Ohmden/Esslingen. Alles begann im zarten Alter von elf Jahren. Damals nahm sie ihr sportvernarrter Vater zu einem Eishockey-Spiel nach Kornwestheim mit – von Tempo, Dribblings und Spielwitz im Damen-Duell war die Tochter auf Anhieb begeistert. Doch es muss mehr als ein kindlicher Spleen gewesen sein, dass Ronja Rein anschließend das Eishockeyspiel monatelang nicht mehr aus dem Kopf ging. Als sie über väterliche Kontakte schließlich die Ex-Nationalspielerin, Olympiateilnehmerin und Esslinger Bundesligaspielerin Sabine Rückauer kennenlernte, die ebenfalls in Ohmden wohnt, drängte es die junge Ronja fortan zu mehr als improvisierten Übungseinheiten mit gleichgesinnten Kindern auf Kirchheimer Bürger- oder Wernauer Baggerseen. Voll unterstützt von ihren Eltern, meldete sie sich 2006 bei der Eissportgemeinschaft (ESG) Esslingen an und musste sich dort in der gemischten Nachwuchsmannschaft gegen körperlich robustere Jungs durchsetzen. „Diese Zeit hat mir viel gebracht“, sagt Ronja Rein heute.
Seit der Saison 2010/11 hat die Ohmdener einen Stammplatz in der ersten ESG-Damenmannschaft, wo sie als Verteidigerin regelmäßig mit der Nummer 3 aufläuft. Der kanadische Trainer Ryan Zilla baut fest auf sie, doch nicht nur er: Auch ESG-Kapitänin Helga Pfeiffer, die mit 45 die derzeit älteste Bundesliga-Spielerin ist und an allen fünf Esslinger Meistertiteln in den Achtziger- und Neunziger-Jahren beteiligt war, sieht gutes Entwicklungspotenzial in der 16-Jährigen. „Den Sprung in die Nationalmannschaft irgendwann würde ich bei Ronja nicht ausschließen“, sagt die Reutlingerin über die drittjüngste Mitspielerin im Esslinger Bundesligakader.
Die Chancen, dass Ronja Rein nach ihren Clubkameradinnen Saskia Wirth und Anna Werner (U15) ebenfalls eine Einladung für eine Nachwuchssichtung des Deutschen Eishockey-Verbandes (DEB) erhält (im U18-Bereich), stehen kurzfristig allerdings schlecht. Denn erstens endet die Bundesliga-Saison 2011/12 für die ESG-Damen schon am kommenden Samstag mit dem Heimspiel gegen Spitzenreiter ECDC Memmingen (17.45 Uhr), zweitens taugt die aktuelle Tabelle kaum für ein Bewerbungsschreiben. Mit nur einem Punkt aus 19 Spielen ist die ESG Esslingen das abgeschlagene Schlusslicht im Sechser-Feld. Die Minusbilanz rührt auch daher, dass Team-Star Sabine Rückauer (33) zusammen mit ihrer in Weilheim lebenden Schwester Stephanie Wartosch-Kürten (32), einer weiteren Ex-Nationalspielerin, nach einem internen ESG-Zerwürfnis vor einigen Wochen ihren Rücktritt bekannt gab. Nach eigener Aussage schließt sie ein Comeback zur neuen Saison unter gewissen Voraussetzungen allerdings nicht ganz aus.
Dass die ESG-Damenmannschaft der Konkurrenz derzeit hinterher hinkt, ist in Esslingen deshalb kein Drama, weil ein Abstieg in dieser Saison aus der Bundesliga ohnehin ausgeschlossen ist. Der Spielklasse mangelt es nämlich an wettbewerbsfähigen Mannschaften, jedes Team wird gebraucht. Keinerlei Abstiegsrisiko für die „Pesky Kids“ also – auch deshalb bekommt Ronja Rein beim Eishockey-Thema immer wieder glanzende Augen. „Es gibt keinen besseren Sport für mich als Eishockey“, sagt sie. Zweimal die Woche trainiert sie mit den ESG-Damen, daneben joggt sie regelmäßig durch Wald und Wiesen oder fährt, weil‘s mehr Spaß macht, auf Inlineskatern durch die Gegend. Sie will topfit bleiben – langfristig. „Einige Jahre möchte ich bei der ESG schon noch Eishockey spielen“, sagt sie und unterstreicht nochmals, wie sie das Eishockey definiert: „Es ist ein wundervoller Sport, körperbetont, schnell und gut zum Anschauen.“
Ihre Ode ans Eishockey kommt nicht bei jedermann gut an. „Natürlich wird man als Mädchen, das einen so genannten Männersport betreibt, von manchen Leuten, sogar von jüngeren, schon mal belächelt“, erzählt sie aus ihrem privaten Umfeld. Dennoch seien die kritischen Stimmen insgesamt eher die Ausnahme, auch unter ihren Mitschülern. Fragende Blicke erntet sie höchstens dann, wenn sie vom letzten Eishockey-Spiel ein unliebsames Andenken mitbringt. Etliche blaue Flecken, drei leichte Gehirnerschütterungen und einige Muskelverletzungen hat sie in den letzten zwei Spielzeiten eingefangen – Eishockey ist nun mal kein Schach. Mit den Härten ihrer Sportart hat die 16-jährige Ohmdenerin inzwischen aber kein Problem mehr: Sie sind längst zur Routine geworden.
Wer Eishockey-Bundesliga spielt, muss manchmal leiden.