Verrückter hätte der Bezirksliga-Spieltag kaum beginnen können. Was sich am Freitagabend in Ebersbach und Jesingen zutrug, sorgte je nach Team für konsternierte, ungläubige, glückliche oder entspannte Mienen. Für den absoluten Knaller war ausgerechnet der extrem gebeutelte Abstiegskandidat TSV Weilheim zuständig.
Das 3:2 beim SV Ebersbach läuft unter der Kategorie Sensation. Die Mannschaft von Salvatore De Rosa hatte den Aufstiegsanwärter schon bis zur 85. Minute auf Trab gehalten, Jannik Hoyler trotz drückender Gastgeber-Überlegenheit fürs 1:0 und 2:2 gesorgt. Die Krönung des Weilheimer Auftritts dann just in der 85. Minute mit dem Siegtor durch Marco Libhafsky. „Wahnsinn. Es zeigt was in dieser Liga alles möglich ist, auch wenn es ein sehr schmeichelhafter Sieg für uns war“, lautete die Spontanreaktion des kickenden Co-Trainers Max Pradler nach dem Schlusspfiff.
Das große Glück dabei: Die Ebersbacher gingen fahrlässig mit einer zweistelligen Anzahl von Topchancen um – auch, weil Weilheims Keeper Yannik März unter anderem vier „Hundertprozentige“ per Glanzparade entwertete. Großer Wermutstropfen: Tayip Abanoz musste kurz vor Schluss mit Verdacht auf eine schwere Knieverletzung raus.
Dass der TSV Harthausen zeitgleich in Jesingen per 4:3 drei Punkte holte, sorgt nicht nur in den Lehenäckern für Unruhe. Der Neuling aus Filderstadt, er belegt den ersten Direktabstiegsplatz, hat mit 27 Punkten Kontakt zu den Nichtabstiegsplätzen hergestellt. Fast unfassbar, wie leichtfertig dabei die Jesinger eine 3:1-Führung verspielten. Lange harmlose Harthausener wurden in der zweiten Halbzeit förmlich zum Toreschießen eingeladen.
Milan Milic stand bei seinem Kopfball aus kurzer Distanz zum 2:3 völlig frei. Zudem fand ein abgefälschter Freistoß zu Beginn der Schlussphase den Ball ins Jesinger Tor, ebenso wie die Kugel nach erneut passivem Abwehrverhalten durch einen Schuss von Khader Omar. Stefan Haußmann war nach Spielende bedient. „Es fühlt sich irgendwie surreal an“, sagte der TSVJ-Trainer, sein Team sei durch eigene Passivität und das schlechte Wegverteidigen von Standardsituationen extrem bestraft worden. „Das bedeutet für uns nun Abstiegskampf pur“, unterstrich Haußmann.
Alarmstufe Rot in Neidlingen
Die Bilanz in diesem Jahr ist für den TV Neidlingen mittlerweile verheerend. Nach vier Remisen zum Auftakt, folgte gestern mit dem 0:6-Debakel in Deizisau die fünfte Niederlage in Folge und somit der vorläufige Krisen-Höhepunkt für den TVN.
„Ich habe noch kein schlimmeres Spiel meiner Mannschaft erlebt. Das war heute ein Offenbarungseid und hätte noch deutlicher enden können“, war Spielertrainer Patrick Kölle fassungslos. Ein schneller 0:2-Rückstand nach bereits sechs Minuten durch krasse individuelle Fehler trug zur allgemeinen Neidlinger Verunsicherung bei. „Wir waren komplett leb- und chancenlos. Nicht ein Spieler hatte Normalform oder leistete Gegenwehr. Wenn das so weiter geht, endet das definitiv im Abstieg“, mahnt Kölle, dessen Elf nur noch aufgrund des besseren Torverhältnisses vor dem TSV Oberboihingen, der momentan Relegationsrang 13 belegt, liegt. Der Neidlinger Übungsleiter will den Negativtrend schonungslos aufarbeiten und das Trainingspensum auf drei Einheiten in der Woche erhöhen. „Jetzt kommt mit dem Derby gegen den VfL entweder der richtige oder auch falsche Gegner. Aber bei uns muss jetzt etwas passieren“, will Kölle seine Truppe wachrütteln.
Deutlich anders sieht die Lage beim VfL Kirchheim aus, der nach dem souveränen 4:0-Pflichtheimsieg gegen die Verbandsligareserve des SC Geislingen den dritten Dreier in Folge einfuhr und für das Derby in Neidlingen gerüstet zu sein scheint. Dementsprechend zufrieden war VfL-Coach Armin Ohran hinterher. „Wir haben eigentlich nichts zugelassen und waren zielstrebig nach vorne.“ Besonders sehenswert herausgespielt hatten die „Blauen“ das 1:0, das der Wegbereiter für eine komfortable und vorentscheidende 3:0-Pausenführung war. Nach einer Balleroberung am eigenen Strafraum, veredelte Melvin Alavac einen schnurstracks ausgeführten Konter über drei Stationen zur Führung. Einziges Manko der Hausherren war noch die mangelnde Chancenverwertung.
In den letzten acht Partien will Ohran weiter von Spiel zu Spiel schauen und den Fokus auf die eigene Leistung und Mannschaft legen, um zumindest Relegationsrang zwei verteidigen zu können. In Anbetracht der Tatsache, dass die Teckstädter in den kommenden Wochen mit Primus FC Esslingen, dem FC Eislingen und dem SV Ebersbach noch die drei direkten Konkurrenten im Aufstiegsrennen vor der Brust haben, eine vernünftige Maßnahme.
In Neckartailfingen schlägt‘s 13
Tabellenführer FC Esslingen hat sich beim 6:1-Heimsieg gegen Faurndau spielfreudig gezeigt und sein Sechs-Punkte-Polster auf den zweitplatzierten VfL gewahrt.
Noch torwütiger zeigte sich der drittplatzierte FC Eislingen. Die Filstäler hatten mit Bezirksliga-Dino und Abstiegskandidat TSV Neckartailfingen (16.) beim 13:0-Auswärtssieg kein Erbarmen. „Auch wenn wir viele Ausfälle hatten, gibt es für so eine Leistung wie heute keine Ausreden. So langsam können wir an die Saison einen Haken dran machen“, stellte Neckartailfingens Spielleiter Dieter Hiemer nach der zweiten zweistelligen Heimniederlage in dieser Saison (zuvor 0:11 im Oktober gegen Esslingen) resigniert fest.
Nach 20 Jahren durchgehender Bezirksligazugehörigkeit droht dem Team vom Aileswasen ein trauriger Abschied. Die Eislinger bleiben somit bei vier Zählern Rückstand auf den VfL Dritter. wr