Kirchheim. Erst hui, dann pfui – die Oberligakicker des VfL haben ihre Fans in den vergangenen fünf Spielen auf eine regelrechte Achterbahn der Gefühle mitgenommen. Jedem Sieg folgte postwendend eine Niederlage. Fast schon gebetsmühlenartig versucht der für die Spieler verantwortliche Mann dies zu erklären. „Wir stecken diese Saison in einem Umbruch, versuchen den Kader so aufzustellen, dass die Spieler variabel einsetzbar sind“, so Rainer Kraft, der teils aus taktischen, teils aus verletzungstechnischen Gründen in fast jedem Spiel Veränderungen an der Startelf vornimmt. So schwer auszurechnen der VfL dadurch für seine Gegner auch sein mag, so selten läuft eine eingespielte und aufeinander abgestimmte Elf auf.
Um trotz einer derart hohen Fluktuation zu bestehen, bedarf es klarer Ansagen an jeden Einzelnen. Das weiß auch Kraft. „Wir können nur Erfolg haben, wenn jeder Spieler die Aufgabe annimmt und löst, die wir ihm geben“, betont er. Gelungene Beispiele dafür, wie die ersten 70 Minuten des Spiels gegen Waldhof Mannheim, als man 2:0 führte, oder das jüngste Auftreten in Linx (2:0) gibt‘s dabei genauso zuhauf wie komplette Gegenentwürfe: Die letzten 20 Minuten gegen Mannheim, als es noch vier Gegentore hagelte oder das Match gegen Walldorf (0:1). Kein Wunder, dass Rainer Kraft das weitere Abschneiden seiner Mannschaft auf eine simple Formel zusammenfasst. „Wenn wir nochmal so spielen wie über weite Strecken gegen Mannheim, haben wir mit dem Abstieg nichts zu tun.“ Die Rechnung scheint aufzugehen, nachdem der VfL gegen Linx just mit der Spielweise erfolgreich war, die auch Waldhof vor drei Wochen lange verwirrte: Mittels Ballkontrolle den Gegner in die eigene Hälfte locken, um im richtigen Moment in die Lücken zu stoßen.
Was einfach klingt, bedarf auf holprigem Geläuf wie dem im Kirchheimer Stadion jedoch vor allem eines: Geduld. Dass es damit beim kritischen Publikum an der Jesinger Allee allerdings nicht allzu weit her ist, macht Krafts Job nicht leichter. Doch der 48-Jährige lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, hält an seiner auf Nachhaltigkeit angelegten Taktik fest. „Wir wollen weg vom Hurra-Fußball, hin zu einer Spielkultur, die uns langfristig Erfolge bringt“, sagt er.
Den ersten Schritt zu langfristige(re)m Erfolg können die Kirchheimer morgen im Heimspiel gegen den VfB Neckarrems machen. Die Mannschaft aus dem Remsecker Teilort, die innerhalb von zwei Jahren den Durchmarsch aus der Landes- in die Oberliga schaffte, hat bislang eine dem VfL nicht unähnliche Berg- und Talfahrt hingelegt. Von den letzten zehn Begegnungen gewann der VfB nur zwei, hat dabei aber immerhin den Tabellenfünften Illertissen geschlagen und dem Vierten Walldorf ein Remis abtrotzt. Als „Wundertüte“, schätzt Rainer Kraft den Gegner ein, der mit 19 Punkten auf Platz 17 in akuter Abstiegsgefahr schwebt – eine Tatsache, die der VfL nutzen will. „Wir müssen das Spiel nicht mit aller Gewalt machen“, taktiert Kraft, „je länger es 0:0 steht, umso mehr gerät der Gegner unter Druck und umso mehr Fehler macht er.“ Doch Vorsicht: Neckarrems hat zwar erst vier Saisonsiege, drei davon gelangen jedoch auf des Gegners Platz.
Personell sieht‘s beim VfL derzeit alles andere als rosig aus. Die Rotsperren von Mario Klotz und Marcel Hofstetter sind zwar abgelaufen, beide haben verletzungsbedingt jedoch Trainingsrückstand. Ferdi Er gibt der medizinischen Abteilung der Teckstädter mit Hüftbeugerproblemen weiter Rätsel auf, während Benjamin Barth nach Adduktorenproblemen das Dienstagstraining abbrechen musste. Richtig schlimm erwischt hat es Maximilian Laible: Für den 25-jährigen Stürmer ist die Saison nach einem Adduktorenabriss, den er vergangene Woche im Training erlitten hatte, vorbei. Dabei stand Laible, der in der bisherigen Saison zu 14 Einsätzen und vier Toren gekommen war, nach längerer Verletzungspause kurz vor der Rückkehr in die Mannschaft.
Laibles Ausfall schwächt die ohnehin nicht üpigg besetzte VfL-Sturmriege zusätzlich. Bezeichnenderweise hat sich Rainer Kraft schon mal nach Ersatz umgeschaut. Vor zehn Tagen nahm er den Böblinger Landesligastürmer Christian Mijic beim SVB-Heimspiel gegen Metzingen unter die Lupe. Da hinter dem 20-Jährigen offenbar auch Regionalligisten her sind, schätzt Kraft die Chancen, dass Mijic zum VfL wechseln würde, auch eher gering ein.
Die (Tor-)Kohlen müssen vorerst andere aus dem Feuer holen, gegen Neckarrems spricht vieles dafür, dass der VfL zum vierten Mal in Folge ohne nominellen Stürmer spielt und sich Spieler wie Uwe Beran und Sabri Gürol im Angriff abwechseln – Überraschungen in der Startelf sind jedoch nicht ausgeschlossen.