Serie Bahnprojekt

Urlaubsstimmung auf der Baustelle

Das Ehepaar Kaltenböck aus der Steiermark ist begeistert vom Tunnelbau

Das Ehepaar Kaltenböck auf der Baustelle bei Aichelberg. Michaela Kaltenböck ist oft mit der Kamera vor Ort, um den Baufortschri
Das Ehepaar Kaltenböck auf der Baustelle bei Aichelberg. Michaela Kaltenböck ist oft mit der Kamera vor Ort, um den Baufortschritt zu dokumentieren. Im Hintergrund sind die Tübbinge, also die Einzelteile der Tunnelröhre, zu sehen.Foto: Jean-Luc Jacques

Aichelberg. Wenn man mit Michaela und Anton Kaltenböck an einem Tisch sitzt, fühlt man sich schlagartig wie im Urlaub. Das liegt an der

Heike Allmendinger

charmanten österreichischen Sprache der Eheleute aus der Steiermark, die viel lachen und sehr locker sind.

Seit Herbst 2013 leben und arbeiten die beiden in der Region: Sie sind beteiligt am Jahrhundertprojekt ICE-Neubaustrecke. Er ist Bauingenieur und technischer Leiter im Innendienst; sie hat Architektur studiert und ist Mitglied des Teams, dem er als Leiter vorsteht. Ihre Büros befinden sich direkt nebeneinander im Bürocontainerkomplex auf dem Baustellenareal bei Aichelberg. Im Team von Anton Kaltenböck geht es viel um Verträge mit dem Bauherrn, also der Bahn, mit den Planern und mit Nachunternehmern – und damit natürlich um Geld. Etwa 640 Millionen Euro soll der Bau des Boßler- und des Steinbühltunnels bei Hohenstadt kosten. Die Erdbauarbeiten bei Aichelberg eingeschlossen.

Anton Kaltenböck hat darauf zu achten, dass die Kosten eingehalten werden und dass sie gedeckt sind. „Wir müssen so bauen, wie es der Bauvertrag vorgibt“, betont der 42-Jährige. Immer wieder komme es vor, dass unvorhergesehene Dinge passieren und dem Bauvertrag deshalb nicht entsprochen werden kann. „Vor allem im Erdbau gibt es die eine oder andere Überraschung, im Tunnelbau weniger.“ In der Regel handelt es sich aber um Kleinigkeiten, die kein größeres Problem darstellen. Wenn zum Beispiel eine Wasserleitung umgelegt werden muss oder ein Schacht im Weg steht, wird dies der Bahn gemeldet. Die notwendigen Maßnahmen müssen vom Bauherrn genehmigt werden. Dann erst können die Arbeiten fortgesetzt werden.

Im Blick behalten müssen der 42-Jährige und seine Mitarbeiter auch den Zeitplan: „Bis Februar 2019 soll alles freigegeben sein.“ Anschließend erfolgt der Ausbau der Gleise; doch damit haben die Eheleute Kaltenböck nichts mehr zu tun.

Neben der Erstellung zum Beispiel von Grundrissplänen für diverse Baustelleneinrichtungen ist Michaela Kal­tenböck dafür zuständig, den Baufortschritt in Bildern zu dokumentieren. Regelmäßig ist sie mit ihrer Kamera bei den Mineuren im Tunnel vor Ort.

Nach ihrem Studium hat Michaela Kaltenböck in Architekturbüros gearbeitet. Zum Tunnelbau kam sie durch ihren Mann. Er ist berufsbedingt viel auf dem Erdball unterwegs – das wurde irgendwann zur Belastung für das Paar. Als Anton Kaltenböck eines Tages ein Angebot in Singapur erhielt, war für ihn klar: „Ich mache es nur, wenn dort auch meine Frau einen Job erhält.“ Und das hat geklappt: Zweieinhalb Jahre verbrachten sie zusammen in Südostasien. Jetzt arbeiten sie auf und am Fuße der Schwäbischen Alb, die sie lieb gewonnen haben. „Die Landschaft hier hat einen so urzeitlichen Charakter. Das gefällt mir sehr gut“, schwärmt die 37-Jährige. Das Paar, das in Bad Boll wohnt, hat sämtliche Berge in der Region bereits erwandert, es ist gerne mit dem Rad unterwegs und besucht regelmäßig den Kirchheimer Wochenmarkt. Auch der Obstanbau und die Whiskyproduktion in Owen haben es den beiden angetan.

Anton Kaltenböck bezeichnet sich selbst als „tunnelbauinfiziert“. Das war allerdings nicht immer so. Nach dem Studium hatte er eine Zusage im Bereich Seilbahnbau in Südtirol in der Tasche. Doch der Zufall wollte es anders. Ein Kumpel nahm ihn zu einer Barbarafeier mit, bei der die Bergarbeiter zu Ehren der Schutzpatronin im Tunnel feiern. „Dort habe ich meinen ehemaligen Professor getroffen, der mich fragte, ob ich schon eine Arbeitsstelle habe“, erinnert sich der 42-Jährige, der ihm daraufhin von seiner Zusage erzählte. „A ge was“, winkte dieser ab und stellte seinen früheren Studenten prompt dem Chef des Tunnelbauunternehmens vor. Südtirol war damit passé.

Wie auch die anderen Beschäftigten auf der Baustelle fiebert das Ehepaar Kaltenböck nun dem Zeitpunkt entgegen, zu dem die große Tunnelvortriebsmaschine am Portal Aichelberg endlich zum Einsatz kommt. „Ich habe das zwar schon öfter erlebt“, erzählt der Bauingenieur. Aber es sei trotzdem immer wieder ein besonderes Ereignis, wenn sich die „imposante Gerätschaft“ in den Berg frisst. Im Hinblick auf die Anwohner versichert der Experte: „Es gibt keine Vibrationen, keinen Knall und keine Sprengerschütterungen.“

Dass sich die beiden praktisch rund um die Uhr sehen, stellt für das Paar kein Problem dar. „Es gab noch keine Reibereien“, sagen sie unisono. Abends nach Feierabend wird oft über die Arbeit gesprochen. Schließlich handelt es sich um keine 08/15-Tätigkeit. „Es ist anspruchsvoll und keine Routine“, sagt der Bauingenieur. Jeder Tunnel sei ein Unikat, denn „die Geologie ist nie gleich“.