Lenninger Tal
Ärger wegen eines Bruckener Bahnübergangs: Landwirte fühlen sich überfahren

Bauvorhaben Die Grundstückseigentümer und Pächter von Äckern und Wiesen gehen wegen Planungen bezüglich eines Bahnübergangs auf die Barrikaden. Auch die Wegeführung ist ihnen ein Dorn im Auge. Von Anke Kirsammer

Was von der Politik gefeiert wird, treibt Lenninger Landwirte auf die Barrikaden. Denn mit dem barrierefreien Umbau der Bahnhöfe und Haltepunkte der Teckbahn im Sommer geht auch die Sanierung der Bahnübergänge einher. Die Planung in Brucken macht die Landwirte zornig. Querten sie die Gleise mit ihren Schleppern bislang am Haltepunkt, so sollen sie künftig den Übergang 200 Meter talabwärts nutzen. Der bestehende wird unter anderem geschlossen, weil die Bahn die Zahl unbeschrankter Übergänge reduziert.

 

Äcker werden verschnitten. Das ist einfach überdimensioniert.
Arnim Kächele
Dem Unterlenninger Landwirt erscheint der Eingriff in die Felder wegen des Bahnübergangs zu groß.

 

Die nächste, bisher unscheinbare Querung dagegen wird in großem Stil ausgebaut: Eine „Ausbeulung“ am Radweg soll sicherstellen, dass keine Fahrzeuge auf den Gleisen stehen, wenn sich die Schranken senken, selbst wenn ein Schlepper mit Anhänger und ein entgegenkommender Pkw auf die Überfahrt warten. „Das ist viel zu überdimensioniert“, schimpft der Unterlenninger Landwirt Arnim Kächele, der sich von Gemeinde und Bahn überfahren fühlt. Der Biobauer macht seinem Ärger Luft: „Das sind allerbeste Böden. Die Äcker werden verschnitten.“ Jedes Feld aber, das nicht mindestens 200 Meter lang sei, lasse sich nicht rentabel bewirtschaften. Arnim Kächele schätzt, dass er 80 Mal pro Jahr rund fünf bis sechs Hektar Wiesen jenseits der Bahnlinie ansteuert, um Bäume zu schneiden, Holz zu holen, Gras und Heu zu ernten und die Flächen zu düngen. Sein Kollege Michael Kuch spricht von 40 Fahrten. Auch die geplante Wegeführung passt den Landwirten nicht. „Zu steil und zu gefährlich“ sei sie, weil es künftig in einem Abschnitt über eine Art Damm gehen soll. Das Einbiegen in den bisher genutzten Weg, der sich gleichmäßig am Hang nach oben zieht, sei mit heutigen Gespannen nur schwer möglich. Berechnet worden sei die Kurve für 10,90 Meter lange Gespanne. Sie seien aber teilweise über 13 Meter lang, erklärt Arnim Kächele. Wie seine Kollegen favorisiert er eine alternative Route. Sie führt nach dem Übergang auf einem vorhandenen Wiesenweg parallel zu den Gleisen einige Meter gen Owen und schwenkt dann nach links.

Kleine weiße Pflöcke in den Feldern zeigen indes, dass die Planung weit gediehen ist. Der Baustart ist für 13. Juni terminiert. Die Bahn hat die Arbeiten bereits vergeben. Die Bauvorbereitung läuft, sagt Projektleiter Martin Schweda.

Vom 7. Oktober bis 6. November 2019 lagen die Pläne im Rathaus öffentlich aus. In dieser Zeit konnten sich die Grundstückseigentümer zu dem Vorhaben äußern. Arnim Kächele hat damals von seinem Recht Gebrauch gemacht. „Es waren stapelweise Ordner“, sagt er. Die Dimension des Eingriffs in die Felder am Radweg sei ihm nicht klar geworden. Auch Michael Kuch hatte das Ausmaß nicht realisiert und nicht reagiert. „Ich muss mich deshalb an die eigene Nase fassen“, sagt er. „Die Fehler wurden am Anfang gemacht.“

Diese Aussage beziehen einige Landwirte auf das Verhalten von Gemeinde und Bahn. Die Grundstückseigentümer beziehungsweise Pächter hätten sich gewünscht, von Beginn an mehr in die Planungen einbezogen und dazu persönlich eingeladen zu werden. Jetzt, wo es um ihr Okay zum Bau geht, seien sie erstmals angeschrieben worden. Ein in Nürtingen wohnender Grundstücksbesitzer habe dadurch zum ersten Mal überhaupt von dem Projekt gehört.

