Randnotiz
Tausche Immel gegen Zenga: Erinnerungen an die Euro 88

Beim letzten kontinentalen Kräftemessen in Deutschland vor 36 Jahren stand das Panini-Sammelalbum hoch im Kurs. 

Wie groß die Kluft zwischen gefühltem und tatsächlichem Alter ist, wurde mal wieder schmerzhaft bewusst, als vor der am Freitag beginnenden EM ein Schatz der eigenen Kindheit aus der Schublade purzelte: das Panini-Sammelalbum zum letzten kontinentalen Fußballkräftemessen in Deutschland anno 1988. Als wäre es gestern gewesen, sehe ich mich mit meinen damals fast zehn Jahren im Kreise damaliger Freunde um die begehrten Klebebildchen feilschen: „Hast du den van Basten doppelt?“, „Kennt jemand einen, der den Lineker hat?“, „Tauschst du den Immel gegen den Zenga?“

Nur drei von unzähligen Fragen, die uns vor 36 Jahren die (Fußball-) Welt bedeuteten. Die fiebrige Vorfreude, mit der man die dezent Industriekleber ausdünstenden 50-Pfennig-Päckchen aufriss und mit gierigen Fingern nach den noch fehlenden Exemplaren fischte. Gefolgt entweder von der puren Glückseligkeit, wenn einem dabei Raritäten wie die golden eingefassten Karten mit dem EM-Maskottchen „Berni“ oder dem Verbandswappen eines Teilnehmerteams in die Hände fielen – oder der bodenlosen Enttäuschung beim Anblick des gefühlt siebten Konterfeis heute längst vergessener Kicker wie Matthias Herget, Uwe Rahn oder Wolfram Wuttke, die einem zum Tauschen auf dem Bolzplatz ebenso wenig taugten wie Teamchef Franz Beckenbauer als Einwechselspieler.

Dass das Album damals trotzdem komplettiert wurde, lag übrigens nicht an der Ausdauer beim Einkauf oder der Hartnäckigkeit bei den täglichen Tauschverhandlungen. Nachdem abzusehen war, dass sich das 32 Seiten starke Heftchen nicht durch den regelmäßigen Gang zum Kiosk füllen wurde, musste das Taschengeld eben cleverer investiert werden: Damals konnte man die fehlenden Bildchen bequem per Post beim Panini-Verlag bestellen. So verhalf der Briefträger zu Schätzen wie Emilio Butragueño, Renat Dasaev oder Michael Laudrup – nicht nur diese drei Herren sind im Vergleich zu meiner Wenigkeit seit damals wirklich alt geworden. Auch der Modus der Euro 88 erscheint aus heutiger Sicht museumsreif: Acht Teilnehmer, zwei Gruppen, Halbfinale, Endspiel – an das Aus der DFB-Elf in der Vorschlussrunde gegen den späteren Europameister aus Holland hat sich eine Erinnerung bis heute eingebrannt: Mit dem geliebten Album auf dem Schoß vor dem Fernseher sitzend, ahnte ich bereits beim Pass von Jan Wouters in der 88. Minute vors deutsche Tor, dass Marco van Basten Jürgen Kohler abkochen und Eike Immel bezwingen würde. Übel genommen hab ich es dem niederländischen Ausnahmekicker nicht – sein Sammelbildchen wurde nicht aus dem Album gerissen.