Sportschießen
Yusuf Dikec: Wie ein ehemaliger Ötlinger zum Internet-Star wurde

Der langjährige TSVÖ-Bundesligaschütze aus der Türkei wird nicht nur für sein Olympia-Silber gefeiert.

Yusuf Dikec stellt seinen „Style“ nach.  Foto: pr

Yusuf Dikec hat sich in den vergangenen Tagen zu einer Internetsensation entwickelt. Der türkische Sportschütze gewann bei den Olympischen Spielen in Paris im Mixed-Wettbewerb mit der Luftpistole auf die Zehn-Meter-Distanz die Silbermedaille. Doch nicht dieser Erfolg allein machte den zweimaligen Weltmeister weltberühmt. Der langjährige Bundesligaschütze des TSV Ötlingen begeisterte mit seiner – scheinbar lockeren – Art zu schießen. Zahlreiche Artikel weltweit wurden über ihn geschrieben, sein Auftritt hat ihn zur Grundlage vieler Memes im Internet werden lassen.

Besonders ein Bild wurde zum Symbol seiner ganz eigenen Technik und hat sich schnell verbreitet. Der 51-Jährige kam in Paris ohne jegliche Spezialausrüstung aus, verzichtete im Gegensatz zum Großteil seiner Konkurrenten auf eine Schießbrille und schallschützende Kopfhörer. Nur mit kleinen Ohrstöpseln ausgestattet, stand er, die rechte Hand im Anschlag, die linke, freie Hand in der Hosentasche zur Stabilisation am Schießstand und lieferte Weltklasseleis­tungen ab. Bilder seiner Kontrahenten, die mit ihrer Ausrüstung für Nicht-Schützen fast schon futuristisch wirken, und ihm im Vergleich gehen seit Tagen in den sozialen Medien um die Welt. Zumal Stabhochsprung-Ikone Armand Duplantis aus Schweden Dikecs lockeren Stil bei seinem Weltrekord-Gold-Jubel imitierte.

15 Jahre lang beim TSV Ötlingen

Einer, für den dieser Auftritt jedoch keine große Überraschung war, ist Joachim Poppek. Der langjährige, ehemalige Vorsitzende der Schützen des TSV Ötlingen, holte Dikec vor fast 20 Jahren in die Bundesligamannschaft seines Vereins. „Er hat eine sehr aufgeräumte Art zu schießen und beschränkt sich bei den Hilfsmitteln auf das Mindeste“, weiß Poppek. Ab 2005 bis 2020 war Dikec, der als Soldat beim türkischen Militär angestellt war, für die Ötlinger in der Bundesliga mit Unterbrechungen im Einsatz – immer dann, wenn seine dienstlichen Verpflichtungen und seine Einsätze bei internationalen Wettkämpfen es zuließen. „Am Anfang, als die Gegner in der Bundesliga ihn noch nicht kannten, hat er auch da für Irritationen gesorgt“, erzählt Poppek lachend. Auch dank Dikecs außergewöhnlichen Leistungen hielten sich die Ötlinger 20 Jahre lang im deutschen Oberhaus. „Er ist einfach ein Weltklasseschütze“, sagt Poppek.

Rummel wird immer größer

Mit der Silbermedaille hat der ehemalige Ötlinger nun einen neuen Karrierehöhepunkt erreicht. „Ich freue mich für ihn, dass er Anerkennung findet. Das war eine sehr starke Leistung“, sagt Poppek. Auch für seine Sportart insgesamt sieht der langjährige Funktionär die neu gewonnene Aufmerksamkeit positiv. Denn außer alle vier Jahre zu den Olympischen Spielen fristen die Sportschützen doch ein Schattendasein. „Nicht mal Welt- oder Europameisterschaften stoßen auf großes Interesse“, sagt Poppek. Der Rummel, der vor allem in den sozialen Medien entstanden ist, nimmt inzwischen schon fast groteske Züge an. Ständig tauchen im Internet neue, humoristische Bildcollagen auf, deren Inhalt sich immer weiter von der sportlichen Leistung wegbewegen. „Diese Übertreibung stößt mir schon ein bisschen negativ auf, aber das muss wohl so sein“, sagt Poppek.

Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass man Dikec in der Region wieder live im Einsatz zu sehen bekommt, auch wenn die Rübholz-Schützenriege aktuell nicht mehr in der ersten Liga antritt. In der zweiten Liga bauen sie gerade eine neue, junge Mannschaft auf. Mittelfristig schielen die Ötlinger wieder in Richtung erste Liga. Dann vielleicht auch mit dem Silbermedaillengewinner aus der Türkei? „Wenn es zeitlich machbar ist, schieße ich gerne wieder für Ötlingen“, hatte Dikec Joachim Poppek erst vor ein paar Monaten beim Weltcup in München versprochen. Michael Oehler