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Aichtaler Gemeinderat blockiert Bauplatz

Politikum Obwohl ein Seniorenpaar einen Bauplatz in Aichtal rechtmäßig erworben hat, verweigert der Gemeinderat den Verkauf des Grundstücks. Das Landratsamt hat das Gremium bereits wiederholt ermahnt, nun droht Strafe. Von Matthäus Klemke

Es ist ein Fall, der in dieser Art wohl bislang einzigartig in der Region ist: Der Aichtaler Gemeinderat stellt sich gegen geltendes Recht und gegen die Kommunalaufsicht im Landratsamt Esslingen und blockiert die Vergabe eines Bauplatzes an ein Aichtaler Paar. In einer Sondersitzung sprach sich die Mehrheit im Gremium erneut gegen den Verkauf des Grundstücks in der Lönsstraße aus. Wie ist es dazu gekommen?

2020 hatte die Gemeinde fünf Baugrundstücke zu vergeben, vier davon in der Lönsstraße in Grötzingen. Da man eine Vielzahl von Bewerbern erwartet hatte, wurden im Juli 2020 vom Gemeinderat Kriterien beschlossen, nach denen die Grundstücke vergeben werden sollten. Man wollte vor allem jungen Familien die Chance auf ein Eigenheim geben. Insgesamt 68 Bewerbungen gab es auf die fünf Bauplätze. Am Ende ging eines der begehrten Grundstücke an ein Rentnerehepaar.

Die Aichtaler kamen im Nachrückverfahren zum Zuge, nachdem eine junge Familie vom Kauf eines der Grundstücke zurückgetreten war. Obwohl das Seniorenpaar rechtmäßig an den Bauplatz gekommen war, lehnte es der Gemeinderat ab zu verkaufen. Begründung: Das Paar verfüge bereits über ein bebaubares Grundstück in Aichtal. Problem: Laut Vergaberichtlinien ist das in Aichtal kein Ausschlusskriterium.

Der Stopp des Verkaufs durch den Gemeinderat war damit rechtswidrig, weshalb Bürgermeister Sebastian Kurz Widerspruch gegen den Beschluss einlegen musste. Wieder sollte der Gemeinderat über den Verkauf entscheiden, wieder wurde abgelehnt, wieder kam der Widerspruch. Das Hin und Her rief schließlich die Rechtsaufsichtsbehörde auf den Plan, die den Gemeinderäten in einer Beanstandung auf die Finger klopfte. Unbeeindruckt davon lehnte das Gremium den Verkauf an das Rentnerpaar weiter ab. Auch eine zweite Rüge der Rechtsaufsichtsbehörde brachte den Gemeinderat nicht zum Einlenken.

Noch einmal würde es nicht bei einer Mahnung des Landratsamtes bleiben, warnte Bürgermeister Kurz nun: „In Ausnahmefällen können Gemeinderäte haftbar gemacht werden. Auch Gemeinderäte können sich nicht über geltendes Recht hinwegsetzen.“ Auch die Stadt Aichtal könnte vom Landratsamt finanziell zur Verantwortung gezogen werden. „Die Verwaltung appelliert daher mit deutlichen Worten an den Gemeinderat, der Verfügung des Landratsamtes Esslingen Folge zu leisten“, heißt es in der Sitzungsvorlage.

Gebracht haben die Appelle nichts. Mit neun Nein- und sechs Ja-Stimmen wurde der Verkauf des Grundstücks erneut abgelehnt. Die Vergabe widerspreche „jeglicher sozialer Vorstellung der Stadt Aichtal“, sagte Gemeinderat Jürgen Steck (Grüne): „Es ist nicht vereinbar mit den Vorsätzen, die wir haben.“ Adalbert Bund (Liberale) bekräftigte seinen Standpunkt: „Ich lasse mich in der Sache nicht verbiegen.“ Deutliche Worte auch von Jörg Kimmich (FUW): „Wir bezeichnen uns als familienfreundliches Aichtal, kriegen es aber nicht hin, dass junge Familien einen Bauplatz bekommen.“

Anders sah das Ernst Harrer (CDU/BLA): Er betonte, dass Fehler gemacht wurden. Doch nun müsse man in den sauren Apfel beißen und sich an geltendes Recht halten. Doch wie konnte es zu den Fehlern kommen? Versäumnisse gab es bei der Aufstellung des Punktesystems im Sommer 2020. Das wird deutlich, vergleicht man die Aichtaler Vergabekriterien mit denen anderer Kommunen. So hat die Stadt Nürtingen beispielsweise festgelegt, dass für einen Bauplatz nur Leute in Frage kommen, die nicht bereits ein bebaubares Grundstück im Stadtgebiet besitzen. Eine solche Vorgabe fehlt in den Aichtaler Richtlinien. Nicht der einzige Fehler, der damals gemacht wurde, sagt Grünen-Fraktionsmitglied Steck. Er wirft der damaligen Verwaltung vor, den Ortsbezug des Rentnerpaares zu hoch bewertet zu haben. Besonders brisant: Durch diesen Fehler soll das Paar einen Bauplatz direkt neben einem Familienmitglied erhalten haben. Reiner Zufall, heißt es von der Stadtverwaltung.

Bürgermeister Kurz appellierte, dass es jetzt nicht darum geht, einen Schuldigen zu finden. „Schuldzuweisungen bringen uns nicht weiter, zumal die damalige Verwaltung nicht hier am Tisch sitzt.“ Welche Konsequenzen nun auf die Stadt zukommen, ist ungewiss.