Lenninger Tal
Abenteuer direkt vor der Haustür: „Wasser marsch“ mal anders

Ferienprogramm Die ältesten Brücken in ihrem Städtle haben Owener Kinder genau unter die Lupe genommen.
Die Expedition führte neben der willkommenen Abkühlung auch in einen  dunklen Tunnel. Von Iris Häfner

Das Wasser steht auch den Kleinsten nicht bis zum Hals, dafür aber weit über dem Gummistiefelrand. Nasse Füße holen steht an diesem heißen Nachmittag ganz offiziell auf dem Programm, egal ob in Sandalen oder anderen Aquaschuhen – Hauptsache Schutz vor spitzen Steinen oder anderem Unrat in der Owener Lauter. Dabei ist eigentlich etwas ganz anderes im Fokus dieses Kinderferienprogrammpunkts: die ältesten, steinernen Brücken des Orts. 

Deshalb geht es zunächst theoretisch los. Dr. Hans-Peter Hils erzählt von den vielen Brücken im Städtle. Die Kirchbruck heißt noch Mitterbruck oder Pribanbruck – nach dem ehemaligen Gemischt-
warengeschäft „Priban“. Die Kinder erfahren, dass die Owener regelmäßig mit Lauter-Hochwasser zu kämpfen hatten. Nach einem Riesenhochwasser 1689, bei dem alle Brücken „ratzebutz weggerissen worden waren“, war ihnen der ständige Wiederaufbau der Holzbrücken leid geworden und sie beschlossen, stabile Bauwerke aus Stein über den Bach zu bauen. „Das war bei der Kirchbruck vor 232 Jahren der Fall, also im Jahr 1790“, erzählt Hans-Peter Hils, nachdem er Fragebogen ausgeteilt hat. Die Daten notieren sich die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer gewissenhaft, denn schließlich sind sie angehende Brückenforscher, wie ihnen Hans-Peter Hils feierlich mitteilt.

Deshalb werden jetzt Gruppen gebildet. Eine bleibt oben auf der Brücke. Mit Maßband ausgestattet, messen die Kinder Länge und Breite des Bauwerks. Damit ist gleich eine Rechenaufgabe verbunden, denn 1790 galt noch das Längenmaß Schuh oder Fuß – und war exakt 28,64 Zentimeter lang. „Zur Orientierung: Die alte Kirchbruck war 54 Schuh lang und 16 Schuh breit“, erklärt der ehemalige Lehrer. Später müssen die Eleven messen und in Meter umrechnen.

Hans-Peter Hils führt die Kinder durch die Lauter. Foto: Markus Brändli

In der „Brückengruppe“ sind auch Kinder mit einer aufgewickelten Schnur dabei, an deren Ende eine große Schraube baumelt. Das ist der Grund, weshalb ein paar Kinder in den Bach steigen dürfen. Von der Einstiegsstelle müssen sie ein ganzes Stück Richtung Brücke waten – und so kommt es, wie es kommen muss: Nach wenigen Schritten herrscht Land unter in den Gummistiefeln. Dieses Risiko schon von Anfang an nicht eingegangen sind die Jungs und Mädels, die sich für Wasserschuhe entschieden haben – begeistert sind alle gleichermaßen von der willkommenen Abkühlung. 

Unter der Brücke angekommen, hängen schon die zwei Lote über der Wasseroberfläche. Jetzt gilt es, die Höhe der Brücke zu bestimmen. „Zieh mal runter – nicht so stark“, ruft es von oben. An der so ermittelten Höhe, müssen die „oberen“ Kinder eine „Hausfrauenschleife“Wa machen. So lässt sich dann in der Waagrechten die Maßzahl abmessen. „So haben es die Maurer früher auch gemacht, die haben nix anderes benutzt“, erklärt Hans-Peter Hils. 

Jetzt dürfen alle Kinder in die Lauter und die Bachwanderung kann beginnen. Es geht lauterabwärts. Mal ist es flach, mal kommt eine tiefe Stelle. Die Stimmung ist gut und ganz nebenbei bekommen sie die zwei Wellenbrecher einer Brücke erklärt. Die finden sich flussaufwärts an den beiden Pfeilern. So nehmen sie den Druck bei Hochwasser dem Bauwerk ab. „Die Kirchbruck wurde in aller Eile wieder aufgebaut, damit das Vieh von einer Talseite auf die andere getrieben werden und die Leute wieder zusammenkommen konnten, – und vor alle, damit man aus der Oberstadt in die Kirche gehen konnte“, erzählt Hans-Peter Hils.

 

Um 18 Uhr hat die Glocke geläutet. Das war das Zeichen für die Tiere, heim in den Stall zu gehen.
Hans-Peter Hils
 

Vor der Unteren Brücke geht es wieder an Land und an der Schule vorbei ins Oberstädtle. Die Kühtorbrücke ist das Ziel. Vor der Brücke war ein Tor mit einem „richtig großen Turm“, durch das das Vieh auf die Weiden unterhalb der Teck getrieben wurden. Dort konnten sie sich allein sattfressen. „Um 18 Uhr hat die Glocke geläutet. Das war das Zeichen für die Tiere, heim in den Stall zu gehen“, erklärt Hans-Peter Hils. Doch von einer Brücke ist weit und breit nichts zu sehen. Auch dieses Rätsel löst der einstige Lehrer: „Die jetzige Straße wurde einfach drüber gebaut. Wo die Pflaster sind, befindet sich unten drunter das Gewölbe.“

Den Beweis bleibt er nicht schuldig. Die Expetition kann beginnen. Über einen Fußweg Richtung Teckstraße gelangen die Kinder zu der Stelle, wo sie sich die steile Böschung bis zum Graben an einem Seil hinunterhangeln. Holger Macho überwacht den Abstieg. Über Stämme klettern, durch Schlick waten, Gestrüpp ausweichen und kleine Sinterterrassen hochsteigen heißt es, als alle unten sind – und schließlich an dem niedrigen Gewölbe ankommen. Jetzt heißt es bücken und durch das seichte Wasser in dem knapp 15 Meter langen, dunklen Rohr gehen. Die Stimmen hallen, aber am Ende des Tunnels ist immer das Licht zu sehen. Dort steht bereits eine Leiter, an deren Ende Karl-Heinz Ritter und ein Nachbar wartet, um allen über das Geländer auf die Straße zu helfen.

Jetzt sind alle Aufgaben geschafft. Zum Abschluss geht es runter zum Spielplatz bei der Bücherei. Vor allem die kühlen Getränke sind gefragt. Bis die Rote auf dem Grill fertig gebrutzelt ist, verteilt Hans-Peter Hils an alle eine Urkunde. „Ihr seid die ersten Brückenforscher von Owen. Das hat es hier noch nie gegeben“, ist er stolz auf den mutigen und engagierten Nachwuchs.