Lokalsport
Zwischen Verständnis und Verdruss

Skisport Der Lockdown in den Alpen sorgt auch bei Vereinsvertretern rund um die Teck für große Unsicherheit, ob und wie eine Saison noch möglich ist. Von Helge Waider

"Am Freitag auf’d Nocht montier’ I die Schi“ - es gibt wohl kaum einen Ski- oder Snowboardfahrer, der die Anfangszeilen von Wolfgang Ambros’ Kultsong „Skifoan“ nicht kennt. In dieser Saison könnte das Unterfangen der körperlichen und psychischen Ertüchtigung auf den Brettl’n ein Schwieriges werden - von der Zerstreuung beim Après-Ski ganz zu schweigen. Die meisten Skigebiete in den Alpen sind geschlossen und werden es aufgrund der Pandemie möglicherweise auch noch länger bleiben (siehe Info-Kasten). „Völlig richtig“, sagen nach einer Umfrage fast drei Viertel (73,8 Prozent) der Deutschen. Nur 19,5 Prozent halten es für falsch. Doch wie sehen es die Wintersportler in und um Kirchheim?

„In meiner Brust schlagen zwei Herzen“, gibt Bruno Panni unumwunden zu. Den stellvertretenden Vorsitzenden der Schneelaufvereinigung Lenninger Tal (SVL), selbst Skilehrer, juckts einerseits mächtig in den Zehen. Lieber heute als morgen würde er die Alpenpisten hinunter gleiten und sein Können weitergeben. Allerdings, so gibt er zu verstehen, müsse man andererseits jetzt vernünftig sein und verzichten: „Sonst begleitet uns die Pandemie noch länger.“

Ähnlich sieht es auch Doris Imrich, Vorsitzende des VfL Kirchheim: „Wir müssen und werden den Lockdown in den Alpen akzeptieren. Es ist die richtige politische Entscheidung gewesen.“ Für den von ihr geleiteten Großverein mit über 4000 Mitgliedern müsse sie aber Alternativen anbieten, um weiteren Mitgliederschwund zu vermeiden: „Wir werden Langlauf und Schneeschuhwanderungen auf der Alb anbieten, sofern es die Schneelage zulässt.“

Noch einen Schritt weiter geht Hans-Joachim Brenner. Der Vorsitzende des Stadtverbands für Leibesübungen ist in Personalunion auch Skilehrer und Abteilungsleiter Ski im VfL. Ihm schwebt ein Hygienekonzept für die Nutzung von Schleppliften auf der Alb vor: „Das müsste möglich sein und könnte umgesetzt werden.“ Auf diese Weise, so Brenner, könnten wenigstens die Kinder in den Genuss des Skifahrens kommen.

Thomas Allmendinger geht das nicht weit genug. Der Vorsitzende des TSV Jesingen bedauert den Alpen-Lockdown. Mit einem guten Hygienekonzept, ist sich der Jesinger sicher, könnten die Vorgaben eingehalten werden - mit Zugangsbegrenzungen und natürlich ohne Après-Ski: „Wenn es eine Möglichkeit gibt, stehen wir mit dem TSV Jesingen kurzfristig parat.“ Nüchterner sieht es sein Vereinskamerad Holger Dworak. Der einstige Finanzchef der Jesinger, selbst passionierter Schirgler, macht eine klare Rechnung auf: Das Virus überträgt sich mittels Kontakt, Skifahren heißt aber - zumindest im Lift und beim Anstehen: Kontakt. Das Resultat: keine alpinen Skiaktivitäten.

Bereits fündig geworden auf der Suche nach Alternativen ist Tom Müller. Für den einstigen Sandboarding-Weltmeister und passionierten Snowboarder und Skifahrer ist der Lockdown das Mittel der Wahl, weil Abstände nicht einzuhalten sind. „Ich betreibe aktuell alternative Sportarten, bin mit dem Mountainbike unterwegs und bei ordentlicher Schneelage gehe ich mit dem Kiteschirm auf die Freiflächen der Alb. Da habe ich auch Ski angeschnallt.“

„Verzicht üben - auch wenn es schwerfällt“, heißt es auch für Moritz Hönig. Der Leiter des VfL-Sportvereinszentrums hält Hygienevorschriften - insbesondere die Abstandwahrung - beim alpinen Skifahren für nicht durchführbar: „Auf der Piste ist ja alles okay, aber beim Anstehen und im Sessellift oder gar in der Gondel und selbst beim Gang zur Toilette ist das alles nicht machbar.“

Traurig ist auch Marlon Lamour. Der Konrektor der Kirchheimer Teck-Realschule wollte mit seinen Kindern in die Alpen: „Letztes Jahr haben beide Skifahren gelernt. Jetzt wären sie reif für den Skiurlaub gewesen“, berichtet der ehemalige Kicker und Funktionär im TV Neidlingen. Den Lockdown in den Alpen stellt er freilich nicht infrage. Vielmehr hat er Hoffnung, dass sich die Situation im späten Frühjahr merklich entspannt hat.

„Ich fahre seit über 50 Jahren Ski und mir fehlt jetzt ­etwas“, gibt 3K-Wirt und Kreisrat ­Michael Holz Einblicke in sein Seelen­leben. „Après-Ski ist mir egal. Ich will mich beim Skifahren sportlich betätigen“, outet sich der Gastronom, der zu bedenken gibt, dass vor allem seine Branche leide. „Ich habe in den Skigebieten viele Bekannte und Freunde unter den dortigen Gastronomen. Denen geht es richtig schlecht.“

Unterm Strich sind es gut zwei Drittel der Befragten, die den Lockdown in den Alpen gutheißen oder zumindest für notwendig oder alternativlos erachten. Eigentlich tickt Kirchheim und Umgebung also kaum anders als der Rest von Deutschland - auch wenn die von Wolfang Ambros beschriebene Sehnsucht bei allen unüberhörbar war: „Weil Schifoan is des leiwaundste wos ma si nur vurstelln kann.“