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Abschied aus Bissingen: „Wir haben uns hier immer wohlgefühlt“

Kirche Nach drei Jahrzehnten geht Bissingens Pfarrer Ulrich Müller in den Ruhestand. Der Zusammenhalt in der Gemeinde bleibt ihm in Erinnerung, besonders in einer Sturmnacht 1999. Von Thomas Zapp

Als Ulrich Müller mit seiner Frau Gabriele und den Kindern Sebastian und Jonathan im Sommer 1992 nach Bissingen zog, um die Pfarrstelle anzutreten, landete er mit seiner Familie erst einmal im Gebäude der Volksbank: Pfarrhaus und Kirche wurden gerade renoviert und es dauerte etwas, bis die neue Pfarrersfamilie in die neuen Räume einziehen konnte. Sein Büro bezog er damals im Keller, während darüber noch die Arbeiten weitergingen.

Nichts deutete unter diesen ungewöhnlichen Startbedingungen darauf hin, dass Ulrich Müller mehr als 30 Jahre lang die Geschicke der Pfarrgemeinde leiten würde. Das hat auch Dekan Christian Tsalos in seiner Rede bei der „Entpflichtung“ des langjährigen Pfarrers am vergangenen Sonntag betont. 
 

Das werde ich der Feuerwehr nie vergessen.
Ulrich Müller
erinnert sich an einen besonderen Einsatz 
 

Das Pfarrhaus für Nachfolger Markus Frank hat Ulrich Müller schon frühzeitig geräumt, damit die Räume rechtzeitig renoviert und fertig sind. Der Auszug verlief ohne Wehmut, für ihn war es einfach die logische Konsequenz: „Ich bin eher ein sachlicher Mensch“, sagt er. 

Pragmatisch, aber auch treu: Warum es in Bissingen drei Jahrzehnte wurden, kann Pfarrer Müller auf Anhieb gar nicht eindeutig sagen. „Normalerweise stellt man sich darauf ein, die Gemeinde nach acht bis zehn Jahren zu verlassen“, sagt er. Doch zum einen hat sich die Familie in der Albtraufgemeinde von Anfang an sehr wohlgefühlt, zum anderen hat Gabriele Müller in Oberlenningen eine Arztpraxis eröffnet. 

Und dann gab es die Reformbestrebungen in der evangelischen Kirche, den sogenannten „Pfarrplan“. Der sah als Reaktion auf die demografische Entwicklung in der Gesellschaft eine Reduzierung der Pfarrstellen und eine Zusammenlegung von Gemeinden vor. So kam es, dass Ulrich Müller 2002 auch Pfarrer in Ochsenwang wurde, das zunächst noch eine selbstständige Gemeinde mit einem eigenen Kirchengemeinderat blieb. Erst 2019 fusionierten beide Gemeinden zu einer.

Zwei Gottesdienste am Sonntag, zwei Kirchengemeinderäte: Das bedeutete eine Verdoppelung der Arbeit. Auch eine Verdoppelung des Gehalts? Der Pfarrer lacht herzlich. „Nein, das hat sich nicht verändert, aber ich hab es sehr gerne gemacht.“ Und dabei sind etwaige Wechselgedanken stets verflogen. Überhaupt lobt er die gute Zusammenarbeit mit den Kirchengemeinderäten, dem Rathaus und den Vereinen in Bissingen in den höchsten Tönen. „Ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen“, sagt er. Angefangen bei der 900-Jahr-Feier in Ochsenwang bis zur 1250-Jahr-Feier in Bissingen oder den Bauhofmitarbeitern, die jedes Jahr den Weihnachtsbaum in die Kirche tragen. „Auch deswegen haben wir uns in Bissingen so wohlgefühlt.“ Sein Licht hat er im Pfarrhaus daher immer gerne angelassen, dann wusste jeder: Den Pfarrer kann man noch etwas fragen. „Meine Nachbarin hat mir erzählt, dass sie das vermissen wird.“

Nie vergessen wird Ulrich Müller das Jahr 1999, als Sturm Lothar auch in Bissingen wütete und das Dach der Marienkirche abriss. „Da ist die Feuerwehr nach einem harten Einsatztag in vielen Wohnhäusern und Gebäuden im Ort noch in die Kirche gekommen und hat bis Mitternacht auf der Bühne das Dach zugemacht. Die Kirche wäre sonst vollgelaufen und zerstört worden. Solange mich meine Erinnerung nicht im Stich lässt, werde ich das der Feuerwehr nie vergessen“, erinnert sich der Pfarrer voller Dankbarkeit.

Leidenschaft für Blasmusik

Nicht ohne Grund bleibt der leidenschaftliche Musiker der Gemeinde noch als Leiter des Posaunenchors erhalten, und auch der Förderverein des Mörikemuseums bleibt für den 65-Jährigen eine Herzensangelegenheit: „Es ist das einzige Literaturmuseum in Baden-Württemberg, das von einer Kirchengemeinde getragen wird“, sagt er. Die Wiedereröffnung nach langer Renovierung im vergangenen Jahr war daher auch eins seiner persönlichen Highlights.

Apropos Musik: Alle drei Söhne – Sohn Benjamin kam in seiner Bissinger Amtszeit noch hinzu – mussten ein Blasinstrument lernen. Sohn Jonathan hat daraus sogar einen Beruf gemacht und ist Profimusiker im weltberühmten Leipziger Gewandhausorchester geworden.

Auch wenn Pfarrer Ulrich Müller jetzt offiziell „entpflichtet“ ist, bleibt er ordiniert und kann Gottesdienst abhalten. Das hat er auch vor, und sich natürlich in seinem neuen Wohnort Römerstein-Böhringen auf der Schwäbischen Alb wieder stärker der Musik widmen – und Zeit für seine Frau haben: Die geht im Herbst in den verdienten Ruhestand.​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​