Neben den zahlreichen Eigentoren, war bei der vergangenen Fußball-Europameisterschaft vor allem eines auffällig: Die geringe Anzahl an direkten Beschwerden beim Schiedsrichter. Der Testlauf der sogenannten „Mecker-Regel“ sorgte dafür, dass nur noch der Kapitän mit dem Unparteiischen diskutieren durfte. Nun wird diese Regelung vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) auch für alle Spielklassen hierzulande übernommen. Das bedeutet: Ab sofort dürfen nur noch die Kapitäne mit dem Schiedsrichter diskutieren. Rein formal gilt die gemeinsame Entscheidung der DFB Schiri GmbH, dem DFB e.V. und der DFL bereits sogar rückwirkend zum 1. Juli.
Die Schiedsrichter zeigen von nun an mit waagrecht ausgestrecktem Arm an, dass die Spieler nach einer Schiri-Entscheidung eine Mindestdistanz von vier Metern einzuhalten haben. Nur der Kapitän darf sich nähern und den Referee ansprechen. Sie sind zudem dafür verantwortlich, dass ihre Mitspieler die Unparteiischen respektieren, Abstand halten und sie nicht bedrängen. Sollte dennoch ein anderer Spieler mit dem Referee diskutieren oder ihn bedrängen, wird er hierfür sofort konsequent verwarnt. „Alles, was dem Image des Fußballs gut tut, werden wir hundertprozentig und konsequent als Schiedsrichter unterstützen", begründete Knut Kircher als Geschäftsführer Sport und Kommunikation der DFB Schiri GmbH die Einführung der Regel. Die „Kapitänsregel" sei der „logische nächste Schritt für noch mehr Fairness und Respekt".
Appell an die Vernunft
Dass diese Regeländerung vor allem für den Amateurfußball inklusive Turnieren wie dem Teckbotenpokal weitreichende Konsequenzen mit sich bringt, davon ist Felix Lache, Cheftrainer des VfL Kirchheim überzeugt: „Die Regel an sich finde ich super. Generell sollten wir uns mehr an der Philosophie des Handballs orientieren - auch wenn es darum geht, den Ball nach einem Pfiff an Ort und Stelle liegen zu lassen.” Gleichzeitig hinterfragt der 36-Jährige allerdings auch die Umsetzbarkeit in den unteren Ligen. „Der Schiedsrichter ist alleine und hat keine Assistenten. Es besteht natürlich schon die Gefahr, dass der ein oder andere Referee ‘fröhlich’ Karten um sich zeigt”, sagt Lache, der allerdings auch an die Vernunft der Spieler appelliert.
Dass die Schiedsrichter ab sofort geschützter das Spiel leiten können, ist für Christopher Andrä, Trainer des TV Neidlingen, einer der größten Vorteile: „Die Regel ist ganz klar und leicht verständlich für jeden. Das macht die Umsetzung einfach, weil es dahingehend nur sehr wenig, wenn nicht sogar gar keinen Spielraum für Interpretationen mehr gibt.”
Kartenflut befürchtet
Eine etwas andere Meinung hat derweil Cosimo Attorre, Spielertrainer des Bezirksliga-Aufsteigers AC Catania Kirchheim: „Es passieren ohnehin schon sehr viele Fehler bei den Schiedsrichterentscheidungen, weil sie es alleine auf dem Platz sehr schwer haben. Jetzt kommt nochmals eine solch strenge Regel dazu. Ich befürchte, dass das zu einer Kartenflut führt.” Dass Respekt und Anstand dem Unparteiischen gegenüber höchste Priorität hat, steht für den 40-Jährigen außer Frage. “Aber das sollte es auch ohne diese Regelung.” Allen voran die Emotionalität der Akteure werde dadurch eingebremst. “Fußball soll Fußball bleiben. Diese Regelung, auch dass es beispielsweise einen Stellvertreter geben kann, bürokratisiert den Sport immer mehr.” In der Rolle des Spielertrainers, wie es in den Amateurligen inzwischen immer häufiger vorkommt, sei die Regelung eine besondere Hürde. „Hier sollte es eine Möglichkeit geben, als Spielertrainer ebenfalls den Austausch mit dem Schiedsrichter suchen zu können, selbst wenn man nicht die Kapitänsbinde trägt“, schlägt Attorre vor.