Kirchheimer Radsportnacht
Steimles Energiespender heißt Marlon

Der Weilheimer geht am Samstag als frisch gebackener Papa ins Rennen bei der 4. Kirchheimer Radsportnacht. Die Konkurrenz, die er um sich schart, ist in vier Jahrzehnten Renngeschichte bisher einmalig.

Gefragtes Motiv: Jannik Steimle bei seinem vorerst letzten Start in Kirchheim 2023: Dahinter sein damaliger Quick-Step-Teamkollege Mauro Schmid aus der Schweiz, der beim Sieg des Weilheimers Dritter wurde. Foto: Carsten Riedl

Etliche Rennkilometer mehr in den Beinen oder Familienglück als Booster? Giacomo Nizzolo, Jonas Koch und Alexander Krieger – oder doch Jannik Steimle? Wer steigt beim Kirchheimer Radrennen aufs oberste Treppchen? Bei den einen läuft nach Giro, Tour de Suisse oder Dauphiné der Motor auf Touren, der andere hat länger pausiert und ist seit Mittwoch vergangener Woche stolzer Vater. Steimles neunter Platz im Einzelzeitfahren am vergangenen Freitag bei den Deutschen Meisterschaften zeigt: Mit dem Weilheimer ist trotz Zwangspause immer zu rechnen. Eine „Squadra Azzurra“ mit Namen wie Nizzolo, Tizza oder dem italienischen Meister Filippo Conca gab es in der Region noch nirgendwo zu bestaunen. Das zeigt: Steimle zieht. Die Überredungskünste des Wahl-Schorndorfers vom Team Q36.5 bescheren dem Kirchheimer Publikum in diesem Jahr Weltklassesport bei freiem Entritt. Klar ist: Den Sieg bei der 4. Kirchheimer Radsportnacht ab 19 Uhr an diesem Samstag werden die Profis mit hoher Wahrscheinlichkeit unter sich ausmachen.

Dahinter allerdings lauert eine Armada von hungrigen Amateuren, von denen einige in der Form ihres Lebens sind. Für sie gilt die Devise: Sich möglichst teuer verkaufen – Überraschungen nicht ausgeschlossen. Streckensprecher Freddy Eberle, der die Szene wie kein anderer kennt, weiß, wie es um die Motivation der zweiten Garde bestellt ist: „Die Gelegenheit, gegen solche Kaliber zu fahren, ist für alle eine Riesen-Herausforderung und Chance, sich zu zeigen“, sagt er. Das Starterfeld ist mit zuletzt 45 Meldungen erneut klein gehalten. Das erhöht nicht nur die Sicherheit im Rennen über 65 Runden oder 78 Kilometer über östlichen Alleenring und Marktstraße, bei dem wie in den Vorjahren eine große Leistungsspanne zu erwarten sein wird.

Auch ohne die ganz großen Namen böte Kirchheim an diesem Wochenende Gold-Standard: Mit Eiko Berlitz von der Equipe Stuttgart-Vaihingen steht der Gesamtsieger der Stuttgarter Race-Days am Start. Das ist gerade mal zwei Wochen her und zeigt: Der 27-jährige Hesse, der rund um die Landeshauptstadt drei von vier Etappen gewann, steht mit bereits acht Siegen in dieser Saison im Leistungszenit. Als endschneller Mann über eine vergleichsweise kurze Distanz wie in Kirchheim ist der ehemalige Triathlet aus Bad Wildungen – derzeit Elfter der deutschen Rangliste – eine durchaus ernstzunehmende Größe.

Linsen mit Spätzle statt Spaghetti Bolognese.

Jannik Steimle über das kulinarische Programm seines italienischen Teamkollegen Giacomo Nizzolo an diesem Wochenende.

 

Mit seinem Teamkollegen Benedikt Willi hat Berlitz ganz nebenbei den Vorjahressieger im Schlepptau. Den Stuttgarter als die große Überraschung im vergangenen Jahr zu bezeichnen, hieße, ihm unrecht tun. Topfavorit im letztjährigen Rennen ohne Profibeteiligung war trotzdem ein Anderer – und auch der ist an diesem Samstag wieder dabei: Dario Rapps, amtierender deutscher Kriteriumsmeister, ist auf kniffligen Kursen wie in Kirchheim in seinem Element. Der 30-jährige Allgäuer vom RSC Kempten bot vergangenen Juli auf regennasser Piste Willi bis zur Schlussrunde einen packenden Kampf und wurde am Ende Zweiter. Rad-Kriterien ohne den RSC Kempten, das ist wie Bundesliga-Fußball ohne den FC Bayern.

