Nürtingen/Bissingen. Eine Bilderbuchkarriere hat Markus Bachofer im Rugby nicht hingelegt. Einst im Alter von 20 Jahren ein absoluter Späteinsteiger, folgte mit 25 Jahren ein Schien- und Wadenbeinbruch inklusive einer fast eineinhalbjährigen Zwangspause - trotzdem wurde der gebürtige Weilheimer je einmal deutscher Meister und deutscher Pokalsieger mit dem TV/CfR Pforzheim sowie zum zweifachen Nationalspieler.
Mit nicht einmal 30 Jahren endete der Ausflug in die ganz hohen Gefilden dieser wild anmutenden Sportart. Der hohe Aufwand, mit Übungseinheiten in Pforzheim und Auswahltraining in Heidelberg, habe in keinem Verhältnis zum Ertrag gestanden, bilanziert der ehemalige Bundesligaspieler heute. „Ich habe teilweise mehr Stunden auf der Straße zugebracht als daheim“, erinnert sich Bachofer. Eigentlich hatte der einstige Jugendfußballer des SV Nabern und Jugend-Tischtennisakteur des TSV Weilheim danach mit Rugby weitgehend abgeschlossen. „Doch das Feuer brennt wieder“, sagt der Projektleiter eines mittelständischen Weilheimer Unternehmens.
Und das hat einen Grund: 2020 gilt der zweifache Familienvater nämlich als Rugby-Hoffnungsträger im Kreis Esslingen, in der die Sportart ein Nischendasein fristet. Bachofer mischt bei den Tigers, der Rugbyabteilung des TB Neckarhausen, mit. Die neue Laufbahn im Nürtinger Stadtteil entstand dabei eher zufällig. „Eigentlich wollte ich bei den Tigers lediglich das U16-Jugendteam trainieren“, sagt der 1,90 Meter große und rund 115 Kilogramm schwere Routinier.
Alexander Bauer und Steffen Hahn, federführende Tigers-Manager, kennen Bachofer noch aus früheren Tagen gut, sprachen ihn an, ob er sich ein Engagement am Neckar vorstellen könne. Dieser schaute im vergangenen Jahr auf dem alten Neckarhausener Sportplatz bei einer Übungseinheit vorbei und mischte wenig später gleich im Regionalligateam mit. „Rugby in Neckarhausen ist sehr familiär“, lautet Bachofers Urteil. Nach dem ersten Training sei für ihn deshalb klar gewesen, dass er bleibe.
Unlängst bekam sein Wirken noch eine ganz neue Dynamik. Der 30-Jährige übernahm offiziell das Traineramt bei den Tigers, die in der Baden-Württemberg-Regionalliga als SG Rottweil/Neckarhausen unterwegs und derzeit Tabellenvorletzter sind. Der bisherige Coach, Richard Schwarz, hatte sein Amt vor Weihnachten niedergelegt. „Markus hilft uns, etwas aufzubauen“, sagt Tigers-Öffentlichkeitsarbeiter Steffen Erb.
Dabei gehe es zum einen um das Etablieren des Teams in der Sportszene, zum anderen um eine nachhaltige Nachwuchsarbeit - kein einfacher Job, zumal Rugbyspielen wenig mit einem gemütlichen Kaffeekränzchen gemeinsam hat. Blutige Nasen gehören zum Alltagsgeschäft. „Dann heißt es eben Daumen in die Nase, um die Blutung zu stoppen“, empfiehlt Bachofer schmunzelnd. Kürzlich habe sich ein Mitspieler im Match die Nase gebrochen und fast geweint - nicht vor Schmerzen, sondern weil er nicht weiterspielen durfte. Schwere Verletzungen seien freilich weniger häufiger als in anderen Mannschaftssportarten. Wenn‘s kracht oder schmerzt, sind meist Bänder, der Schulter- oder Gesichtsbereich betroffen. „Mein Schien- und Wadenbeinbruch damals am rechten Bein war keine typische Rugbyverletzung, eher eine Verkettung unglücklicher Umstände“, erinnert sich Markus Bachofer.
Kaum üble Zwischenrufe
Potenzial in der Region sieht der neue Tigers-Trainer jedoch trotz dieser vermeintlich abschreckend wirkenden Beispiele. Rugby sei ein „Mentalitätssport“, in dem es zwar hart, aber meist fair zur Sache ginge. „Zudem gibt es kaum üble Zwischenrufe aus dem Publikum wie zum Beispiel beim Fußball“, weiß Bachofer, „den Schiedsrichters anzugreifen, ist undenkbar“, so der Tigers-Coach. Dafür gebe es bereits in der Jugend einen klaren Verhaltenskodex.
In Neckarhausen möchte Markus Bachofer nicht lange auf der lokalen Bühne verharren. „Ich halte bei den Tigers wegen der guten Rahmenbedingungen durchaus die dritte, wenn nicht sogar die zweite Liga für möglich“, sagt er. Luft nach oben haben die Tigers dabei zweifelsfrei: In der Hinrunde der aktuellen Saison gelang lediglich ein Sieg. Reimund Elbe