Dieser Dienstag ist keiner wie jeder andere unterm Breitenstein. Ein Dienstag während der Bissinger Sportabzeichenwoche im Juli ist nämlich Kult. Diesmal zeigt das Thermometer 27 Grad, der Himmel ist blau, die Luft ein wenig schwül , der Andrang mal wieder bemerkenswert. „Perfektes Wetter, viel los“, jubiliert eine gut gelaunte Anette Weil beim Blick auf das idyllisch gelegene Sportgelände. Rund 70 Freizeitsportlerinnen und - sportler arbeiten an diesem Abend ihr schweißtreibendes Programm ab. „So viele waren‘s dienstags bis jetzt noch nie“, freut sich die 45-Jährige Organisationsleiterin vom TV Bissingen, „vielleicht sogar ein neuer Teilnehmerrekord.“
Der steht seit zehn Jahren bei 174 Sportabzeichen-Absolventen. 2017 sorgte der Turnverein aus der 3500-Einwohner zählenden Seegemeinde für den Clou: Zwar gab es keine neue interne Bestmarke, mit 164 Absolventen übernahm der TV Bissingen allerdings Platz eins im Sportkreis, vor Dutzenden weiteren Klubs. Eine kleine Sensation. „Es liegt an der besonderen Atmosphäre hier am Albrand“, ist sich Karl Bopp sicher. Der Filderstädter ist jedes Jahr da, absolviert mit dem Fellbacher Manfred Biehal und dem Bissinger Gemeinderatsmitglied Rolf Rüdiger Most die sportlichen Prüfungen. „Wir freuen uns jedes Jahr darauf, uns hier zu sehen“, sagt Most. Vergangenes Jahr ist das Trio bei strömendem Regen zur Schwimmprüfung in den Bissinger See gehüpft, den man hier „Sai“ nennt. Seit einigen Jahren wird hier dienstags auch der Grill angeworfen und es gibt zu trinken. „Ein zusätzlicher Anreiz“, glaubt Anette Weil.
Ohnehin: Die Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert.Deshalb mischt auch Andreas Gall hier mit. „Die Sportabzeichenabnahme spricht sich in und um Bissingen natürlich herum“, sagt der einstige Kicker des SV Nabern. Trotz enttäuschender Bestweite von 4,40 Meter im Weitsprung („wird wohl ein Streichergebnis“), strahlt der Mann im grünen Trikot Zuversicht aus. Fast zehn Meter im Kugelstoßen - das ist doch was. „Das müsste zu Gold reichen“, rechnet er hoch. Doch erst der abschließende 3000-Meter-Lauf muss Klarheit bringen.
Während sich Andreas Gall alsbald aufs Seilspringen konzentriert, haben sich die Lenninger Handballerinnen auf dem Rasen niedergelassen. Die ganze Mannschaft ist hier. „Wir machen heute das Sportabzeichen statt einer Trainingseinheit“, klärt Trainerin Nicole Schmid auf. Das Bezirksliga-Team steckt mitten in der Vorbereitung auf die neue Saison und die Trainerin weiß: „Für Handballer ist das Sportabzeichen gar nicht so einfach wie man vermutet. In unserer Sportart sind eher kurze Antritte gefragt.“
Derweil bereitet sich einen Steinwurf weiter am Seeufer Erika Schaufler aufs Schwimmen vor. Ihre Bilanz ist beeindruckend: Zum 38. Mal ist sie heute dabei. „Unser See ist einfach etwas Besonderes“, schwärmt die 74-Jährige von der Schwimmgelegenheit mitten im Ort, ehe sie eintauscht und in der Abendsonne ruhig ihre Bahn zieht. Josef Ballweg schaut ihr aufmerksam zu. Dass die Schwimmprüfung seit 2011 im Bissinger See stattfinden kann, ist auch ihm zu verdanken. Ballweg hat die Bojen besorgt und versenkt und die Streckenlänge per Laser vermessen. „Im Mai kommen die Bojen rein, im Herbst wieder raus“, sagt er.
Hermann Grünberg kennt derweil ein weiteres Geheimnis für die Bissinger Erfolgsgeschichte: „Das Team hier mit Anette Weil an der Spitze macht die Sache einfach gut“, lobt der 78-Jährige. An diesem Abend wird er zum 40. Mal hintereinander das Goldene Sportabzeichen ablegen. Und auch Andreas Gall sowie die Lenninger Handballfrauen haben es geschafft: Nach 3 000 Metern laufen sie locker über die Ziellinie. Von Erschöpfung keine Spur. Und der Grill ist schon heiß.