Lokalsport
Thomas Brdaric: Neustart im Fußball-Abenteuerland

Fußball Der ehemalige VfL-Stürmer und Nationalspieler Thomas Brdaric hat beim indischen Verein Chennaiyin FC als Trainer angeheuert. Auf dem Subkontinent steckt der Sport noch in den Kinderschuhen. Von Klaus Schlütter

Fußball in Indien, gibts das überhaupt? Der Nationalsport auf dem asiatischen Subkontinent mit seinen 1,4 Milliarden Menschen ist Cricket, ein Ballspiel mit Schlagen, Fangen und Laufen. Beliebt und international erfolgreich ist auch Feldhockey. Oder Pferde-Polo, der Sport der Reichen. Die ländlichen Sportfreunde pflegen mehr den Hahnenkampf „Seval Sandai“, bei dem sich zwei Hähne mit Klingen an den Füßen bekämpfen. Aber Fußball?

Sicher ist: Er gewinnt immer mehr an Popularität. Die Nationalmannschaft hat den Sprung in die Top-20 des asiatischen Fußballs geschafft. In der Fifa-Weltrangliste rückte Indien auf Platz 106 vor. Thomas Brdaric wollte sich ein eigenes Bild von der Qualität des indischen Fußballs machen und heuerte bei einem der elf Erstliga-Profiklubs an. Seit vier Wochen ist der deutsche Ex-Nationalspieler aus Neuffen mit Kicker-Vergangenheit beim VL Kirchheim Cheftrainer beim Chennaiyin FC, einem Klub aus der 4,6 Millionen-Stadt Chennai am Indischen Ozean, 7500 Kilometer von der heimatlichen Schwäbischen Alb entfernt – ein Wechsel in ein Fußball-Abenteuerland. Was hat er dort vorgefunden?

Positiv Überraschendes: „Der Verein wird sehr professionell geführt und die Verantwortlichen verfolgen Ziele, die mich interessieren“, sagt Brdaric. „Die sportliche Qualität ist zwischen zweiter und dritter Liga in Deutschland einzuordnen. Die Rahmenbedingungen befinden sich hingegen annähernd auf dem Niveau großer europäischer Ligen. Für mich ist das auf jeden Fall eine Mega-Herausforderung.“

Chennaiyin FC war 2015 und 2017 zweimal Meister der „Indian Super League“, einer Mini-Liga ohne Auf- und Abstieg. Die Mannschaft ist aber in den vergangenen beiden Jahren jeweils auf Rang acht von elf Teams abgesackt. In 20 Spielen gab es 2021/22 nur fünf Siege, aber zehn Niederlagen. Für den neuen Trainer eine dankbare Ausgangsposition, die er gleich nutzte. Brdaric verstärkte den 40-Mann-Kader, holte den Kroaten Peter Sliskovic (31), zuletzt SV Wehen-Wiesbaden, den Senegalesen Fallou Diagne (32), einst SC Freiburg, beide für den Angriff, und Julius Duker (26), zuletzt beim Zweitliga-Absteiger TSV Havelse, fürs Mittelfeld.

Alle drei kamen ablösefrei. Das Geld spielt im indischen Fußball (noch) eine untergeordnete Rolle. Der Marktwert des gesamten Kaders von Chennaiyin FC beläuft sich auf 3,75 Millionen Euro. Allein fast so viel zahlte der VfB Stuttgart jetzt für Neu-Stürmer Luca Pfeiffer vom FC Midtjylland.

Ernst wirds für den neuen Trainer und seine Mannen am 20. August mit dem Pokalspiel gegen die „Army Red“, dem drei weitere Cupspiele in einer Gruppenphase folgen. Die Punktrunde läuft durchgehend von 6. Oktober bis 18. März 2023. Das Projekt an neuer Wirkungsstätte ist für Brdaric vorerst auf ein Jahr angelegt. „Dann wird man sehen, wie es läuft.“ Sein Ziel ist die Qualifikation für die AFC Champions League und die Etablierung seines Vereins über den nationalen Wettbewerb hinaus.

Ein Fußball-Wandervogel mit schwäbischen Wurzeln

Geboren wurde Thomas Brdaric in Nürtingen, aufgewachsen ist er in Neuffen. Der 47-Jährige ist verheiratet, hat drei Kinder.
In der Saison 1992/93 stürmte er für den VfL Kirchheim in der Oberliga. Danach absolvierte er 204 Bundesliga-Spiele, 54 Tore, unter anderem für den VfB Stuttgart, Fortuna Düsseldorf, Bayer Leverkusen, Hannover 96 und den VfL Wolfsburg. Mit Bayer wurde er zwei Mal Vizemeister und erreichte 2002 das Champions League Finale gegen Real Madrid.
Brdaric bestritt acht A-Länderspiele, zwölf für die deutsche U21 und sechs für die DFB-B-Elf. 2004 nahm er an der EM in Portugal teil.
Seit 2009 ist Brdaric, der ein Ausflugslokal am Niederrhein besitzt, Trainer. Bisher war er bei zwölf Vereinen tätig, zuletzt bei Vllaznia Shkoder in Albanien, wo er Pokalsieger und Vizemeister wurde. ks