Weilheim. Um den Laptop im Klassenzimmer herrscht Gedränge. Ein Junge hält seine Hand vor den Bildschirm und ballt sie zur Faust. Sofort tut es ihm die roboterartige Hand auf dem Bildschirm gleich. Als er eine Greifbewegung macht, schnappt auch die Computerhand zu. Ein Raunen geht durch das Zuschauergrüppchen. „Cool“, kommentiert einer. Was auf den ersten Blick wie Zauberei aussieht, ist schlicht und ergreifend Technik: Eine Infrarotkamera erfasst die Handbewegungen und überträgt sie auf den Rechner.
Die Computerhand ist nur eines von vielen Beispielen und Exponaten, die Dr. Nadine Eckstein und ihr Kollege Toni Gauder den Neuntklässlern der Weilheimer Realschule an diesem Vormittag mitgebracht haben. „Wir wollen den Schülern Lust machen auf technische Berufe“, sagt Toni Gauder. Der Molekularbiologe und die Chemikerin arbeiten für das Programm „Coaching4Future“, das von der Stiftung Baden-Württemberg, dem Arbeitgeberverband Südwestmetall und der Arbeitsagentur getragen wird. Es richtet sich an Schüler aller Schularten und soll dem Fachkräftemangel entgegenwirken.
Videoclips, Bilder, Erklärungen und Beispiele zum Anfassen zeigen, dass technisches Knowhow in so ziemlich allen Lebensbereichen steckt – in You-Tube-Videos ebenso wie in Sportgeräten, in der neuen Playstation ebenso wie im Lippenstift. Und zum Beispiel auch in dem rosa Top, das Nadine Eckstein den Schülern zeigt. „Das T-Shirt hier ist zur Hälfte aus Milchfasern gemacht“, sagt die Chemikerin. Manchmal enthalte Milch zu viele Medikamente, oder die Kühlkette sei unterbrochen worden. „Statt sie wegzuschütten, macht man Klamotten daraus.“ Entscheidend dabei ist das Milcheiweiß, das sich unter Zugabe von Kasein zu Fäden verarbeiten lässt.
Wie das Handy der Zukunft aussehen könnte, erläutert Toni Gauder. Organische Displays machen superdünne, biegbare Smartphones möglich. „Zum Beispiel könnte man das Handy samt Bildschirm dann für die Hosentasche klein zusammenfalten und beim Benutzen wieder groß auseinanderklappen.“
Und das ist nicht alles, was man mit so genannten OLEDs, organischen Leuchtdioden, anfangen kann, wie ein Flaschenkarton auf dem Pult im Klassenzimmer der 9 a zeigt. Als Nadine Eckstein ihn in die Hand nimmt, beginnt die Pappverpackung blau zu leuchten. „Die Industrie investiert viel in ihre Verpackungen“, sagt sie. Eine Schülerin weiß warum: „Wenn die Verpackung schön ist, kauft man die Produkte lieber.“
Noch vieles andere kommt an dem Vormittag zur Sprache: Der Elefantenrüssel-Roboter mit den flexiblen Greifern, die alles zu fassen bekommen und nichts zerdrücken. Die aus speziellem Stoff gewebte Ersatz-Aorta, die Menschen implantiert werden kann. Oder die schwarze Wunderknete, die die Schüler ausprobieren dürfen. „Sie ist weich und formbar, aber wenn sie einen Schlag abbekommt, verharrt sie in ihrer Form“, erklären Eckstein und Gauder den Schülern. Eingesetzt werden soll sie für Protektoren. Irgendwann einmal wird sie vielleicht als Mütze angeboten und ersetzt die starren Fahrradhelme. Nicht zuletzt stellen Dr. Nadine Eckstein und Toni Gauder immer wieder vor, welche Berufe mit den Produkten verbunden sind: Technische Produktdesigner, Elektroniker, Verfahrensmechaniker, Mediengestalter und vieles mehr. Auf der Homepage www.coaching4future.de können übrigens nicht nur die Neuntklässler, sondern auch alle anderen Interessierten via Karrierenavigator testen, welcher technische Beruf sich für sie eignet.