Ostfildern. Er ist ein riesengroßer Fußballfan. Doch wenn er sich als Profi bezeichnet, dann meint er damit keine Fußballkarriere. Er sei ein „Profi im Erdulden von Operationen“, sagt Timo Kimmelmann: „Und auch bei Krankenhausaufenthalten bin ich längst kein Amateur mehr.“ Elfmal lag er mit seinen 22 Jahren bereits auf dem OP-Tisch. Denn der junge Mann aus Ostfildern leidet an dem Von-Hippel-Lindau-Syndrom, einer seltenen erblichen Erkrankung, die sich in der Bildung meist gutartiger Tumore äußert. Mit seiner Lebensgeschichte möchte er anderen Menschen Mut machen.
Fußball ist sein Leben. Nicht nur weil ihn seine ebenfalls fußballbegeisterten Eltern nach dem ehemaligen VfB-Torwart Timo Hildebrand benannt haben. Nein, das runde Leder war auch ein Lebenselixier. Nach einer der vielen Operationen war Timo Kimmelmann vom Bauchnabel ab gelähmt, er konnte seine Beine nicht mehr spüren und nicht mehr bewegen. „Sie werden nie wieder gehen können. Bereiten Sie sich auf ein Leben im Rollstuhl vor“, lautete die niederschmetternde Diagnose. Dann schaute sich der sympathische junge Mann das Fußballspiel Manchester United gegen Real Madrid auf dem Fernseher seines Klinikzimmers an: „Da hat es in meinem Kopf klick gemacht.“
Wieder laufen gelernt
Er erinnerte sich an seine aktive Kickerzeit beim TB Ruit, viele Stadionbesuche, das Mitfiebern bei spannenden Spielen. Diese Zeit wollte er zurückhaben: „Am nächsten Morgen konnte ich wieder fünf Schritte gehen.“ Sehr wackelig und unsicher zwar. Doch mit Physiotherapie, Disziplin und Zähigkeit hat er sich zurück ins Leben gekämpft.
Das war kurvenreich. Im Alter von drei Jahren wurde das Syndrom bei ihm festgestellt. Doch bis in die Teenagerzeit hinein, sagt Timo Kimmelmann, führte er das Leben eines ganz normalen Kindes und Jugendlichen. Er hatte gute Noten in der Realschule, trieb viel Sport, war in seinem Verein aktiv. Dann machte er beim Nagelschneiden eine schlimme Entdeckung. Als er sich mit der Schere in den kleinen Finger der rechten Hand stach, spürte er nichts – keinen Schmerz. Aus Unsicherheit behielt er die Entdeckung für sich. Doch das Taubheitsgefühl breitete sich in der Hand aus. Ein Tumor hinter der Wirbelsäule im Rückenmarkskanal verursachte die Beschwerden. Eine Operation sollte helfen. Doch nach dem Eingriff blieb der Arm steif, die Finger ließen sich nicht mehr bewegen. Mit zäher Energie hat er einen großen Teil der Beweglichkeit zurückgewonnen. Ein Taubheitsgefühl im Handteller ist geblieben.
Einschränkungen durch die Erkrankung nimmt er in Kauf. Wegen Gleichgewichtsstörungen, Taubheitsgefühlen in Armen und Beinen, schneller Ermüdung geht er nicht mehr in Clubs, zu großen Partys, ins geliebte Fußballstadion oder zu Veranstaltungen mit großen Menschenmengen.
Seit drei Jahren, sagt er, hat er keinen Schluck Alkohol getrunken. Und sich ans Steuer eines Autos zu setzen, sei zu gefährlich. Beziehungen und auch einige Freundschaften gingen in die Brüche. Aber er macht das Beste draus – und packt die Zukunft mutig an.