Eine derbe Klatsche, ein deutlicher Sieg und viele offene Fragen: Der Doppelspieltag der 2. Basketball-Bundesliga hat zum wiederholen Male das Janus-Gesicht der Kirchheimer Korbjäger zum Vorschein gebracht – wie der römische Gott des Anfangs und Endes, symbolisieren die Partien am Freitag in Tübingen und am Sonntag zu Hause gegen Nürnberg die Dualität der Knights in der Saison 2022/2023: eine Mannschaft, die ihre Fans regelmäßig auf die Achterbahn der Gefühle mitnimmt.
Entsprechend schwer fällt die Suche nach Antworten, vor allem auf das 57:101 in Tübingen. „Es gibt nicht die eine Ursache, die man einfach abstellen kann“, rätselt auch Sportchef Chris Schmidt noch immer über die 40 Minuten am vergangenen Freitag, als sich die Knights vom Gegner nach allen Regeln der Kunst vorführen ließen. Gleichzeitig prallten in der Paul-Horn-Arena auch zwei krasse Gegensätze aufeinander, wie es sie im (Mannschafts-)Sport immer wieder gibt: Ein Team erwischt einen Sahne-Tag, das andere einen rabenschwarzen. Während Tübingen mit Trefferquoten von 65 und 52 Prozent bei den Zwei- und Drei-Punkte-Würfen glänzte, war für die Knights (36/27 Prozent) der Korb wie vernagelt. Noch deutlicher wurde der Leistungsunterschied in Sachen Team-Effektivität: Mit 134:38 waren die Tigers in der Addition aller relevanten Werte mehr als dreimal so gut.
In der Analyse tags drauf – laut Schmidt sachlich, ruhig und konstruktiv – ging es dann auch weniger um die Niederlage, als um die Art und Weise. „In Tübingen kann man verlieren, aber nicht so“, sagt der Sportchef, der im Gespräch mit der Mannschaft vor allem Einstellung und Auftreten thematisierte – offenbar mit Erfolg: Dass sie es deutlich besser können, bewiesen die Teckstädter keine 48 Minuten nach der Schmach am Neckar. Beim 93:67 über Nürnberg am Sonntag stimmte neben der Statistik vor allem wieder das, was man gerne als Spirit bezeichnet. „Dass die Mannschaft zu Hause unmittelbar eine Reaktion gezeigt hat, war wichtig“, betont Chris Schmidt, „vielleicht haben wir es gebraucht, dass uns jemand mal richtig vermöbelt.“
Die Hoffnung auf Kirchheimer Seite ist nun groß, dass dieser Effekt über das Nürnberg-Spiel hinaus anhält. Vor allem auswärts hinken die Knights den Ansprüchen eines selbsternannten Play-off-Anwärters noch hinterher: Nur drei von 13 Spielen in der Fremde konnte das Team von Igor Perovic diese Saison bislang gewinnen. „Ob die Mannschaft aus diesem Wochenende gelernt hat, wird sich in Paderborn zeigen“, verweist Chris Schmidt auf die nächste Partie am kommenden Samstag. Mit einem Sieg beim Tabellenachten in Ostwestfalen würden die Knights mit dem Gegner punktemäßig gleichziehen und weiter im Rennen um die Play-offs bleiben. „Das ist nach wie vor unser Ziel“, betont Schmidt, der das Tübingen-Debakel vor diesem Hintergrund nur allzu gerne als Wendepunkt zum Guten einordnen würde. „Wer weiß“, orakelt er, „vielleicht wird das in der Nachbetrachtung das Schlüsselspiel unserer Saison.“ Und vielleicht auch das Ende des leidigen Janus-Gesichts.
Der Auswärtsfluch im „schwarzen Januar“
100 Punkte auswärts zu kassieren wie am Freitag in Tübingen – dieses Schicksal ereilte die Knights in der vergangenen Saison gleich vier Mal und das auch noch innerhalb eines Monats. Am 2. Januar 2022 verloren die Kirchheimer mit 85:102 bei den Rostock Seawolves, zwölf Tage später gab es ein 99:102 in Tübingen. Kirchheimer Topscorer in beiden Partien war Rohndell Goodwin, mittlerweile in Uruguay in der 1. Liga am Ball, mit 19 und 36 Punkten. Am 22. Januar kassierten die Ritter eine 90:109-Packung in Bremerhaven (Topscorer Jonathon Williams/21 Punkte), ehe es zum Abschluss des „schwarzen Januars“ ein 99:102 (mit 29 Goodwin-Punkten) in Leverkusen gab – allerdings nach Overtime.
44 Punkte Differenz in einem Spiel sucht man in der jüngeren Kirchheimer Vereinsgeschichte jedoch vergeblich: Die nach dem 57:101 in Tübingen zweithöchste Schlappe der vergangenen Jahre kassierten die Knights in der Saison 2020/21 beim 70:107 gegen die Artland Dragons. Ihren bislang deutlichsten Sieg feierten die Teckstädter in derselben Spielzeit: Am 2. Januar 2021 bezwangen sie Nürnberg mit 38 Punkten Differenz (101:63). pet