Ehrung
70 Jahre Ehrenamt und kein Ende: Das Studium der Philosophie muss warten

Rainer Bauer sitzt seit 25 Jahren im Kreistag und seit 1994 im Weilheimer Gemeinderat. Im Juni ist er erneut Stimmenkönig geworden. 

Rainer Bauer bei der Arbeit an seinen Rebstöcken in seinem Weinberg auf der Limburg: Dort fühlt sich der Hobby-Winzer, ausgerüstet mit Rebschere und Sonnenhut, besonders wohl.  Foto: Tobias Tropper

Wer Rainer Bauer treffen will, hat hier oben auf 531,96 Meter Höhe gute Chancen – auf der Limburg nennt er einige Weinstöcke auf „Württembergs höchstem Weinberg“ sein Eigen. Übernommen hat er das Stückle von seinen Schwiegereltern und betreibt es mit Leidenschaft. Doch in der Abgeschiedenheit des Weinbergs verbringt Rainer Bauer nur einen Teil seiner Freizeit. Seit 30 Jahren sitzt er für die Unabhängige Wählervereinigung (UWV) im Weilheimer Gemeinderat, seit 25 Jahren für die CDU im Kreistag und fünf Jahre war er auch noch in der Regionalversammlung – plus zwölf Jahre im Kirchengemeinderat. Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle hat ihm nicht nur als „Mehrfachtäter“ (O-Ton Züfle) die Ehrenstele des Gemeindetags verliehen, sondern ihn auch mit Worten gewürdigt: Als „Marke“ und „vorbildhaft für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Insgesamt 70 Jahre Ehrenamt hat der Weilheimer Schultes für Rainer Bauer ausgerechnet.

Das sieht nicht nur der Bürgermeister so, denn die Popularität des 70-Jährigen ist ungebrochen. Bei den Kommunalwahlen im Juni haben 4808 Weilheimerinnen und Weilheimer dafür gestimmt, dass Rainer Bauer zum siebten Mal in den Gemeinderat einzieht – so viele Stimmen hat kein anderer Kandidat und keine Kandidatin im Städtle bekommen.

 

„Demokratie ist unser Leben, und im Gemeinderat kann man sie erleben.

Rainer Bauer, seit 30 Jahren Weilheimer Gemeinderat

 


Nicht geplant war allerdings in diesem Jahr, dass er auch wieder in den Kreistag einzieht. „Da muss ich mein Philosophie-Studium wohl verschieben“, sagt er schmunzelnd. Der pensionierte Polizeikommissar interessiert sich sehr für Philosophie: „In meinem Alter hat man auch eine gewisse Erfahrung und kann die Dinge besser einordnen“. 

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Rainer Bauer ist keiner, der sich bevorzugt zum Philosophieren auf den Weinberg begibt. Im Gegenteil: Zurückgezogen hat er sich selten. Als er wegen der Liebe 1975 aus Holzmaden nach Weilheim zuzog. fing er als Polizeibeamter drei Jahre später ausgerechnet auf der Wache in seiner Wahlheimat an. „Meine Kollegen sagten mir, dass man sich gut überlegen müsse, dort zu arbeiten wo man wohnt“, erinnert er sich. Schließlich macht man sich als Polizist nicht immer beliebt bei den Anwohnerinnen und Anwohnern, das muss man sich unter Umständen in seiner Freizeit rechtfertigen.

 

In Uniform zur Arbeit gegangen

Aber bei Rainer Bauer hat es funktioniert. Er zog Zuhause die Uniform an und ging dann zu Fuß zur Arbeit. So lernte er das ganze Städtle kennen und weiß bis heute, wer in welcher Gegend wohnt. Natürlich hatte er auch unangenehme Aufgaben: „Wenn Du einen festnimmst und nach Stammheim bringen musst, ist das schwierig“, sagt er. Oder die frisierten Mofas, die mit 80 und 90 fuhren – da kannte er die Pappenheimer. Aber stets hat er die Menschen mit Respekt behandelt: „Man muss sich immer noch ,Grüß Gott‘ sagen können“, lautet sein Motto. Eier habe man nie gegen sein Haus geworfen. Ohnehin hat sein Beruf auf sein Ehrenamt keine negative Wirkung gehabt. Das ebbte auch nicht ab, als er 2006 nach Lenningen ging, um dort das Revier bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2014 zu leiten. 

Die Möglichkeit, etwas mitgestalten zu können, hat für Rainer Bauer immer eine große Rolle gespielt. Im Kreistag und im Regionaparlament sei die „Spielmasse eher gering“. „Am meisten kann ich im Gemeinderat bewegen“, sagt er. Was er mit dem Gremium auf den Weg gebracht hat, darauf ist er stolz. Etwa das Gewerbegebiet Rosenloh, für das sich die Menschen sogar per Bürgerentscheid ausgesprochen haben, oder die Renovierung des Freibads, die „nach einem Eiertanz“ aus Kostengründen einem Neubau vorgezogen wurde. Derzeit entsteht an dieser Stelle ein Naturkindergarten. Dass aus der aktuell im Bau befindlichen Turnhalle der Limburg-Schule keine Mehrzweckhalle mit Tiefgaragen geworden ist, fand Rainer Bauer nicht gut, aber das gehört dazu. „Du kannst mitbestimmen, egal ob es um Infrastruktur oder Kindergärten geht“. „Du musst die Mehrheiten akzeptieren, das gehört zur Demokratie dazu“, sagt er. Auch dass die Leute unzufrieden mit einer Regierung sind und die Ampel ihre Mehrheit verliert – das sei normal. 

„Demokratie ist unser Leben, und im Gemeinderat kann man sie erleben“, sagt er und lädt die Bürgerinnen und Bürger ein, zuzuschauen und zu hören. Dann wird man sicher auch von Rainer Bauer wieder einiges hören – oder auch auch sehen, wie er sich in Zurückhaltung übt. „Ich muss nicht immer meinen Senf dazugeben, wenn schon alles gesagt ist.“ Aber auch wenn der Bürgerwille gerade in Weilheim immer wieder erlebbar ist, stellt er auch eine gewisse Demokratieverdrossenheit fest. „So schwer wie in diesem Jahr war es noch nie“, bezieht er sich auf die Kandidatensuche seiner UWV für die letzten Kommunalwahlen.

Ein „Glück“ sei es, dass in Weilheim keine Parteien die Fraktionen bilden, sondern Wählervereinigungen. „Dagegen zu sein, wenn es von einer anderen Partei kommt. So etwas gibt es im Gemeinderat nicht“, sagt er. Im Kreistag sehe das schon wieder anders aus, da sitzt zum Beispiel auch eine AfD. Aber auch da ist Rainer Bauer klar: „Die AfD kann man nicht isolieren, die ist gewählt.“ Mit der Brandmauer habe er nichts zu tun. Nun werde es bei der Haushaltsdebatte im Kreistag eben spannend. Er freut sich drauf, denn das ist gelebte Demokratie. Da kann sein Philosophie-Studium auch noch etwas warten.