Der Fall des Unterensinger Hausmeisters Sieka Sielca, der am 6. Dezember nach Togo abgeschoben wurde, schlägt hohe Wellen. Am Freitagmorgen zeigte sich Andreas Schwarz, der für Unterensingen zuständige Landtagsabgeordnete und Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen, fassungslos: „Wenn Menschen, die gut integriert sind und hier einer Arbeit nachgehen, abgeschoben werden, dann wirft das viele Fragen auf. Wir haben uns sofort nach Bekanntwerden unter anderem an die zuständigen Ministerien gewandt und um Informationen gebeten.“
Mit dem „wir“ ist auch der Nürtinger Grünen-Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel gemeint, der sich Schwarz inhaltlich anschließt. „Schon heute raten wir allen Unternehmen und Geflüchteten, die in einer ähnlichen Situation sind, rechtzeitig mit den zuständigen Ausländerbehörden und gegebenenfalls mit der Härtefallkommission des Landes Kontakt aufzunehmen. So können wir solchen gut integrierten Menschen und dringend benötigten Arbeitskräften zu einem Bleiberecht verhelfen.“
Auch die anderen Bundes- und Landtagsabgeordneten, in deren Wahlkreis Unterensingen liegt, ob in Land oder Bund in Regierungsverantwortung oder Opposition, nehmen Stellung. Als Mitglied des Koalitionspartners im Land antwortet die Kirchheimer CDU-Landtagsabgeordnete Natalie Pfau-Weller. Sie habe mit Staatssekretär Siegfried Lorek aus dem Ministerium für Justiz und Migration telefoniert. Sielcas Asylantrag wurde bereits im Dezember 2018 abgelehnt, und rechtlich korrekt sei nun die Abschiebung vollzogen worden. Dies befürworte die CDU-Fraktion grundsätzlich. Pfau-Weller versteht aber die menschlich tragische Dimension des Falles: „Ich werde Kontakt mit Landrat Eininger aufnehmen, um zu erfahren, ob eine verkürzte Einreisefrist möglich wäre.“
Der Nürtinger SPD-Bundestagsabgeordnete Nils Schmid, Parteigenosse von Bundeskanzler Olaf Scholz, betont in einer schriftlichen Stellungnahme: „Es war ein Fehler der Vergangenheit, dass Menschen jahrelang in der Luft hängen gelassen wurden. Mit dem Chancenaufenthaltsrecht wurde eine Möglichkeit geschaffen, dass Menschen wie Herr Sielca, die in Dauerduldungsschleifen hier leben und sich längst integriert haben, eingebürgert werden können. Bei ihm konnte es leider nicht greifen, in Tausenden ähnlichen Fällen aber schon. Ich werde der Sache auch nachgehen, um zu erfahren, ob alles mit rechten Dingen zuging. Momentan muss ich davon aber ausgehen.“
Kein Chancenaufenthalt
Renata Alt, FDP-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Nürtingen, schreibt: „Ausreisepflichtige Asylbewerber, die zum Stichtag 31. Oktober 2022 bereits seit fünf Jahren in Deutschland geduldet waren, können vom Chancenaufenthaltsrecht profitieren. Dieses Verfahren kam für Herrn Sielca offenbar leider nicht infrage. Die Art und Weise, wie Herr Sielca behandelt wurde, ist jedenfalls fragwürdig. Dass ein unbescholtener Mann in Handschellen über den Schulhof geführt wird, wo er als geachteter Hausmeister tätig war, erscheint mir der Situation nicht angemessen.“
Andreas Kenner, SPD-Landtagsabgeordneter, ist stellvertretender Vorsitzender des Petitionsausschusses. In dieser Position ist er häufiger mit Widersprüchen gegen Abschiebungen befasst. Er schreibt zunächst: „Wir müssen endlich regeln, dass Personen, die bei uns arbeiten und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, vor Abschiebung geschützt werden müssen, sofern sie keine Straftaten begehen. Wir können uns aus meiner Sicht Abschiebungen von arbeitenden Personen nicht leisten. Zum Schluss sei noch gesagt, dass Personen, die freiwillig ausreisen, eine deutlich höhere Chance haben, ein Wiedereinreisevisum zu erhalten, wenn ihr Arbeitgeber dies auch beantragt, als Personen, die zwangsweise abgeschoben werden. Diese erhalten dann immer eine Einreisesperre.“
Verkürzung der Einreisesperre?
Kurz darauf bezieht Andreas Kenner ein weiteres Mal Stellung: „In der Zwischenzeit habe ich mit der Gemeinde Unterensingen intensiven Kontakt gehabt. Da Herr Sieka Sielca sich tatsächlich bereits wieder in Togo befindet, ist die einzige Chance für ihn und die Gemeinde Unterensingen, eine Petition zur Wiedereinreise und Arbeit in Deutschland beim Landtag zu stellen. Die Gemeinde als Arbeitgeber garantiert ja, dass er seinen Lebensunterhalt selbstständig bestreiten kann. Ich würde diese Petition unterstützen. Das hat aber dann nur Aussicht auf Erfolg, wenn auch die Kollegen und Kolleginnen der Regierungsfraktionen Grüne und CDU zustimmen. Sich empört über eine Abschiebung zu zeigen, ist das eine, im Petitionsausschuss dann für Abhilfe zu stimmen, das andere.“
In den sozialen Netzwerken kam immer wieder eine Frage auf: Wie konnte Sieka Sielca bei der Gemeinde arbeiten, wenn er laut RP Karlsruhe gar keine Arbeitserlaubnis hatte? Hier handelt es sich um einen Irrtum in der Presseantwort des RP. Bei der Behörde war sehr wohl bekannt, dass und wo Sielca arbeitet. Der Hausmeister habe eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis in seiner Duldung stehen gehabt, die sogar bis März 2024 verlängert worden sei, berichtet jemand, der den Hausmeister gut kennt. Was ihm fehlte, war eine Beschäftigungsduldung. Um diese zu erhalten, müsse jemand bereits zwölf Monate sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben. Eine Beschäftigungsduldung ist also nicht mit einer Arbeitserlaubnis gleichzusetzen. Um die Voraussetzungen für eine Beschäftigungsduldung zu erfüllen, ist Sieka Sielca um wenige Tage zu spät nach Deutschland eingereist.