Der Weg zum Trainingsplatz nur wenige Meter, im Fernsehen aktuell Anschauungsunterricht vom Feinsten, zur Not online spielen: Die E-Darts-Bundesligaspieler der TG Kirchheim haben es im neuerlichen Lockdown auf den ersten Blick deutlich leichter als Sportler anderer Disziplinen. „Nachdem die Runde Anfang November unterbrochen worden war und keine gemeinsamen Übungseinheiten im TG-Vereinsheim mehr möglich waren, trainieren wir einfach täglich im Wohnzimmer, Arbeitszimmer oder Hobbyraum“, berichtet Michael Benz. Der aus Owen stammende Routinier leitet die Dartsabteilung der TG Kirchheim und weiß die relativ privilegierte Situation in Pandemiezeiten zu schätzen. Es sei im Dartsport eben ein enormer Vorteil, dass Trainingseinheiten nicht in Abhängigkeit von einem bestimmten Ort stattfinden können. Einige Akteure hätten zu Hause sowieso schon E-Darts-Automaten aufgestellt, andere übten an einer gewöhnliche Steel-Darts-Scheibe.
„Es geht darum, die Darts zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu werfen“, erklärte einst augenzwinkernd der niederländische Topspieler Roland Scholten treffend den Spielzweck. Zwei Meter und 37 Zentimeter muss jenes Zielobjekt laut Reglement von der Abwurfstelle entfernt sein. Viel Platz, wie ihn etwa Tänzerinnen und Tänzer daheim in Lockdownzeiten benötigen (wir berichteten), ist folglich nicht erforderlich.
Michael Benz baute 2017 zusammen mit Mitstreitern wie Saki Malatun die Darts-Abteilung der TG Kirchheim auf, schraubte die Mitgliederzahl auf über 60, binnen drei Jahren gelang dem klubinternen Topteam „Breaking Darts“ der Sprung in die Bundesliga Südwest. Zum Kader gehören unter anderem der Kirchheimer Florian Blankenhorn, Patrick Höhl aus Wendlingen sowie der in Aichelberg wohnenden Owener Dominik Bauer.
Nicht nur wegen der passablen Trainingsmöglichkeiten in Pandemiezeiten haben Kirchheims Darter derzeit bessere Karten. Als Motivationspille wirkt die aktuelle laufende Weltmeisterschaft im legendären Alexandra Palace in London, im Fachjargon kurz „Ally Pally“ genannt. Zwar diesmal ohne Fans, jedoch mit hochkarätigen Matches, wie jenes am Montagabend zwischen den Deutschen Gabriel Clemens und Nico Kurz (3:2) - zwei Namen, die den Kirchheimern bestens bekannt sind. „Gegen die beiden haben viele von uns schon gespielt“, sagt Saki Malatun, Teamleiter der Bundesligamannschaft. Er selbst kreuzte gar einst schon die Wege des aktuell Weltranglistenzehnten Ian Wright, in jüngeren Jahren die des fünffachen Weltmeisters Raymond van Barnefeld. „Natürlich lässt sich bei uns niemand die Weltmeisterschaft am Bildschirm entgehen“, so Malatun zum willkommenen Motivationsbringer.
Und noch ein Punkt gestaltet der Dartsszene aktuell das Leben etwas angenehmer: Im Onlinebereich tummeln sich derzeit noch mehr Sportler als sonst. Via Internet werden Live-Partien austragen, eine ausgetüftelte Technik (zum Beispiel Lichtschranken) sorgen für echte Wettkampfatmosphäre.
Doch vom Entspannungsmodus sind die Kirchheimer Darts-Verantwortlichen fast ebenso weit entfernt, wie andere Sporttreibende. Gemeinsame Trainingsabende fallen ebenso flach wie Punktspiele und Präsenzturniere. „Wir sind in dieser Hinsicht in derselben Situation wie andere Sportarten, denn wir können genauso wenig einschätzen, wie viele Spielerinnen und Spieler nach dem Ende der Pandemie noch dabeibleiben und ob neue hinzukommen“, blickt Michael Benz nachdenklich voraus. An dieser problematischen Lage können Onlineturniere, Trainingsabende im Wohnzimmer und TV-Übertragungen von Topturnieren nur wenig ändern.