Die Knights rüsten fürs Spiel des Jahres gegen den FC Bayern München
Träumen erlaubt

Ein Startrainer auf der Bank, ein Starensemble auf dem Spielfeld und zwei Topstars im Krankenstand. Die Parallelen beim deutschen Fußball-Rekordmeister FC Bayern München und seinem Basketball-Pendant in der Pro A sind frappierend. Einziger Unterschied: Die Korbjäger des FCB reden vor ihrem morgigen Gastspiel in Kirchheim (19.30 Uhr) uneingeschränkt vom Titel.

Träumen erlaubt
Träumen erlaubt

Kirchheim. Glanz ist in der kleinsten Hütte. Wo die Bayern aufkreuzen, da spielt die Musik. Im Fußball seit Jahrzehnten ein gewohntes Bild. Im Basketball ein eher neueres Phänomen. Rund zwei Millionen Euro haben die Münchner in die Mission erste Liga gepumpt, in eine Mannschaft wie sie die zweithöchste deutsche Spielklasse bisher noch nicht erlebt hat. Eine Mannschaft, von der nicht wenige behaupten, sie hätte genügend Qualität, um in der BBL um die Playoff-Plätze mitzuspielen. Ein kalkulierter Schnitt von 4 000 Zuschauern in der Olympia-Eissporthalle, dazu ein Trainer, der erst im September zu den Bayern stieß, weil er zuvor mit der Nationalmannschaft noch eine WM spielen musste. Münchner Selbstverständnis, wie man es von den Fußballern kennt.

Lässt sich das sprichwörtliche „Mir san mir-Gefühl“ so einfach übertragen? Offenbar schon. „Wir schauen nicht auf die Anderen“, sagt Bundestrainer und FCB-Coach Dirk Bauermann unverblümt. „Weil wir am Ende ohnehin oben stehen.“ Anderes bleibt ihm auch gar nicht übrig. Er wurde geholt, um einen Einjahresplan zu erfüllen – Scheitern verboten. Wie ernst es den Münchnern mit diesem Plan ist, zeigte sich schon nach den ersten drei Spieltagen. Die Ausfälle der beiden Nationalspieler Steffen Hamann (Mittelfußbruch) und Demond Greene (Achillessehnenriss) zogen kein langes Lamento nach sich. Stattdessen wurde gehandelt und mit Robert Garrett vom Meister Bamberg und Chad Prewitt von den Artland Dragons Quakenbrück die Lücke quasi über Nacht geschlossen.

Wer will diese Bayern schlagen? Die zentrale Frage vor Saisonbeginn ist inzwischen immerhin beantwortet. Nach dem Betriebsunfall beim fränkischen Kontrahenten in Würzburg, vor zwei Wochen, hat der Nimbus der Unbesiegbaren ersten Schaden genommen. Aus Kirchheimer Sicht vielleicht zur Unzeit. Die prompte Reaktion der BauermannTruppe bekamen beim 61:99 am vergangenen Wochenende überforderte Essener zu spüren.

Kirchheim ist nicht Essen und der Vierte empfängt morgen den Tabellennachbarn von Platz drei. Von einem Duell auf Augenhöhe kann dennoch keine Rede sein. Knights-Coach Frenkie Ignjatovic, der eineinhalb Wochen Zeit hatte, die zweite Saisonniederlage in Karlsruhe aufzuarbeiten und der von Natur aus nicht zum Bau von Luftschlössern neigt, zeigt sich wie immer gut geerdet: „Wenn wir über uns hinauswachsen und Bayern einen schlechten Tag erwischt, können wir das Spiel offen halten“, sagt der Trainer. Umgekehrt könnte das heißen: Wenn die Kirchheimer an die schwache Defensivleistung im dritten Karlsruher Viertel anknüpfen und die Bayern morgen ein standardmäßiges Programm abspulen, wirds am Ende zappenduster.

Der Großteil der vergangenen Trainingswoche war deshalb der Analyse des Karlsruhe-Spiels gewidmet. In der Europahalle passten weder Körpersprache noch Statistik. „Wenn eine Mannschaft fast eine Hälfte lang ohne jegliches Foul bleibt, stimmt etwas nicht“, macht Ignjatovic, der mit der bisherigen Bilanz seiner Mannschaft dennoch zufrieden ist, sich Gedanken. Wenn‘s hilft: Herausragende Spiele haben die Knights in der Vergangenheit stets gegen herausragende Teams abgeliefert. Und keiner solle behaupten, das Starensemble von der Isar habe keine Schwachstellen. „Die Wurfqualität von außen hat mich bisher nicht überzeugt“, wittert der Coach eine Chance, sofern seine Mannschaft die nötige Aggressivität an den Tag legt.

Die Freude aufs morgige Spiel überwiegt den Respekt vor dem übermächtigen Gegner jedenfalls bei weitem. Spieler von der Klasse eines Jonathan Wallace oder Aleksandar Nadjfeji (Ignjatovic: „In den vergangenen Jahren gab es in Deutschland keinen Besseren auf dieser Position“) sind fürs Kirchheimer Publikum in der Sporthalle Stadtmitte eine völlig neue Erfahrung. Dass die Knights frei sind von Verletzungssorgen ist eine weitere gute Nachricht. Vielleicht die wichtigste überhaupt angesichts der fehlenden Alternativen auf Schlüsselpositionen. Die bisher erfolglose Suche nach einem echten Center hat ein anderes Problem lange Zeit in den Hintergrund gedrängt: Mit Cedric Brooks haben die Knights einen Spielmacher, der seit Monaten auf Topniveau spielt, doch niemand, der dem US-Amerikaner die nötigen schöpferischen Pausen gönnen könnte. Der junge David Michalczyk zeigt zwar gute Ansätze, doch die Kluft ist nach wie vor zu groß. Die Folge: Brooks spielt häufiger durch als ihm gut täte, und was wäre, sollte sich der 31-Jährige ernsthaft verletzen, mag sich bei den Verantwortlichen in Kirchheim niemand ausmalen.

Das fehlende Backup für den Spielmacher und die freie Stelle unterm Korb haben dieselben Gründe: „Kandidaten gibt es viele“, sagt Ignjatovic. „Aber keinen, der uns weiterbringt und gleichzeitig bezahlbar wäre.“ So macht der Trainer aus der Not eine Tugend, die lautet: „Die Mannschaft hat mein Vertrauen. Was sie bisher geleistet hat, verdient Respekt.“