Betritt man Peter Tichonows Haus in der Nähe von Kirchheim, kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus. In jedem Winkel, stehend oder hängend, findet sich Kunst. Nicht irgendeine, sondern ausschließlich afrikanische Stammeskunst. Bis zum Ruhestand war der 66-Jährige Kriminalbeamter, davon 29 Jahre in Leitungsfunktionen im gehobenen und höheren Dienst. Das erste Amt im höheren Dienst war die stellvertretende Leitung der Kriminalpolizei im Landkreis Esslingen, der letzte Posten die Leitung des Führungs- und Lagezentrums am Polizeipräsidium Reutlingen.
Die Kunst begleitet Peter Tichonow in seiner Freizeit seit der Jugend. „Ich habe selbst gerne und viel gezeichnet und gemalt, ob mit Tusche, Aquarell- oder Ölfarben“, erzählt der Sammler. „Eigentlich wollte ich Kunst studieren und Werbegrafiker werden.“ Dann kam aber 1973 die Öl- und damit eine Wirtschaftskrise, in der dieser Berufszweig nicht weit geführt hätte, sagt Peter Tichonow.
So schlug er als sichere Variante eine Polizeilaufbahn ein und machte schnell Karriere. 1975, in der Hochphase des RAF-Terrorismus, begann die Ausbildung, 1980 wechselte Tichonow zur Kripo. Beruflich hat er das Ermitteln an den Nagel gehängt, privat nutzen ihm seine Fähigkeiten beim Aufspüren besonderer und interessanter Kunstobjekte bis heute. Rund 3500 Exponate nennt er aktuell sein Eigen. Gut 30 Stunden dauere es bei jedem davon, dessen Kontext zu recherchieren.
Bevor das Interesse für die afrikanische Kunst aufkeimte, befasste sich Peter Tichonow in jungen Jahren zunächst mit Fossilien und war dafür etwa auf Malta, in Griechenland oder Frankreich, um selbst zu schürfen. Ein Flohmarktbesuch in den 80er-Jahren gab schließlich die Initialzündung für das Interesse an der afrikanischen Kunst: „Dort habe ich ein Stück gefunden und mich näher damit befasst.“ Für die aufwändige Recherche zu seinen Kunstwerken hat sich Peter Tichonow eine Bibliothek voller Fachliteratur aufgebaut: „Das sind weit über 900 Bücher“, sagt der 66-Jährige. „Jedes Objekt hat eine Geschichte. Die zu entdecken, ist unheimlich spannend.“
Fachwissen ist essenziell
Er selbst hat zu seiner Sammlung bereits zwei Bildbände samt detaillierter Informationen zur Entstehung und zu den kulturellen Hintergründen der Objekte veröffentlicht. Ein dritter Band über traditionellen afrikanischen Schmuck und Amulette ist in Arbeit. Unter Tichonows Exponaten sind zahlreiche Skulpturen, Masken, Schilde, Waffen, Trommeln und Alltagsgegenstände aus Holz, Bronze, Leder, Eisen, Kupfer und Stein aus allen Teilen Afrikas. Viele davon stammen aus dem 19. Jahrhundert. Die älteste Bronzeskulptur „Jäger mit Antilope“ ist 800 Jahre alt und stammt aus der nigerianischen Ife-Kultur: „Sie wurde zwischen 1100 und 1340 nach Christus gefertigt.“
Sein umfangreiches Wissen hat sich der Sammler über vier Jahrzehnte angeeignet und sich zudem mit Experten und anderen Sammlern im In- und Ausland vernetzt. Manche Objekte werden in großen Auktionshäusern wie Christie’s oder Sotheby’s zu Millionenbeträgen gehandelt. Da seien oft die prominenten Namen der Besitzer entscheidend. „Meine ersten Sammel-Jahre waren Verlustgeschäfte, da war ich zu unerfahren und bin auf billige Kopien für teures Geld reingefallen“, erzählt Tichonow. Heute ist er Fachmann, und das sei wichtig, denn „95 bis 97 Prozent der auf Internet-Verkaufsplattformen, günstig bei Auktionen, in auf Deko-Ware spezialisierten (Online-) Galerien und Märkten angebotenen Tribal-Art-Objekte sind Kopien, die nichts mit authentischer Stammeskunst zu tun haben. Entscheidend ist die nachgewiesene Herkunft eines Objekts“.
Schwierig sei das Thema der Kunstfälschungen, wo teure Stücke ergänzt oder komplett gefälscht werden. „Bei erlesenen Prunkwaffen war das bis 2017 nicht bekannt, dann erschütterte ein Fälschungsskandal die Sammlerszene“, so Tichonow. Ein österreichischer Kunstschmied hatte im Auftrag eines international bekannten deutschen Sammlers, Händlers und Autors Exponate repariert und aus eingeschmolzenen alten wertlosen Waffen rare Prunkwaffen nachgeschmiedet, die auf Auktionen teuer angeboten wurden.