Karlsruhe. 19 deutsche Meistertitel hat der „Schwabenpfeil“ in den eineinhalb Jahrzehnten seiner glanzvollen Karriere als Jugendlicher, Junior und Aktiver über die Sprintstrecken und in der Staffel errungen. Den 20. hat er sich für die Sommersaison aufgehoben. Dann über die 200 Meter, seiner eigentlichen Paradestrecke, die er in den vergangenen Jahren wegen seiner lädierten Achillessehne stark vernachlässigt hat.
In Karlsruhe hätte es über diese Distanz schon zur 20. Meisterschaft reichen können. Die Voraussetzungen dafür waren günstiger denn je. Hauptkonkurrent Sebastian Ernst musste grippekrank passen, die restliche Konkurrenz war schlagbar. Aleixo Platini Menga holte sich den Titel in mäßigen 20,94 Sekunden.
Doch nach einem nicht vollständig auskurierten grippalen Infekt verzichtete Unger auf den Start. Das war vernünftig, denn: „Nach den drei Läufen über 60 Meter war Tobias erschöpft und das Risiko, einen Rückschlag zu erleiden, zu groß“, meinte sein Trainer Micky Corucle. Damit war auch die 4 x 200-Meter-Staffel des VfB zu den Akten gelegt.
Über 60 Meter gewann Unger seinen Vorlauf locker in 6,70 Sekunden. Als Sieger im Zwischenlauf steigerte er sich auf die Saisonbestleistung von 6,66 Sekunden, nachdem mit Julian Reus einer seiner Hauptkonkurrenten wegen eines Fehlstarts disqualifiziert worden war. Im Endlauf war die Substanz aufgebraucht. Christian Blum (TV Wattenscheid) lief in 6,62 Sekunden vorneweg, punktgenau in WM-Norm für Istanbul. Unger wertete Platz zwei in 6,69 Sekunden jedoch als Erfolg. Seine Kirchheimer Trainingskollegen Alexander Schaf (VfB) und Marius Broening (LAV Tübingen) mussten sich mit den Rängen fünf in 6,74 beziehungsweise sechs in 6,76 Sekunden begnügen. Im Zwischenlauf hatten beide mit 6,72 Sekunden noch Saisonbestzeit erzielt, obwohl auch sie nicht in optimaler Verfassung angetreten waren. Schaf behindert eine Wasseransammlung in der Gesäßmuskulatur, Broening ist übertrainiert und braucht dringend eine Pause.
Für alle drei endete mit den „Deutschen“ die Indoor-Saison. Es folgt, mit zwei Trainingslagern auf Teneriffa und in Orlando/USA, die Vorbereitung auf die Olympiasaison. Erster Start im Freien ist voraussichtlich am 5. Mai in Clermont/USA.
Nach vielen Trainingsausfällen aus diversen Gründen (Verletzungen, Studium) ging Anja Wackershauser über 200 Meter mit dem olympischen Gedanken – Teilnahme ist wichtiger als Sieg – an den Start. Dennoch verbesserte sie zweimal ihre Saisonbestzeit, obwohl sie jeweils mit der ungünstigen Bahn eins vorlieb nehmen musste. Im Vorlauf qualifizierte sie sich in 24,57 Sekunden für das B-Finale, wurde dort Vierte in 24,52 Sekunden. Deutsche Meisterin wurde Cathleen Tschirch (Leverkusen) in europäischer Jahresbestzeit von 23,25 Sekunden. Mit Franziska Dobler (VfB Stuttgart) lief ein weiterer Corucle-Schützling über 60 Meter in 7,54 Sekunden persönliche Bestzeit, verfehlte den Endlauf aber knapp.
Ohne Anke Hummel, die für ein halbes Jahr in Australien studiert, hatte die 4 x 200-Meter-Staffel des VfB Stuttgart in der Besetzung Franziska Dobler, Anja Wackershauser, Rebecca Dürr und Jaqueline Karstens gestern keine Chance. Das Quartett wurde in 1:41,09 Minuten Zehnter und damit Letzter.