Lokalsport
Zur falschen Zeit am rechten Fleck

Basketball Für ersatzgeschwächte Knights kommt ein Gegner wie Tübingen beim 86:98 in der Göppinger EWS-Arena zu früh. Mehr als 4000 Zuschauer bescheren den Kirchheimern einen historischen Abend. Von Bernd Köble

Hämmernde Beats, Nebelschwaden und der Lichtschein zahlloser Handys, die das weite Rund in einen künstlichen Sternenhimmel verwandelten. Es war ein magischer Moment, als am Samstagabend in der Göppinger EWS-Arena das Licht ausging und die Bühne frei war für ein Basketballspiel, dass es so aus Kirchheimer Sicht noch nie gegeben hatte. Weil sich draußen noch immer etliche Fans an der Kasse drängten, begann die neue Saison für die Knights mit zehnminütiger Verspätung. Am Ende waren es mehr als 4000 Fans auf den Rängen. Eine Zahl, die niemand für möglich gehalten hatte. Nicht in Quakenbrück, Leverkusen oder Bremerhaven spielte an diesem ersten Spieltag in der Pro A die Musik, sondern hier bei den Knights in Kirchheims Nachbarstadt.

Paul Giese gegen drei Tübinger - Die Knights wachten erst in der zweiten Hälfte des Spiels auf. Foto: Tanja Spindler

Es hätte ein rauschendes Fest werden können, hätte der Erfolg dieses außergewöhnlichen Abends nicht aus zwei Teilen bestanden. Denn das komplett neuformierte Team, das Headcoach Igor Perovic aufs Parkett schickte, hatte offenbar vergessen, dass es an diesem ersten Spieltag auch um Basketball ging. Als Perovic beim Stand von 4:21 nach knapp mehr als sechs Minuten bereits zum zweiten Mal die Uhr stoppte, zeichnete sich für die Gastgeber ein Debakel ab. Ein hypernervöser Beginn, keinerlei Zugriff auf den Gegner, verzweifelte Einzelaktionen – Kirchheims Spielmacher Richie Williams, der verletzt auf der Bank saß, dürfte in diesem Moment Mitleid gezeigt haben mit seinem neuen Kollegen Michael Flowers, der in der ungewohnten Spielmacherrolle defensiv wie offensiv völlig überfordert war. Dass Flowers der Mann war, der dieses Spiel mit vier Dreiern beim 73:78 im Schlussviertel fast noch gedreht hätte und mit 26 Punkten als Topscorer vom Parkett ging, ist eine weitere verrückte Geschichte dieser Auftaktbegegnung.

Igor Perovic war wohl der einzige, den dieser Aspekt nach der Schlusssirene unbeeindruckt ließ. Das 86:98 gegen eine hoch überlegene Tübinger Mannschaft erschien am Ende zwar weniger dramatisch, als es der Verlauf über weite Strecken befürchten ließ. Die zweite Hälfte nach der Pause entschieden die Knights sogar knapp für sich. Die Frage, was er an Positivem aus dieser Partie mitnehmen werde, ließ Kirchheims Trainer mit versteinerter Miene allerdings unbeantwortet. „Bei uns hat heute fast keiner die Intensität mitgebracht, die man braucht, um ein Spiel zu gewinnen.“ Das Resultat spiegele die tatsächlichen Kräfteverhältnisse kaum wider, betonte Perovic, der seinem Gegenüber Daniel Jansson zu einem „zu hundert Prozent verdienten Sieg“ gratulierte.

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„Wir haben bei Tübingen heute gesehen, was eine eingespielte Mannschaft ist,“ meinte Kirchheims Coach, der ohne die verletzten Richie Williams, Besnik Bekteshi und Tim Koch mit einer Achter-Rotation ins Spiel gehen musste. Gegen einen Gegner, der als amtierender Vizemeister auf sieben Positionen unverändert in die neue Saison gestartet ist. Ob er jemals geglaubt habe, dass dieses Spiel noch kippen könnte? „Kirchheim hat uns in der zweiten Hälfte enorm unter Druck gesetzt,“ meinte Daniel Jansson. „Wir sind jedoch lange genug beisammen und haben Situationen wie diese in der vergangenen Saison schon häufig durchgestanden.“

Anders die Kirchheimer, bei denen mit Tyrone Nash und Thomas Laerke zwei auf dem Spielfeld standen, die erst zu Wochenbeginn zur Mannschaft gestoßen waren. Die Knights folglich eine Halbzeit lang nur in der Zuschauerrolle. Tübingen, vor allem am offensiven Brett bis zur Pause drückend überlegen, ließ Ball und Gegner laufen, sicherte sich immer wieder zweite Chancen und erstickte Kirchheimer Offensivbemühungen meist schon im Keim. Die Folge: ein 30:16 nach dem ersten Viertel, zur Halbzeitpause stand es 37:54.

Trieb seine Mannschaft unermüdlich an: Jonas Niedermanner war eine der positivsten Erscheinungen im Auftaktspiel. Foto: Tanja Spindler

In der zweiten Hälfte legte Kirchheim seine Nervosität allmählich ab und das Publikum war da. Vor allem Jonas Niedermanner, der seine Rolle als emotionaler Leader der Mannschaft an diesem Abend dick unterstrich und die Fans bei jedem Ballgewinn mit wilden Gesten aufstachelte, war ein Lichtblick. Auch Tyrone Nash, mit 34 Jahren der Erfahrenste auf dem Parkett, deutete mit 16 Punkten und vier Rebounds an, dass er in dieser Saison zum Faktor werden könnte.

Knights-Sportdirektor Chris Schmidt zeigte sich nach Spielende deutlich positiver gestimmt als sein Coach. „Mir war klar, dass wir irgendwann zur Ruhe kommen und ins Spiel zurückfinden würden,“ sagte er. „Ich denke, wir haben heute gesehen, dass Qualität in dieser Mannschaft steckt. Was wir jetzt brauchen, sind gesunde Spieler und etwas Zeit.“