VfB Stuttgart
Vom Rübholz in die großen Arenen

Für das Ötlinger Fußballtalent Alexandre Azevedo ging ein Traum in Erfüllung, den viele jugendliche Kicker haben: Mit Talent, Fleiß und Willen schaffte er den Sprung in den Bundesligakader.

Alexandre Azevedo feierte im Testspiel gegen Hollenbach unlängst sein Debüt in der VfB-Bundesligamannschaft. Foto: Michael Treutner

Theodor Fontane wusste es schon, als der Fußballsport im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts noch in den Kinderschuhen steckte: „Die Talente sind oft gar nicht so ungleich, im Fleiß und im Charakter liegen die Unterschiede.“ Viel besser kann man den Werdegang von Alexandre Azevedo, den alle nur Alex nennen, kaum beschreiben.

Am vorletzten Wochenende tauchte der Name des in Ötlingen aufgewachsenen 19-jährigen Sohns portugiesischer Eltern erstmals bewusst auf dem Spielberichtsbogen von Bundesligist VfB Stutt­gart auf. Beim 8:1 im Vorbereitungsspiel beim baden-württembergischen Oberligisten FSV Hollenbach durfte er eine Halbzeit lang sein Können unter Beweis stellen. Und auch am vergangenen Samstag war er beim torlosen Remis beim Schweizer Erstligisten FC Luzern eine halbe Stunde mit von der Partie. 

„Kann der kicken?“

Der Weg dorthin verlief beeindruckend linear. Die Geschichte beginnt bereits 2009 im Rübholz, wo auch schon seine Cousins Jose, Andre, Bruno, Moisses und Marcos kickten und Bruder Rodrigo aktuell bei den B-Junioren spielt. Beim TSV Ötlingen wurde Alex mit Papa Pedro als Vierjähriger erstmals vorstellig. Bambini-Trainer war damals der heutige Abteilungsleiter Enzo Minafra, dessen Sohn bereits bei den Knirpsen kickte. Er erinnert sich an die vereinsseitige Vorgabe, Kinder aufgrund der Vielzahl von Bewerbungen erst ab sechs Jahren aufzunehmen. „Kann der denn kicken?“, hat er damals Pedro Azevedo mit Blick auf Alex gefragt. Und als der nickte, war der Anfang gemacht. Kurze Zeit später folgte schon das erste Spiel, in dem der Ötlinger Neuzugang alle Gegner, auch die älteren und größeren, aussteigen ließ. „Der kann tatsächlich was“, war dann nicht nur das Urteil von Minafra, sondern auch das der weiteren Jugendtrainer Matthias Moosmann und Marc Schad. Letzterer sorgte auch dafür, dass Alex per Sichtungsturnier in die WFV-Nachwuchsförderung in der Sportschule Ruit aufgenommen wurde.

Mit zwölf Jahren wurde Alexandre Azevedo ebendort von den Scouts der Stuttgarter Kickers entdeckt und im Nachwuchsleistungszentrum bei Trainer Daniel Günay untergebracht. Das Gastspiel in Degerloch dauerte jedoch kein Jahr, dann folgte er, dessen Herz schon immer für die „Roten“ schlug, dem Ruf an den Wasen, wo er ab der U15 sämtliche Juniorenteams des VfB höchst erfolgreich durchlief. Stets gehörte er, unabhängig von seinem Alter, dem älteren und somit höherklassigen Jahrgang an. Technisch wurde er als seltener Linksfuß zum Verteidiger und Mittfeldspieler auf jener Spielfeldseite ausgebildet und brachte es in der U17 schon auf fünf Treffer und nicht weniger als 15 Assists. Zudem absolvierte er für die U16- und U17-Natonalmannschaften des DFB insgesamt 13 Länderspiele. Seit Juli gehört Alex, der mit 17 bereits seinen ersten und bis 2026 gültigen Vertrag am Wasen unterzeichnet hat, offiziell zwar zum Drittligisten VfB Stuttgart II, trainiert jedoch bei den Profis im Bundesligakader mit. Mit Kevin Kuranyi und dessen Agentur hat er zudem auch  professionelle Berater. „Das war eine ganz neue Welt für mich. Ich empfinde es aber als eine Ehre, beim VfB einen Vertrag zu erhalten“, gibt sich Alex betont bescheiden.

Selbstkritisch und strebsam

„Sportlich habe ich noch Luft nach oben“, sagt der Youngster ebenso  selbstkritisch wie strebsam. Der Fokus liege nun auf dem Profifußball, gibt Alex, der am Gymnasium der Fellbacher Kolpingschulen, einer Kooperationsschule des VfB, unlängst sein Abitur bestand, zu Protokoll – späteres Studium nicht ausgeschlossen. Fokussiert auf den Profisport ist dann auch das Leben des 19-Jährigen ausgerichtet, der jedem hochtalentierten Kicker raten würde, seinen Spuren zu folgen – mit allen Vor- und Nachteilen: „Man gibt viel auf – teilweise unbewusst. Und man muss schon einige Abstriche im Privatleben machen“, sagt Alex Azevedo.

Während die einstigen Klassenkameraden und Freunde feiern, steht bei ihm Training oder ein Spiel auf dem Plan. Allerdings gibt er zu: „Partys und Alkohol waren eh’ nie so mein Ding.“ Umso mehr freut sich der Jungprofi, wenn er hin und wieder mal in Kirchheim alte Schulkameraden von früher trifft. Sein einstiger Bambini-Coach Enzo Minafra bläst in das gleiche sprichwörtliche Horn: „Wenn Alex auf dem Ötlinger Sportgelände vorbeischaut, ist das schon etwas Besonderes.“ Schließlich begann alles im Rübholz.