Lange Zeit beim RSC und am Samstag für den RSV Irschenberg am Start ist Moritz Augenstein, der einen besonderen Blick wert ist. Der mehrfache deutsche Meister auf der Bahn kämpft nach langer Zwangspause um sein Comeback. Der 28-jährige gebürtige Pforzheimer gehörte zu jener Gruppe der deutschen Bahn-Nationalmannschaft, die im Januar auf Mallorca in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt war. Das Unglück sorgte für Schlagzeilen, nachdem ein 89-jähriger Autofahrer in die Trainingsgruppe gefahren war. Augenstein erlitt dabei eine Schulterverletzung und musste operiert werden. Glück im Unglück und dennoch bitter, denn erst wenige Monate zuvor hatte er mit Brüchen in Schulter und Schlüsselbein im Krankenhaus gelegen. Bei den deutschen Kriteriumsmeisterschaften in Kempten war eine Zuschauerin vor ihm auf die Strecke gelaufen, und Augenstein konnten nicht mehr rechtzeitig ausweichen.

Kirchheim wäre nicht Kirchheim ohne Lokalkolorit auf der Rennstrecke: Für das sorgen der Neidlinger Marc Hepperle vom Veranstalter-Rennstall Passione Bici, Leo Ebner aus Zell unter Aichelberg oder der Weilheimer Nicolas Kautter, der als 15. des Vorjahres den Titel als kämpferischster Fahrer verdient gehabt hätte.

Jannik Steimle ist zufrieden. Der Wahl-Schorndorfer freut sich vor allem aufs Wiedersehen mit seinem Teamkollegen Giacomo Nizzolo, der erst am Samstag anreisen und in Kirchheim übernachten wird – Kulinarik-Crashkurs inklusive: „Linsen mit Spätzle statt Spaghetti Bolognese“, sagt Steimle über den Speiseplan an diesem Wochenende. Und wie fühlt er sich selbst? Seit gut einer Woche zählt der Haushalt in Schorndorf drei Köpfe. Neuankömmling Marlon ist zurzeit Papas wichtigste Energiequelle. „Klar fehlen mir momentan ein paar Rennkilometer“, sagt Jannik Steimle. „Aber ich bin völlig entspannt.“

Werbung für den Sport

Es ist ein Spagat, den er und die beiden Rennchefs Jürgen und Verena Wastl auf heimischem Terrain wagen. Ein Programm wie am Samstag wird es so schnell wohl nicht mehr geben. „Wenn wir den Leuten hier gute Unterhaltung bieten“, sagt Steimle, „dann findet sich im neuen Jahr vielleicht der eine oder andere neue Geldgeber. Manch ein Profi kommt seinem Kollegen zuliebe, andere, weil sie Konzept und Atmosphäre in Kirchheim unterstützenswert finden. Und wenn die Amateur-Elite sich im Schatten von Worldtour-Fahrern brav in die zweite Reihe stellt, dann nur, weil sie wissen: Eine Bühne wie hier ist Werbung für ihre Sache. Und die braucht der Radsport dringender denn je.

 

Das Programm der 4. Kirchheimer Radsportnacht

Samstag, 5. Juli
16.15 Uhr: Offizielle Eröffnung auf dem Marktplatz
16.30 Uhr: Laufradrennen für die Kleinsten vom Wachthaus bis zum Marktbrunnen
16.45 Uhr: Benefizradeln zugunsten des Bündnisses „Starkes Kirchheim“ für sozial benachteiligte Kinder
18 Uhr: Siegerehrung Stadtradeln
18.30 Uhr: Teampräsentation und Vorstellung der Rennfahrer auf dem Marktplatz
19 Uhr: Profi-Kriterium powered by Kreisbau (65 Runden/78 Kilometer)
21 Uhr: erwartete Zieldurchfahrt des Siegers
(im Anschluss Interviews, Siegerehrung und Bewirtung auf dem Marktplatz bis 23 Uhr)

 

Benefizraden: Alleenring wird zur Spenenmeile

Da, wo am Abend die Profis und ambitionierten Amateure in atemberaubender Geschwindigkeit bei der vierten Kirchheimer Radsportnacht Kilometer runterreißen, dürfen im Vorfeld alle, die für den guten Zweck in die Pedale strampeln wollen, ebenfalls ihre Runden drehen. Mit einem oder mehreren Sponsoren kann so jeder für benachteiligte Kirchheimer Kinder Geld zusammentragen, das das Aktionsbündnis zu 100 Prozent dort einsetzt, wo es am dringendsten benötigt wird.
Ganz egal, ob Groß oder Klein mit Rennrad, Mountainbike, Cityrad, Tandem oder Hochrad unterwegs sind – jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer ist willkommen. Einzige Voraussetzung: das Tragen eines Helmes. Außerdem wichtig: Das Benefizradeln ist kein Rennen. Auch wenn möglichst viele Runden zurückgelegt werden dürfen, steht die Sicherheit aller Teilnehmer im Vordergrund.
Wer sich im Vorfeld über die Arbeit des Aktionsbündnisses informieren möchte, kann dies am Stand der Mitglieder tun. Dieser ist, nicht wie angekündigt unter den Rathausarkaden, sondern auf dem Marktplatz vor dem Waldhorn. Dort findet auch die Ausgabe der Startnummern statt. sl
Alle Infos stehen auf starkes-kirchheim.de