Disput
Ärger nach Oben-ohne-Sonnenbad

Weil sie am Aileswasensee ruppig aufgefordert worden sei, sich anzuziehen, fühlt sich eine 65-Jährige durch das Ordnungsamt diskriminiert.

Der Stein des Anstoßes: das Bikini-Oberteil. Foto: Matthäus Klemke

Es ist einer der letzten warmen Sommertage, an denen Sylvia Braun (Name redaktionell verändert) beschließt, mit ihren Freundinnen an den Aileswasensee nach Neckartailfingen zu fahren. Die 65-Jährige lebt in Balingen und nimmt eine weite Strecke auf sich, um in Neckartailfingen zu entspannen. Ihre drei Freundinnen reisen aus Plochingen an. „Wir wollten schön etwas essen und eine Runde schwimmen“, sagt Braun.

Wie so oft an heißen Tagen ist rund um den See einiges los. „Es waren viele Menschen da“, erinnert sich Braun. Um etwas ungestörter zu sein, laufen die vier Frauen ein ganzes Stück am Wasser entlang. „Ich habe schon seit Jahrzehnten die Angewohnheit, mich oben ohne zu sonnen.“ Deshalb wollten sich die Frauen ein wenig abseits des Trubels auf die Wiese legen. „Dafür haben wir fast drei Viertel des Sees umrundet.“

Schließlich findet die Gruppe ein ruhiges Fleckchen. „Neben uns lag nur ein junges Pärchen, das mit sich selbst beschäftigt war“, erinnert sich Braun. „Wir haben niemanden gestört.“ Die Frauen breiten ihre Handtücher und Decken aus und dann landet auch schon das Bikinioberteil von Sylvia Braun in der Strandtasche. „Ich habe Kleidergröße 34“, sagt die Rentnerin. „Da gib es ohnehin nicht viel zu sehen. Die meisten Männer an dem See haben mehr zu verstecken als ich.“

Plötzlich steht ein Mitarbeiter des Neckartailfinger Ordnungsamts vor den Frauen. „Er hat sich nicht vorgestellt“, sagt sie. Stattdessen habe er sie „schroff und deutlich“ aufgefordert, sofort ihr Oberteil wieder anzuziehen. „Er sagte dann noch, dass wir hier nicht im Freibad wären.“ Gefallen lassen möchte sie sich das Verhalten des Gemeindemitarbeiters nicht. „Ich habe ihn gefragt, mit welcher Berechtigung Männer hier oben ohne herumlaufen dürfen und ich nicht und wie es mit Gendergerechtigkeit aussieht.“ Die Antwort, die sie bekommen habe: „Wir gendern hier nicht.“ Dann habe der Mann seine Aufforderung deutlich wiederholt: „Ich sollte mich anziehen oder er würde meine Personalien aufschreiben.“

Letzter Besuch am See

Braun ist nicht nur über die rabiate Art und Weise sauer. „Man hätte mich ja auch nett bitten können.“ Sie ärgert sich vor allem darüber, dass eine Frau, die sich oben ohne sonnt, überhaupt zur Ordnung gerufen wird. „Da liegen überall Leute mit Wasserpfeifen und lauter Musik. Und das ist dann okay.“ Für die vier Freundinnen ist der Tag am See nach der Begegnung beendet. „Wir sind gleich gegangen.“ Auf dem Weg zurück zum Parkplatz studiert sie die zahlreichen Hinweisschilder rund um den See, auf denen alle möglichen Regeln festgehalten werden. Auf einem davon findet sich dann auch ein kurzer Hinweis zum Thema Bekleidung: Besucher, die sich „ohne ordnungsgemäße Bekleidung“ am See aufhalten, begehen eine Ordnungswidrigkeit.„Was ist denn ordnungsgemäße Bekleidung?“, fragt sich Braun verwundert. Dass sich eine Frau am See nicht oben ohne sonnen darf, sei nicht zeitgemäß und diskriminierend, so die 65-Jährige.

Die Gemeinde Neckartailfingen sieht das etwas anders. Der Aufenthalt, „insbesondere ohne Badebekleidung“, außerhalb des gekennzeichneten FKK-Bereichs, sei untersagt. Zusätzlich habe man die Besucherin „zu ihrer eigenen Sicherheit“ darüber informiert, dass es am See in der Vergangenheit Vorfälle gegeben hat, bei denen andere Personen unerlaubt Bilder von nackten Besuchern gemacht haben.

Das sei nicht wahr, sagt Braun: „Das wurde mit keiner Silbe erwähnt.“ Auch habe sie keinen Hinweis darauf bekommen, dass es am Aileswasensee einen FKK-Bereich gibt. „Für mich war es der letzte Besuch an dem See.“ Einen solch „ruppigen“ Umgang möchte sie sich nicht mehr gefallen lassen.