Den Vorwurf, auch von der Gemeinde nicht eingebunden worden zu sein, weist Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht zurück. „Es ist ein Vorhaben der Bahn“, hebt er hervor. „Der Plan im Mitteilungsblatt mag zwar klein gewesen sein, aber erkennbar war, ob eigene Grundstücke betroffen sein könnten.“ Und der Rathauschef betont: „Es gibt nicht nur eine Bringschuld des einen, sondern auch eine Holschuld des anderen.“ Der Einmündungsbereich am künftigen Bahnübergang sei ihm ebenfalls zu mächtig. „Den Unmut darüber teile ich“, so Michael Schlecht. Mit dem Ausbau des bisherigen kleinen Übergangs erspare man den Landwirten jedoch, bis Owen fahren zu müssen, um über die Bahnlinie zu kommen.

Das Ziel des Bürgermeisters, dass der Zug nicht mehr pfeift, ist für Arnim Kächele und die Grundstücksbesitzer, die zum Pressetermin gekommen sind, nicht nachvollziehbar. „Wer hier wohnt oder herzieht, weiß, dass die Bahn hupt“, ereifert sich ein Umstehender.

Die Dramatik, die sich aus der Durchschneidung von Flächen für einige Landwirte ergebe, habe die Gemeinde unterschätzt, räumt Michael Schlecht ein. Mittlerweile zeichnet sich eine Lösung des Konflikts ab. Dass sich die Bahn um eine Alternative zum geplanten Wirtschaftsweg gemäß einem Vorschlag der Landwirte bemühe, befürworte die Gemeinde.

 

Die Bahn prüft die Pläne

Der Bahnübergang 200 Meter unterhalb des Bruckener Haltepunkts wird mit Lichtzeichen und Halbschranken ausgestattet. Das soll die Sicherheit erhöhen, das Pfeifen entfällt. Die DB geht von Umbaukosten im mittleren sechsstelligen Bereich aus.
Seit Projektbeginn stand die DB laut Projektleiter Martin Schweda mit der Gemeinde in engem Austausch. Es seien mehrere Varianten erstellt und mit Gemeindevertretern erörtert worden. Am 10. April 2018 gab es eine Bürgerinfoveranstaltung mit rund 70 Teilnehmern, zu der unter anderem mit Postkarten eingeladen worden sei, die an die Haushalte in der Nähe der Bahnübergänge geschickt wurden. Im Zuge des Planfeststellungsverfahrens habe jeder Bürger bei der öffentlichen Auslegung der Unterlagen die Gelegenheit gehabt, die Pläne zu sehen und sich zu informieren.
Eine Änderung der Schleppkurven, wie die Landwirte sie im oberen Teil fordern, um mit großen Gespannen fahren zu können, würde zusätzlich Fläche auf Privatgelände verbrauchen, so der Projektleiter. Nach einem Termin mit Betroffenen vorletzte Woche prüfe die DB, ob sich die Pläne anpassen lassen.
Stimmen die Grundstückseigentümer und -pächter den notwendigen Verkäufen nicht zu und unterschreiben sie die „Bauerlaubnisverträge“ nicht, verzögert sich der Baustart. „Das hätte auch Folgen für die Erneuerung des Haltepunkts in Brucken“, sagt Martin Schweda. Vor dessen Sanierung müsse der dortige Übergang beseitigt und der umstrittene, 200 Meter unterhalb liegende Bahnübergang entsprechend umgebaut werden. ank