Fußball-Oberliga: Kirchheim „erwartet“ Reutlingen in Heilbronn
VfL spielt Schicksal für SSV

Der VfL Kirchheim sieht sich vor dem letzten Oberligaspiel morgen um 15.30 Uhr in Heilbronn gegen den SSV Reutlingen vermehrt dem Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung ausgesetzt.

Kirchheim. Die abstiegsbedrohten Vereine Bahlinger SC, FSV Hollenbach und SGV Freiberg und deren Fans unterstellen den Teckstädtern auf Homepages, in Internetforen und Mails mit der Verlegung indirekt Schützenhilfe für den am meisten bedrohten SSV Reutlingen. „Absurd, einfach nur absurd“, kontert VfL-Trainer Rainer Kraft.

Im Gegenteil, für Reutlingen sei der Zwangsumzug ins Frankenstadion aus Angst vor Randale und fehlender Infrastruktur im Stadion an der Jesinger Allee eher ein Nachteil, sagt der Trainer. Dafür spreche schon allein die Tatsache, dass der VfL in dieser Saison auswärts erfolgreicher abgeschnitten hat als zu Hause. Kraft und seine Mannen wollen mit einer konzentrierten Leistung zum Abschluss der Saison alle schrägen Gedanken aus den Köpfen vertreiben. Kraft: „Dass es dabei für den SSV Reutlingen um alles geht, interessiert mich nicht. Er hatte vorher 35 Spiele Gelegenheit, sich in Sicherheit zu bringen.“ Der einstellige Tabellenplatz ist nach wie vor sein erklärtes Ziel. Bei einem Sieg und gleichzeitigen Punktverlusten der Tabellennachbarn ist sogar noch Platz sechs in der Abschlusstabelle möglich.

Kraft stehen wieder ein paar Alternativen mehr zur Verfügung als zuletzt. David Hertel und Emrah Polat, die mit dem VfL II den Bezirkspokal gewonnen haben, kehren ins Aufgebot zurück. Dagegen muss Marcel Helber passen. Er hat sich gegen Geislingen das Nasenbein gebrochen und wurde operiert. Polat verabschiedet sich mit diesem Spiel, ebenso Christian Kuhn, Sabri Gürol und Ryan Callahan, der in die USA zurückkehrt. Uwe Beran (nach Pfullendorf) fehlt verletzt, Ferdi Er ist bereits ausgeschieden. Wer spielt, ist noch offen. „Auf jeden Fall die stärksten elf“, versichert der Coach.

Der SSV Reutlingen darf keinesfalls darauf hoffen, dass sich der VfL „willenlos ergibt“ (so Kraft), wie in der letzten halben Stunde in Weinheim. Es wird auch kein freundschaftliches Entgegenkommen geben, nur weil vier SSV-Spieler früher die Schuhe für den VfL geschnürt haben: Patrick Gühring, Hans-Alex Thies, Roberto Forzano, Vergoulakis Karapantzios.

Die Elf von der Kreuzeiche muss sich schon am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen, wobei selbst ein Sieg zum Überleben zu wenig sein kann, wenn die Konkurrenz ebenfalls gewinnt. Doch Abwehrrecke Thies ist guter Hoffnung: „Ich bin überzeugt, dass die Stuttgarter Kickers in Freiberg etwas holen.“ SSV-Präsident Karsten Amann zieht seine Zuversicht aus der Vergangenheit. „Heilbronn ist für uns ein gutes Pflaster“, sagt er. Am 16. Mai 1989 gewann der SSV dort das Entscheidungsspiel um die Meisterschaft in der Oberliga vor 13 000 Zuschauern gegen den 1. FC Pforzheim mit 3:1.

Ein Absturz in die sechste Liga würde einen absoluten Tiefpunkt in der wechselvollen Vereinsgeschichte des Traditionsvereins bedeuten. 1965 wäre Reutlingen mit Bayern München beinahe in die Bundesliga aufgestiegen, belegte hinter Borussia Mönchengladbach Platz zwei in der Aufstiegsrunde. Zweimal spielte der SSV in der 2. Liga, 1974 und 1997 war er deutscher Amateurmeis­ter.

Die dunklen Stunden sind neueren Datums. Misswirtschaft und Schulden von über vier Millionen Euro trieben den Verein im März 2010 in die Insolvenz. Reutlingen spielte die Regionalliga-Saison noch zu Ende, startete dann schuldenfrei in die Oberliga. Doch der Aderlass an guten Spielern war groß, vor allem in der Abwehr. Mit 63 Gegentoren weist die Elf von Trainer Lothar Mattner die viertschlechteste Defensive auf. Die Deckungsschwäche konnte auch ein herausragender Torjäger wie Andreas Rill mit seinen 20 Treffern nicht kompensieren. Deshalb spielt der VfL Kirchheim morgen ungewollt Schicksal für den ruhmreichen SSV.