Kienbaum. Über Weinheim und Kienbaum direkt zur Sensations-Medaille nach London? Sollten die deutschen 4 x 100-Meter-Sprinter am kommenden Freitag den Vorlauf überstehen und im Finale einen Tag später tatsächlich ihre deutsche Rekordzeit von 38,02 Sekunden bestätigen, winkt dem Quartett um Kirchheims Tobias Unger im optimalen Fall der ganz große Coup. „Wenn bei uns alles passt und die eine oder andere Staffel patzen sollte, ist vielleicht eine Medaille drin“, sagt der 33-Jährige, „realistisch ist auf jeden Fall Platz fünf.“
Die breite Brust kommt nicht von ungefähr, schließlich sind Unger und seine Staffelkollegen Julian Reus, Alexander Kosenkow und Lukas Jakubczyk mit der Weinheim-Zeit aktuell auf Platz drei der Weltrangliste hinter den USA und Jamaika. Zudem hätten die 38,02 Sekunden vor vier Jahren in Peking gereicht, um Silber zu gewinnen. „Das kann man aber schwer vergleichen“, meint Tobias Unger, „in Peking war‘s richtig warm. Davon ist in London nicht unbedingt auszugehen. Die Zeit von Weinheim da zu wiederholen, wird schwer“, sagt er, der auf dem Favoritenzettel noch die Staffeln aus Großbritannien, Frankreich und dem Inselstaat St. Kitts and Nevis stehen hat.
Nichtsdestotrotz hätte die akribische Auswertung der Daten aus Weinheim laut Unger ergeben, dass das DLV-Quartett noch Luft nach oben hat – vorausgesetzt, man setzt bei den einzelnen Stabwechseln auf noch mehr Risiko, indem beispielsweise früher angelaufen wird. Ob diese Taktik im Vorlauf am Freitag (20.45 Uhr deutscher Zeit) und im möglichen Finale am Samstag (22 Uhr) zur Anwendung kommt, liegt an Bundestrainer Ronald Stein, der seit dem Wettkampf in Weinheim mit der Mannschaft im Trainingslager im brandenburgischen Kienbaum an der Olympiaform feilte.
Von dort aus macht sich der DLV-Tross am heutigen Montag mit dem Flieger via Berlin auf den Weg ins olympische Dorf nach London. War er die vergangenen Tage noch relativ entspannt, rechnet Tobias Unger spätestens beim Beziehen des Mannschaftsquartiers mit einsetzender Nervosität. „Das ist anders als in Athen oder Peking, weil die Erwartungen jetzt ja schon irgendwie höher sind“, sagt er.
Das passende Rezept gegen die Aufregung haben Unger, der sich mit Schlussläufer Lukas Jakubczyk ein Zimmer teilen wird, und seine Staffelkollegen auf jeden Fall schon parat. „Wir gehen einfach zur Rhythmischen Sportgymnastik die hübschen Mädels anschauen“, witzelt er.