Die Pandemie hat nicht nur zahlreiche hoffnungsvolle Sportkarrieren vorübergehend auf Eis gelegt. Auch der Kampf gegen Doping war und ist in Zeiten von Corona nicht einfacher geworden. „Jetzt gehen die Vorträge so langsam wieder los“, erklärt Claudia Stähle. Die Jesingerin ist für den Landessportverband Baden-Württemberg (LSV) in Sachen Aufklärung junger Kaderathleten, deren Trainer sowie Eltern unterwegs und lebt bei ihrer Arbeit auch vom persönlichen Kontakt. „Normalerweise sind meine Kollegin und ich im ganzen Land auf Tour und besuchen die Sportler entweder bei Lehrgängen oder in Ausnahmefällen auch mal beim Wettkampf“, berichtet die dreifache Mutter.
Ohne Training und Turniere gab es in den vergangenen eineinhalb Jahren demnach auch keine Vorträge. „Wir haben natürlich versucht einen Teil online abzufangen und im Netz Schulungen angeboten.“ Die Nada, die Nationale Antidoping-Agentur, hat ein E-Learning entwickelt, das von Sportlern selbstständig absolviert werden kann. „Das haben wir bei vielen angeregt und es ist auch gut angenommen worden“, erzählt Claudia Stähle, die das ganze Thema noch aus ihrer eigenen Sportkarriere kennt. Die 42-Jährige gewann in jungen Jahren beinahe alles, was es national und international im Kanurennsport zu gewinnen gab. Größte Erfolge waren zwei Siege bei der Junioren-WM, und im Jahr 2000 war sie als Ersatzfrau für die Olympischen Spiele in Sydney nominiert. Ihr Studium der Sportwissenschaft führte die Jesingerin vor elf Jahren zur Sportmedizin Stuttgart. Dessen Leiter ist der Mediziner und Jurist Professor Dr. Dr. Heiko Striegel, der als Anti-Doping-Beauftragter des LSV ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet ist und sich vor Jahren schon für das Anti-Doping-Gesetz ausgesprochen hat.
Weniger Kontrollen als sonst
Dass Doping stets ein heißes Thema ist, belegen die Schlagzeilen, die es immer wieder über positive Fälle gibt. Dazu meldet die Welt-Antidoping-Agentur, dass es in Pandemiezeiten weitaus weniger Kontrollen gab als sonst. „Das ist ein heikles Thema“, will sich Claudia Stähle dazu gar nicht weiter äußern, zumal ihre Arbeit viel früher ansetzt und verhindern soll, dass es überhaupt so weit kommt. Deshalb ist zum Beispiel das Thema Selbstbestimmtheit in ihren Vorträgen ein äußerst wichtiges. „Dabei geht es aber gar nicht so sehr um die tatsächliche Situation, wenn alle um einen herum etwas nehmen und dadurch der Druck steigt, es auch zu tun. Wir setzen bei den jungen Sportlern schon beim Thema Nahrungsergänzungsmitteln an“, erklärt die Sportwissenschaftlerin. Es solle gar nicht erst die Gewohnheit entstehen, sich regelmäßig irgendwas einzuwerfen. Auch wenn die Zusätze zunächst einmal gar nicht schädlich sein mögen. „Da müssen die Nachwuchsathleten lernen nein zu sagen.“ Das sei aber sicherlich nicht einfach. Denn je nach Sportart und Niveau wird vieles vorgegeben. „Da sind junge Menschen in einem System drin.“ Zu diesem gehört in Deutschland aber genauso die Präventionsarbeit, und Claudia Stähle schätzt, dass diese in Zukunft noch mehr zur Pflicht wird. „In manchen Sportarten wird man zum Beispiel nur zur Deutschen Meisterschaft zugelassen, wenn man nachweisen kann, eine Präventionsschulung besucht zu haben. Das wird zukünftig sicherlich noch auf weitere Sparten ausgeweitet.“
Für die Sportler hat das große Vorteile, denn vor allem die Doping-Fallen sind es, die vielen zum Verhängnis werden. „Ein Riesenthema ist, was im Krankheitsfall zu tun ist. Welche Medikamente sind okay? Welche nicht?“, zählt die 42-Jährige auf. Ein großes Problem seien auch besagte Nahrungsergänzungsmittel. „Es kommt immer wieder vor, dass Präparate verunreinigt sind und man dadurch Substanzen zu sich nimmt, die verboten sind“, klärt Claudia Stähle auf.
Da sie oft auch vor sehr jungen Sportlern referiert, denen die Tragweite eines Dopingfalles vielleicht noch gar nicht so klar ist, macht die Sportwissenschaftlerin die Problematik gleich auf mehreren Ebenen deutlich. „Wir sprechen über die rechtlichen Folgen, die sozialen, die gesundheitlichen und die finanziellen. Unter Umständen ist die Karriere vorbei. Da kommt schnell die Frage auf, ob es das wirklich wert sein kann.“
Pflichten werden mehr
Im Vergleich zu früher hat der Sportler inzwischen viel mehr Pflichten im Rahmen des Anti-Doping-Kampfes. „Als ich noch aktiv war, bekam man einen Anruf, dass man sich in einer Stunde trifft. Durch meine Arbeit weiß ich inzwischen, was in dieser Stunde alles vertuscht werden konnte. Heute hat der Sportler eine sogenannte Meldepflicht, er muss immer angeben, wo er ist“, erklärt Claudia Stähle. Die jungen Athleten, die unter anderem aus den Bereichen Kanu, Wasserball, Schwimmen, Leichtathletik, Turnen, Radball, Kunstrad, Tennis, Eiskunstlaufen, Triathlon, Handball und Volleyball kommen, hören den Vortrag im Laufe ihrer Sportlerkarriere mehrfach. „So stellen wir sicher, dass wir den Nachwuchs auf jeden Fall erreichen und bekannt ist, was im Rahmen des Erlaubten geht und was nicht.“
App bringt Sportler auf den aktuellen Stand
In der heutigen Zeit haben Athleten vielfältige Möglichkeiten, sich selbstständig in Sachen Doping auf den neusten Wissensstand zu bringen. Zum einen gibt es eine App der Nada, der deutschen Anti-Doping-Agentur, die stets aktuell gehalten wird. Dort findet sich eine medizinische Datenbank, die Auskunft über die Dopingrelevanz von verschiedenen Medikamenten gibt. Im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel hilft die so genannte Kölner Liste. Dort sind viele Präparate mit Chargennummer aufgeführt, die einer Kontrolle in Hinblick auf Verunreinigungen unterzogen wurden.
Auf der Homepage www.gemeinsam-gegen-doping.de – eine Initiative der Nada – finden junge Sportler ebenfalls sämtliche Informationen rund um das Thema Doping. Aber auch Trainer und Eltern werden gezielt angesprochen, denn sie bilden das Umfeld, in dem ein junger Sportler heranreift. Leicht verständlich werden hier in verschiedenen FIlmen etliche Aspekte erklärt. Zum Beispiel wie eine Kontrolle abläuft, wie das Kontrollsystem weltweit aufgestellt ist und was passiert, wenn Betreuer oder Trainer mit Doping in Verbindung stehen. Außerdem gibt es etliche Interviews sowie einen Film über den ehemaligen Radprofi Tyler Hamilton, der 2009 des Dopings überführt und für acht Jahre gesperrt wurde. Er berichtet, dass er sich mehr darum gekümmert hat, nicht erwischt zu werden, als Rennen zu gewinnen, „Das alleine sagt ja schon alles“, sagt Claudia Stähle, die den FIlm bei ihren Vorträgen gerne zeigt. sl