Fast wie ein Profi setzt Dr. Natalie Pfau-Weller den Akkuschrauber an. Auf Knopfdruck dreht er surrend eine Schraube in die Unterseite der Sitzfläche. Vier Stühle mussten an diesem Morgen gerichtet werden. Am Vormittag hatte die Kirchheimer CDU-Landtagsabgeordnete außerdem geholfen, in einer Wohnung Türen mit neuen Dichtungen zu versehen. Mit Beginn der Sommerferien startete sie eine Tour der besonderen Art: An zehn Tagen schnuppert sie – quer durch den gesamten Wahlkreis – in elf verschiedene Handwerksbetriebe hinein. Heute ist sie Praktikantin in der Schreinerei von Martin Schreiber im Kirchheimer Hafenkäs. Zum Gespräch vor der Tür nimmt sie den Gehörschutz ab. „Die Lautstärke und die körperliche Arbeit habe ich unterschätzt“, räumt die promovierte Politikwissenschaftlerin unumwunden ein. Ungewohnt sei auch das viele Stehen. „Wenn ich abends nach Hause komme, bin ich platt“, sagt sie und zeigt auf ihre Oberarme, die in diesen Tagen besonders gefordert sind. Jede Station habe sie unglaublich nett aufgenommen. Ob bei einem Frisör in Plochingen, einer Bissinger Holzbaufirma, bei einem Maler in Köngen oder einem Lenninger Metallbauunternehmen – überall gab es für die Politikerin eine Menge zu lernen und zu sehen.
„Ich finde es schön, mal in kleine, regionale Firmen schauen zu können und ihnen Wertschätzung zu zeigen“, sagt sie. Dabei geht es auch darum zu hören, wo jeweils der Schuh drückt. Mehrere Handwerksbetriebe hätten ihr rückgemeldet, dass eine Rente mit 70 in ihrer Branche nicht machbar sei. „Durch die Praktika habe ich da jetzt einen anderen Blick drauf“, sagt Natalie Pfau-Weller. „Für mich ist das auch nicht vorstellbar.“ Nachfolger zu finden, sei für die besuchten Firmen dagegen glücklicherweise kein Problem. Anders sehe es mit der Bürokratie aus. Sie werde oft als besonders zeitfressend geschildert. Als Mitglied des Ausschusses für Landesentwicklung und Wohnen hat sie sich aufgrund der Gespräche mit den Handwerksmeistern vorgenommen, die Landesbauordnung und vor allem das Thema Brandschutz anzugehen. Geklagt werde vielfach auch über den Fachkräftemangel. Die CDU-Politikerin möchte das zum Anlass nehmen, Schülerinnen und Schülern das Handwerk nicht zuletzt wegen der sicheren Jobs ans Herz zu legen.
„Größere Firmen haben oft mehr und engere Kontakte zu Politikern als wir“, sagt Martin Schreiber, der in seiner Schreinerei zwei Gesellen und einen Lehrling beschäftigt und sich darüber freut, dass Natalie Pfau-Weller bei ihm angeklopft hat. Schön auch, dass das Interesse der Abgeordneten keine Einbahnstraße ist. „Mich interessiert, wie der Politikeralltag aussieht“, sagt der Chef der Schreinerei. Drei komplette Tage verbringt die CDU-Frau normalerweise in Stuttgart. Sie ist Mitglied in drei Ausschüssen und der Enquetekommission. Hinzukommen Fraktions- und natürlich Plenarsitzungen. Bleiben Montag und Freitag für Termine im Wahlkreis.
Um 5 beim Bäcker
Für ihre Handwerker-Sommertour nutzt die 34-Jährige die sitzungsfreie Zeit. Um 5 Uhr stand sie vergangenen Freitag beim Bäcker auf der Matte, um Dinkelzöpfle zu formen und Baguettes zu rollen. Schalen und Betonieren waren bei Gluthitze bei einem Bauunternehmer angesagt, und bei einem Landschaftsgärtner hat sie bei der Vorbereitung von Außenanlagen mit angepackt. „Ich durfte sogar Bagger und Radlader fahren“, verrät sie schmunzelnd. Dem Schornsteinfeger musste sie wegen ihrer Höhenangst dagegen einen Korb geben, als er sie dazu einlud, mit ihm auf ein Dach zu steigen.
Nicht nur für die Politikerin, die seit anderthalb Jahren im Landtag sitzt, sind es Tage mit besonderen Erfahrungen. Staunende Blicke erntet sie derzeit von den Freundinnen ihrer Tochter, wenn sie statt im Business-Dress plötzlich in derben Arbeitshosen und Sicherheitsschuhen mal wie ein Kaminfeger ganz in schwarz, im weißen Maler-Outfit oder wie heute im orangefarbenen Poloshirt beim Abholen im Kindergarten aufkreuzt.