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A8: Klare Absage fürs Tempolimit

Verkehr Die Autobahn bringt zwischen Köngen und Kirchheim etliche Anwohner um den Schlaf. Daran wird sich jedoch auch in Zukunft nichts ändern. Von Sylvia Gierlichs

Dass Lärm die Gesundheit beeinträchtigt, ist mittlerweile auch bei den Krankenkassen anerkannt. Beispielsweise bei der Barmer Ersatzkasse. Stark belastend wirke Lärm, wenn er das Privatleben und die Erholung stört, sagt die Barmer. Am Arbeitsplatz nehme man ihn oft billigend in Kauf, doch in den eigenen vier Wänden durchkreuze er die Regeneration. Besonders unangenehm wird es nachts, weil das Gehirn unerwartete, störende Geräusche als Bedrohung wahrnehme. Der Körper gerate unterbewusst in einen Alarmzustand, den Lärmstress. Man schlafe weniger tief, weniger erholsam und sei nach einigen lärmgeplagten Nächten weniger leistungsfähig. Denn das Ohr sei immer aktiv und lasse sich nicht ausschalten.

Die drei gefährlichsten Verkehrslärm-Arten sind Fluglärm, Bahnlärm – weil die Züge zusätzlich Vibrationen verursachen – und Straßenlärm, weil er sehr unterschiedliche Lärmniveaus hat. Dabei sind Autos schon viel leiser unterwegs als noch vor 20 Jahren. Die Abrollgeräusche wurden reduziert, moderne Straßenbeläge schlucken bis zu vier Dezibel, und auch Tempolimits machen einen Unterschied. Doch weil das Verkehrsaufkommen parallel dazu stark angestiegen ist, ist der Lärm nicht gesunken – im Gegenteil. Dass Straßenverkehrslärm mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung stört oder belästigt, weiß man auch beim Umweltbundesamt. Indes, das Amt räumt ein, dass es eine generelle Regelung zum Schutz vor Straßenverkehrslärm in Deutschland nicht gibt.

Die BUND-Ortsgruppe Kirchheim hat deswegen eine Arbeitsgruppe Lärm eingerichtet. Die fand heraus, dass es zum 1. Januar 2022 Änderungen bei der Lärmberechnung und -kartierung von Straßenverkehrslärm gab. Der Kirchheimer BUND wollte deswegen von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg wissen, welche Geschwindigkeiten der Berechnung für den Autobahnlärm seitdem zugrunde gelegt werden. Die Behörde erläuterte, dass Lärm nicht gemessen, sondern berechnet werde. Die Berechnungsmethode für Straßenverkehrslärm an Bundesautobahnen sehe vor, dass an Autobahnabschnitten mit Geschwindigkeitsbeschränkungen die zulässige Höchstgeschwindigkeit zur Berechnung herangezogen werde.

So weit fand das der BUND Kirchheim nachvollziehbar. Denn dort dürften wegen des Geschwindigkeitslimits ohnehin nur wenige Pkw schneller als erlaubt unterwegs sein. Die dort ermittelten Lärmwerte kämen also der Realität vergleichsweise nahe.

 

„Diese Form der Berechnung benachteiligt Anwohner an Strecken ohne Tempolimit gegenüber jenen an Abschnitten mit Geschwindigkeitsbeschränkung“
BUND Kirchheim
 

An Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbeschränkungen jedoch werde zur Lärmberechnung die Vorbeifahrt von Pkw mit der Richtgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern herangezogen. Eine vorherige Messung der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten finde nicht statt. Das betrifft laut BUND den Kirchheimer Abschnitt der A 8, aber auch den Abschnitt zwischen Köngen und Wendlingen. Bei Rasern sei dieser Abschnitt besonders beliebt, wie eine Statistik des baden-württembergischen Innenministeriums schon 2020 belege. Der BUND folgert daraus, dass eine Berechnung, der eine Geschwindigkeit von 130 Stundenkilometern zugrunde liegt, zu niedrige Lärmwerte ergebe. Das gelte insbesondere für die Nachtstunden.

„Diese Form der Berechnung benachteiligt Anwohner an Strecken ohne Tempolimit gegenüber jenen an Abschnitten mit Geschwindigkeitsbeschränkung“, findet der BUND. Entweder müsse die tatsächliche Geschwindigkeit gemessen werden oder ein flächendeckendes Tempolimit her. Damit stellt sich der BUND auf die Seite der Mehrheit in der Bevölkerung wie eine Umfrage der Versicherungsgesellschaft Allianz Direct von 2021 zeigt: 71 Prozent der Deutschen wollen ein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Geben wird es jedoch weder das eine noch das andere. Wie die Autobahn-GmbH auf Nachfrage mitteilte, komme eine Geschwindigkeitsbeschränkung nur dann in Betracht, wenn der vom Straßenverkehr herrührende Beurteilungspegel die Richtwerte von 70 Dezibel tags oder 60 Dezibel nachts überschreite. Bestätigt worden sei dies vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Jahr 2018. Der Grund: die Bedeutung, die Autobahnen haben.

Bei der Autobahn-GmbH bezweifelt man jedoch auch, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen den gewünschten Effekt haben, da der insbesondere auf Bundesautobahnen hohe und maßgebliche Schwerverkehrsanteil von einer Geschwindigkeitsreduzierung ohnehin nicht betroffen wäre. Für diesen gilt bereits eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 Stundenkilometern“, schreibt die Autobahn-GmbH. Und kann am Abschnitt der A8 zwischen Köngen und Kirchheim ohnehin nur eine deutliche Unterschreitung der Lärmschutz-Richtlinien feststellen. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf der A8 bei Kirchheim komme aus Lärmschutzgründen nicht in Betracht. „Uns ist bewusst, dass die Situation für die Anwohner weiterhin unbefriedigend ist“, schreibt die Autobahn-GmbH. Man sei sehr daran interessiert, die für die Lärmbetroffenen bestmögliche Lösung zu finden. Die vom Gesetzgeber festgelegten Voraussetzungen zur Anordnung verkehrsrechtlicher Maßnahmen seien allerdings nicht erfüllt.