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Tennistalent Lasse Pörtner: Von Kirchheim nach Wimbledon

Tennis Lasse Pörtner betritt als 17-jähriger Qualifikant bei den Junioren zum ersten Mal den heiligen Rasen in Londons berühmtestem Vorort. Im September warten die US Open in New York. Von Bernd Köble

Dass er den Ball übers Netz drischt und nicht durch die Reuse stopft, fällt zunächst kaum einem auf. Ausnahmekönner sind sie hier alle. Die allermeisten wollen eines Tages Profi-Basketballer bei den MHP-Riesen in der Bundesliga werden. Dass der 1,95 Meter lange Blondschopf, der seit vergangenem Sommer hier wohnt, ganz andere Pläne verfolgt, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Im Ludwigsburger Vollzeit-Internat ist Lasse Pörtner seit diesem Schuljahr nicht nur wegen seiner Statur auf Augenhöhe mit den Besten. Unter seinen Altersgenossen auf dem Tennis-Court ist er die Nummer eins in Deutschland. In einem Jahr wie im Zeitraffer hat er sich innerhalb weniger Monate in der Junioren-Weltrangliste von Platz 140 auf 38 katapultiert.

 

Ich weiß, dass ich dranbleiben werde. Irgendwann zahlt sich das aus.
Lasse Pörtner

Im kommenden Frühjahr will er hier in Ludwigsburg sein Abitur machen. Auf der Zeitschiene dorthin liegen die ersten Grand-Slam-Turniere seiner noch jungen Karriere. Am kommenden Donnerstag wird der 17-Jährige als Qualifikant fürs Junioren-Turnier zum ersten Mal den heiligen Rasen in Wimbledon betreten. Die erste Trainingseinheit auf dem ungewohnten Belag hat er diesen Mittwoch auf der Waldau bestritten. Im September stehen die US Open in New York in seinem Kalender. Die ITF-Turniere im Februar in Ecuador und Kolumbien musste er unter Freunden noch mühsam erklären. Das, was jetzt kommt, kennt jeder.

Rückblick: Vergangenen Sommer noch verstärkte Lasse Pörtner die Mannschaft des TC Kirchheim in der Oberliga. In seinem Heimatverein, in dem die Familie verwurzelt ist und dem sein Vater seit Jahren in leitender Rolle vorsteht. Talente haben sie hier schon viele hervorgebracht, doch keines hat vergleichbare Hoffnungen geweckt wie dieser Bursche, der von sich sagt: „Es sind die kleinen, schneller erreichbaren Zwischenziele, die mich immer wieder antreiben und die mich motivieren.“ Seit diesem Sommer ist er beim TC Doggenburg auf Stuttgarts Höhen in der Regionalliga die Nummer drei und hat gleich Lehrgeld bezahlt. Zwei Niederlagen im Einzel und Doppel zum Rundenauftakt – auch das ist Teil des Lernprozesses oder wie er sagt: „Diese Erfahrungen bringen mich weiter.“

Klar: Er will Profi werden. Ganz nach oben. Auf den Center-Courts dieser Welt im Fokus stehen. Der Weg dorthin ist weit und steinig, das Zeitfenster klein bemessen. So früh wie möglich so hoch wie möglich, lautet der Marschplan, auch wenn die Luft dabei immer dünner wird. Talent allein reicht irgendwann nicht mehr aus. Zielstrebigkeit, ein unerschütterlicher Charakter und ein klarer Blick sind Faktoren, die den Unterschied ausmachen – und natürlich eine zielgerichtete Förderung. Lasse Pörtner profitiert vom Nachwuchskonzept des Deutschen Tennisbunds (DTB), der sich seit sechs Jahren deutlich früher und intensiver um junge Talente kümmert.

20 Autominuten liegt das Sportinternat in Ludwigsburg vom Leistungszentrum des WTB in Stuttgart-Stammheim entfernt. Ein Shuttle von Tür zu Tür wird vom Verband organisiert. Auf dem Gelände des Zentrums warten kurze Wege zu allem, was den Trainingsalltag bestimmt: Tennisplätze, Fitnessräume, Physiotherapie.
DTB-Nachwuchscoach Jan Velthuis ist sein engster Vertrauter. Mit dem 60-jährigen Niederländer, der jahrelang Topspieler wie den früheren Weltranglisten-Achten Jürgen Melzer auf der ATP-Tour begleitet hat, ist er im engen Austausch. Knallharte Kaderschmieden wie einst die des inzwischen verstorbenen Nick Bollettieri in den USA mögen für eine zahlungskräftige Klientel noch immer als Himmelsleiter gelten. „Ich brauche das nicht“, sagt Lasse Pörtner selbstbewusst. „So wie wir unterstützt werden, ist das perfekt.“

Im Alltag heißt das: 15 Stunden Schulunterricht pro Woche und 30 Trainingsstunden schlagen den Takt. Unterricht und Prüftermine werden in dreimonatigen Intervallen exakt aufs Wettkampfprogramm abgestimmt. Ein System, das atmen soll. Nimmt Tennis zu viel Zeit in Anspruch, kann Stoff an anderer Stelle nachgeholt werden. Turniere weltweit zu bestreiten, bedeutet oft wochenlanges Reisen. Da wird der Beifahrersitz im Auto oder das Hotelzimmer schon mal zum Schularbeitsplatz. Lasse Pörtner hat gelernt, auch damit umzugehen. Mit Blick aufs bevorstehende Abitur macht er sich keinen Kopf. „Schule läuft super“, meint er. „Das bekomme ich hin.“

Sein Optimismus ist vielleicht das, was ihn am stärksten macht. „Dass ich gut Tennis spielen kann, weiß ich“, sagt der 17-Jährige. „Und ich weiß auch, dass ich dranbleiben werde. Irgendwann zahlt sich das aus.“ Seit den Osterferien ist sein Spiel konstanter, er selbst – wie er sagt – reifer geworden. Dank seiner Körpergröße gilt sein Aufschlag als Waffe. Bis zu 200 Stundenkilometer haben Messungen ergeben. Er will Gegner jedoch auch an der Grundlinie beherrschen. „Ballwechsel im Tennis werden immer länger, immer härter“, sagt Lasse Pörtner. Und damit auch die Anforderungen an die Athletik von Spielern. Athletiktraining nimmt inzwischen 40 Prozent der Gesamtarbeit ein. Der Rest ist Technik und Kopf.

Die kommenden paar Jahre werden entscheidend sein. Das nächste Zwischenziel ist ein großes und heißt Wimbledon.

Auch ganz Große haben klein angefangen

Beim „Junior-Grand-Slam“ in Wimbledon messen sich die welt­besten Nachwuchs-Tennisspielerinnen und -spieler im Alter von 14 bis 18 Jahren. Dabei geht es zeitgleich mit dem Hauptturnier auch um wertvolle Punkte für die Weltrangliste. Einige der größten Tennis-Stars aller Zeiten, die in Wimbledon triumphierten, haben zuvor auch das Junioren-Turnier für sich entschieden: Björn Borg (1972), Pat Cash (1982), Stefan Edberg (1983), Roger Federer (1998), Martina Hingis (1994), Amelie Mauresmo (1996). tb