Viele meiden sie wie der Teufel das Weihwasser, Sarah Seher aus Wendlingen liebt sie geradezu. Die Rede ist von Treppen. Die 16-Jährige nimmt regelmäßig an Wettkämpfen teil, bei denen es hoch hinaus geht. Aktiv war die Gymnasiastin schon immer, was wohl auch an den sportlichen Eltern liegt. Papa Michael war früher Mountainbiker, ist bei Bergzeitrennen gefahren, und später gerne auch gelaufen. Die Elftklässlerin begleitete ihn schon als Siebenjährige. Manchmal joggte die ganze Familie sonntags eine Runde. „Ich bin dann aber auch öfter alleine gelaufen“, erinnert sie sich.
2017 stieß der Vater auf den Ulmer-Münster-Turm-Lauf und nahm teil, ein Jahr später war die ganze Familie am Start. „2019 bin ich sogar mit Gips am Arm gelaufen. Da ich auf keinen Fall stürzen sollte, durfte ich nur gehen. Aber das war es mir wert“, erzählt Sarah Seher lachend. Während der Corona-Pandemie fielen die Wettkämpfe flach, die Lust aufs Laufen hatte Sarah Seher aber nicht verloren. Und so trainierte sie fleißig weiter. Manchmal sogar so viel, dass der Körper rebellierte. Da sammelte sich Wasser im Knie, oder es bildete sich sogar eine Knochennekrose, bei der der Knochen langsam abstirbt. „Ich musste wochenlang an Krücken gehen. Aber aktuell ist alles gut“, sagt die 16-Jährige grinsend. Muss auch so sein, denn sonst hätte sie neulich nicht in Bad Wildbad den Stäffeleslauf mit Streckenrekord gewonnen. „Da war ich echt selbst von mir überrascht.“
Bereits 2022 war sie auf der längsten Treppe Deutschlands hinauf zur Bergstation der Sommerbergbahn erfolgreich. 1987 Stufen gilt es auf den 720 Metern zu bewältigen mit einer maximalen Steigung von 52 Prozent von der Talstation. Beim so genannten TK Elevator Towerrun, dem höchsten Treppenhaus-Lauf Europas im Testturm bei Rottweil belegte sie den siebten Platz, beim Frankfurt Skyrun wurde sie Zweite und den Treppenlauf in Schwäbisch Hall gewann sie.
Wichtig sei, dass man seinen Rhythmus findet. „Weh tut es sowieso. Der Rhythmus ist wichtig, damit man das Tempo halten kann“. Eine spezielle Technik gebe es eigentlich nicht. „Man kann sich entweder nebenbei am Geländer festhalten, oder die Hände auf den Oberschenkeln abstützen“, sagt Sarah Seher, und demonstriert das Ganze auch gleich auf den Stufen zum Schafhof hinauf. „Lustig, die Treppe hier kannte ich noch gar nicht.“
Als Ausgleich Krimis schreiben
Am Treppenlaufen fasziniere sie, dass man hinterher sieht, was man geschafft hat. „Es ist ein tolles Gefühl, sich zu verausgaben.“ Dabei ist die 16-Jährige nicht nur schnell wenn es bergauf geht. Beim Ermstal-Halbmarathon belegte sie nach 1:38 Stunden Platz sechs, beim Wendlinger Zeitungslauf über zehn Kilometer wurde sie nach 43:15 Minuten Siebte. Auch auf dem Fahrrad trifft man die Gymnasiastin häufig an. „Da fahre ich dann gerne Intervalle.“ Klettern und Krafttraining runden das Programm ab, wenn sie nicht gerade an ihrem zweiten Krimi schreibt. „Meinen ersten habe ich geschrieben als ich neun war.“ Da wurde jemand mit einem Zuckerwürfel vergiftet. Im zweiten geht es um einen Mord bei einem Banküberfall. Ob die vielen Treppen mörderische Gedanken fördern? Hoffentlich nicht, denn im September stehen in Esslingen und in Rottweil gleich die nächsten Wettkämpfe an.
Ein Video dazu gibt es auf dem Instagram-Kanal des Teckbote
Stufen, die die Welt bedeuten – alles begann
mit dem Eiffelturm
Der erste dokumentierte Treppenlauf mit Zeitnahme wurde im Jahre 1905 bis zur ersten Plattform des Eiffelturms in Paris ausgetragen. Die meisten Treppenlauf-Veranstaltungen finden in Wolkenkratzern und Türmen statt. Die weltweit höchsten Türme und Wolkenkratzer mit Treppenläufen sind der CN Tower in Toronto, der Taipei 101 in Taipeh, das Shanghai World Financial Center und der Willis Tower in Chicago. Die Indoor-Läufe mit den höchsten Stufenzahlen sind der „Millennium Tower Run Up“ in Wien mit 2529 Stufen bei drei Aufstiegen und der Fight for Air Climb Chicago in den Presidential Towers mit 2340 Stufen in vier Türmen. Der berühmteste Treppenlauf findet alljährlich Anfang Februar beim Empire State Building Run Up in New York statt.
Nur wenige Treppenläufe werden auf Außenstrecken ausgetragen. Der längste Treppenlauf findet seit 2005 in Radebeul statt: Beim Sächsischen Mount Everest Treppenmarathon sind auf einem Rundkurs in den Weinbergen von Radebeul bei 100 Runden insgesamt 39.700 Stufen auf- und abwärts mit einem Gesamtanstieg von 8848 Metern zurückzulegen. Diese Höhendifferenz entspricht genau der derzeitigen offiziellen Höhe des Mount Everest. Zusätzlich entspricht die in der Horizontalen zurückzulegende Distanz mit 84,39 Kilometern einem Doppelmarathon.
In Deutschland gibt es den Verein Towerrunning Germany, bei dem Sarah Seher Mitglied ist. Verena Schmitz, mehrfache deutsche Meisterin im Treppenlaufen, hatte die Wendlingerin gefragt, ob sie in den Verein mit Sitz in Köln eintreten möchte. sl