Lenningen. Für Gabi Kazmaier beginnt im Januar so etwas wie eine neue Zeitrechnung. Erstmals seit über fünf Jahren wird die 36-Jährige am selben Hang einen Skikurs abhalten wie ihre Skilehrerkollegen vom SLA. Während die ihre Eleven bislang immer am Salzwinkel das Wedeln beibrachten, bot Kazmaier ihren Kurs für Behinderte an der Pfulb an.
Das war nicht immer so. Kazmaier war mit ihrem Angebot für Behinderte ursprünglich ebenfalls am Salzwinkel – bis zu jenem Tag im Januar 2006, als es einen Zwischenfall beim Liften gab. Der behindertengerechte Bi-Ski, ein auf zwei Skier montierter Spezialski, ließ sich am Ende der Liftspur nicht ausklinken. Kazmaier, die mit dem Bi-Ski über einen Karabinerhaken verbunden ist, fuhr mit ihrem Schützling ein paar Meter weiter Richtung Absperrung, ehe der Liftbetreiber den Lift per Nothalteknopf stoppte. Daraufhin machte er Kazmaier deutlich, dass sie ihren Kurs nicht mehr abhalten dürfe. „Aus reinen Sicherheitsüberlegungen“, wie Wolfgang Neidlinger von der Skiliftgesellschaft Salzwinkel betont. Weniger Bedenken hatte man damals an der Pfulb, die Gabi Kazmaier mit ihrem speziellen Angebot bereitwillig aufnahmen, während die restlichen SLA-Kurse weiterhin am Salzwinkel stattfanden. „Da konnte ich mit leben“, so Kazmaier im Rückblick. „Ich war froh, den Kurs überhaupt anbieten zu können.“
Im Herbst dieses Jahres starteten die SLA-Verantwortlichen vor dem Hintergrund, künftig sämtliche Kurse wieder an ein und demselben Hang abhalten zu wollen, eine Anfrage am Salzwinkel. Dort erklärte man sich grundsätzlich bereit, den Kurs für Behinderte wieder aufnehmen zu wollen – jedoch nicht samstagvormittags und sonntags, wenn Hochbetrieb herrsche. „Da laufen bei uns alle drei Lifte, dann geht das einfach nicht. Das hält den Betrieb zu sehr auf“, sagt Michael Hoffmann, als Schwiegersohn von Wolfgang Neidlinger mitverantwortlich am Salzwinkel. Beide fürchten die rechtliche Grauzone, in der sich liftende Behinderte ihrer Meinung nach befinden. „Laut Vorschrift ist der Lifttransport von Schlitten verboten“, sagt Neidlinger, „wenn da jemand rausfällt, kann ja Gott weiß was passieren und wir sind schuld.“
Gabi Kazmaier, die für ihren Kurs bereits Preise eingeheimst und Stiftungsgelder erhalten hat, kann die Aufregung nicht nachvollziehen. „Beim Liften kann normalerweise nichts passieren. Das eine Mal war eine absolute Ausnahme. Außerdem ist der Bi-Ski kein Schlitten, sondern als Skigerät anerkannt.“
Der Vorsitzende des SLA, Rolf Schildhabl, hält die Argumente der Liftbetreiber gar für vorgeschoben. „Dass es an Problemen mit dem Liftbügel scheitert, ist doch lächerlich. Snowboarder halten den Betrieb doch auch nicht mehr oder weniger auf.“ Um diesen Standpunkt zu untermauern, wollte der SLA mit einem prominenten Fürsprecher die Missverständnisse ausräumen und am Salzwinkel für Verständnis werben: Matthias Berg, stellvertretender Landrat in Esslingen und als contergangeschädigter Sportler mehrfacher Weltmeister im Alpinbereich, stand bereits für ein klärendes Gespräch parat – stattgefunden hat es jedoch nie. „Der Verein hat sich bei uns nicht mehr gemeldet“, versichert Michael Hoffmann, der dem SLA indirekt mangelnde Flexibilität vorwirft. „Warum können die den Kurs nicht samstags abhalten“, fragt er, „damit hätten wir kein Problem gehabt.“
Dafür sei es aus Sicht des SLA nach den ganzen Querelen schlichtweg zu spät gewesen, zumal sich die Betreiber des Skizentrums Pfulb mittlerweile ohne langes Zögern bereit erklärt hatten, den nun komplett wechselwilligen Verein an ihrem Hang begrüßen zu können. „Wir freuen uns, dass unsere Kurse wieder einheitlich an einem Hang stattfinden“, sagt Rolf Schildhabl.
Gabi Kazmaier freut‘s gleich aus zwei Gründen: Der Verein hat ihr und ihrer ehrenamtlichen Arbeit mit dem Abschied vom Salzwinkel deutlich den Rücken gestärkt. Und sie muss ihrer eigenen sehbehinderten Tochter nicht erklären, warum ihre Freundinnen an einem anderen Hang Skifahren lernen, als sie.