Lokalsport
Steimle setzt das Glanzlicht

Radsport Der Lokalmatador gewinnt trotz Sturz die Neuauflage des Kirchheimer Rennens um den Kreisbau-Cup. Zuschauermassen verwandeln die Innenstadt in eine pulsierende Sportarena. Von Bernd Köble

Zum Erfolgssymbol einer ganzen Veranstaltung wurde ein Mann, der am Ende nicht einmal auf dem Podium stand: Richard Habermann vom Sparta-Team aus Prag flogen die Herzen des Kirchheimer Publikums zu. Jedesmal wenn der 23-jährige Tscheche mit wirbelnden Fäusten den Zielbogen am Marktplatz passierte, war er begleitet von Anfeuerungsrufen und tosendem Applaus. Als einsamer Verfolger hinter der Spitze blieb er am Ende zwar unbelohnt, durfte sich jedoch über eine Sonderprämie als aktivster Fahrer freuen.

Herrscher bei der 1. Kirchheimer Radsportnacht war einer, von dem man es erwartet hatte: Jannik Steimle im Trikot von Quick-Step Alpha Vinyl kontrollierte das Feld von Beginn an und setzte sich zur Mitte des Rennens mit seinen beiden Worldtour-Kollegen Marius Mayrhofer (DSM) und Kim Heiduk (Ineos) vom Rest des Feldes ab. Die drei Profis an der Spitze teilten sich die Führungsarbeit bei einem Vorsprung von mehr als eineinhalb Minuten, ehe Steimle drei Runden vor Schluss förmlich explodierte: Mit einem gewaltigen Antritt vor der Zuschauertribüne im Zielbereich riss der Weilheimer eine Lücke von hundert Metern. Eine Attacke, der weder Mayrhofer noch Heiduk mehr folgen konnten. Für einen weiteren Erfolg aus lokaler Sicht sorgte der Weilheimer Laurens Huizinga als früherer Trainingspartner Steimles: Der „Arnold Schwarzenegger des Amateur-Radsports“ (Streckensprecher Freddy Eberle) wurde starker Achter.

Die Rückkehr des Rennens nach achtjähriger Pause war das, was es hätte werden sollen: ein gelungenes Spektakel vor prächtiger Kulisse in der dicht bevölkerten und Fachwerk-umrahmten Altstadt. Der Himmel über Kirchheim strahlte am Samstag so königsblau wie das Jersey des späteren Siegers. Auch wenn dieses schon nach drei Runden Risse bekommen hatte. Jannik Steimle sorgte nicht nur für die Highlights auf der Strecke, sondern auch für eine Schrecksekunde gleich zu Beginn: In der Spitzkehre am nördlichen Alleenring rutschte dem Favoriten das Vorderrad weg. Der Sturz verlief bis auf eine Schürfwunde glimpflich. Steimle war im Handumdrehen zurück im vorderen Drittel des Feldes.

60 Runden mit jeweils 1,28 Kilometern oder eine Renndistanz von 78 Kilometern waren auf dem Innenstadkurs über den Alleenring und durch die gepflasterte und leicht ansteigende Fußgängerzone in der Marktstraße zu bewältigen. Das Profi-Trio an der Spitze benötige für die Schleife weniger als zwei Minuten, was einem Tempomittel von mehr als 40 Stundenkilometern entspricht. Der Sieger, der im Frühjahr bei Paris-Roubaix und der Flandern-Rundfahrt die höchsten Radsport-Weihen empfangen hat, war vom hohen Tempo im Feld ebenso beeindruckt, wie von der Kulisse: „Die Fußgängerzone hoch hatte ich jedesmal eine Gänsehaut,“ gestand Steimle, der im Ziel auch musikalisch empfangen wurde. Die Grupppe „musiciclisti“, die schon bei der Rad-WM 2007 in Stuttgart für den passenden Ton sorgte, verbindet die gemeinsame Begeisterung fürs Radfahren mit dem Musikerberuf.

„Eine schönere Kulisse für den Amateur-Radsport gibt es nicht,“ sagt Steimle, dessen ganze Familie den Tag über mit angepackt hatte. Ein Urteil, das auch Freddy Eberle unterschrieb. Der 64-jährige Streckensprecher kennt fast alle Amateurveranstaltungen der Republik. „Kirchheim ist eine absolute Bereicherung,“ sagt er. „Wir sind alle happy, dass das Rennen zurück ist.“ Auch Günter Riemer, der als im Radsport verankerter Bürgermeister das Comeback mit auf den Weg gebracht hatte, war zufrieden: „Was wir heute hier erlebt haben, war ein tolles Veranstalterteam und beste Werbung für den Sport und für die Stadt.“

Schon beim Start des Eliminator-Sprints um 17 Uhr, den der Österreicher Elias Tranninger – eigentlich ein Mountainbiker – für sich entschied, standen die Zuschauer dicht gedrängt an der Strecke. Steimle, der schon am Mittag mit Kirchheims OB Pascal Bader und Bürgermeister Günter Riemer eine Sternfahrt des Hauptsponsors Kreisbau mit 60 Teilnehmern von Bad Cannstatt über Stationen in Esslingen und Plochingen nach Kirchheim begleitet hatte, verzichtete auf einen Sprint-Start.

Beim Veranstalter-Ehepaar Jürgen und Verena Wastl löste sich mit zunehmender Renndauer sichtlich die Anspannung: „Das ist heute der Lohn für unsere Arbeit.“ Dem vielköpfigen Helferteam waren nachdem die Markthändler das Feld geräumt hatten nur wenige Stunden für den Aufbau geblieben. Zu später Stunde glich die Runde auf dem Marktplatz einem einzigen Familientreffen. Mittendrin: Jannik Steimle, der mit zerfetzter Radhose gegen 23 Uhr noch immer willig Fragen beantwortete und Autogrammwünsche erfüllte. Bereits anderntags ging es für ihn ins zweiwöchige Höhentrainingslager nach Livigno bevor am 23. Juli die Tour de Wallonie auf dem Programm steht.

Nicht nur fürs Veranstalterteam von „Passione Bici“ war das Wochenende ein Erfolg – auch für Quick-Step. Nach den beiden Etappensiegen von Yves Lampaert und Fabio Jakobsen zum Tour-Auftakt war Kirchheim – wenn man so will – der dritte Sieg innerhalb von zwei Tagen fürs belgische Team.
 

Kuriositäten-Kabinett sammelt Geld für guten Zweck

Das Benefizrennen, eingebettet zwischen Sprint- und Hauptrennen zugunsten des Aktionsbündnisses „Starkes Kirchheim“ war optisch mehr als nur ein Lückenfüller für einen guten Zweck. Das gesammelte Geld kommt sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen in Kirchheim zugute.
Beim Rennen über 45 Minuten, bei dem jeder Teilnehmer mit Sponsor pro Runde einen vorher vereinbarten Festbetrag einfahren konnte, waren originellen Einfällen keine Grenzen gesetzt.
Bürgermeister Günter Riemer startete mit Familien-Tandem ins Rennen. Kirchheims Fleischermeister Gerhard Hepperle wurde auf dem Hochrad energisch verfolgt vom ehemaligen Olympia- und Weltcup-Mountainbiker Lado Fumic, der sich ein Klapprad mit knallorangener Bereifung untergeschnallt hatte.
Lado Fumic war 2006 übrigens selbst Veranstalter des Kirchheimer Rennens, das damals noch GP Kirchheim hieß. Der heute 46-Jährige wurde damals Zweiter hinter Gerolsteiner-Profi Stefan Schumacher aus Nürtingen.  bk