga schafft der VfL den Aufstieg in die damals drittklassige Regionalliga.
1998 Das Abenteuer Regionalliga ist nach nur einer Spielzeit beendet: Der VfL um Trainer Andreas Kleinhansl steigt mit nur drei Saisonsiegen als Tabellenletzter ab.
2001 In der Oberliga kann sich der VfL nur drei Jahre halten und muss unter dem 2018 verstorbenen Andreas Hägele in die Verbandsliga.
2003 Der VfL gewinnt zum zweiten Mal nach 1961 den WFV-Pokal. Durch das 2:1 über die Stuttgarter Kickers qualifiziert sich die Mannschaft von Norbert Stippel für den DFB-Pokal, wo die Mannschaft in der ersten Runde erwartungsgemäß mit 0:3 an Bundesligist Hannover 96 scheitert.
2005 Auf den letzten Drücker vermeiden die Kirchheimer unter Trainer Michael Rentschler den Absturz in die Landesliga: Im entscheidenden Relegationsspiel ums letzte Verbandsligaticket gewinnt der VfL 4:0 gegen den FSV Bissingen.
2007 Das baden-württembergische Oberhaus hat die „Blauen“ wieder. Michael Rentschler und sein gleichberechtigter Trainer Christian Hofberger führen den VfL als Verbandsligameister in die Oberliga.
2009 An der Jesinger Allee reifen große Träume: Zur Winterpause der Saison 2009/10 steht der VfL unter Trainer Rolf Baumann auf dem zweiten Tabellenplatz hinter der TSG Hoffenheim II. Die Verantwortlichen beginnen laut über die Regionalliga nachzudenken. Am Ende der Saison wird der VfL allerdings nur Sechster.
2011 Noch vor Beginn der Saison zieht der VfL die Mannschaft vom Oberligaspielbetrieb zurück – Hintergrund des in Württemberg beispiellosen Schritts, durch den der VfL als erster Absteiger feststeht, ist eine Deckungslücke im Etat in Höhe von rund 100 000 Euro. Das Team um Trainer Rainer Kraft zerstreut sich in alle Winde.
2012 Nach einem Jahr Zwangspause geht der VfL mit einer von Stefan Haußmann zusammengestellten Truppe in der Verbandsliga an den Start. Als Tabellenvierzehnter müssen die Kirchheimer, die in der laufenden Runde drei Trainer verschleißen, jedoch am Saisonende absteigen.
2014 Auch in der Landesliga kommt der VfL nicht in ruhige Fahrwasser, im Gegenteil. Nach Querelen auf Funktionärsebene und etlichen Trainerwechseln geht es für den Tabellenfünfzehnten direkt in die Bezirksliga.
2015 Der Tiefpunkt ist erreicht: Nach einer 1:3-Niederlage im Relegationsspiel in Weilheim gegen den VfB Oberesslingen/Zell muss der VfL zum ersten Mal seit Wiederaufnahme des Spielbetriebs nach dem Zweiten Weltkrieg in die Kreisliga A absteigen.
2016 Die Talsohle ist durchschritten, den Teckstädtern gelingt unter Spielertrainer Markus Schweizer die sofortige Rückkehr in die Bezirksliga, der sie seitdem angehören.
2022 Die Rückkehr in die Landesliga muss warten: Nach Siegen in den ersten beiden Relegationsrunden scheitert der VfL als Bezirksligavizemeister im entscheidenden Duell an Landesligavertreter SSG Ulm mit 0:8. Peter Eidemüller