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Aletta von Massenbach aus Wendlingen ist die neue Chefin des BER

Karriere Wie sich der Luftverkehr weiterentwickelt, ist laut der Flughafenchefin aktuell eine der interessantesten Diskussionen – es gibt viele Meinungen. Von Philip Sandrock

Aletta von Massenbach ist in Wendlingen aufgewachsen. Seit zwei Jahren ist die Juristin Chefin des Flughafens Berlin-Brandenburg. Im Gespräch schildert sie, welche Erfahrungen sie im Ausland gemacht hat, dass Klimaschutz für die Branche das zentrale Thema ist und warum sie regelmäßig nach Wendlingen kommt.

Frau von Massenbach, Sie sind seit über einem Jahr Chefin des BER. Wie läuft es am Hauptstadtflughafen?

Aletta von Massenbach: Ich habe im Oktober 2021 die CEO-Position übernommen. Ein Jahr vorher ist der BER in Betrieb gegangen, nach langen Jahren intensiver Bauzeit. Den Flughafen endlich an den Start zu bringen und ihn wenige Tage später wegen der Corona-Pandemie nahezu wieder schließen zu müssen, das war schon eine besondere Koinzidenz. Die Zeit danach war nicht einfach gewesen. Wir haben sehr hart gearbeitet und viel optimiert, wir haben weiterhin viel vor. Aber jetzt sind wir so weit, sagen zu können: Wir haben das im Griff. Wir sind dabei, dass der Flughafen das tut, was er soll, nämlich Menschen und Märkte zusammenzubringen und für Konnektivität in der Hauptstadtregion zu sorgen.

Ihre Wurzeln liegen im Wendlinger Ortsteil Bodelshofen, was verbindet Sie noch mit Ihrer Heimat? Was hat Sie hier besonders geprägt?

von Massenbach: Mich verbindet sehr viel mit meiner Heimat. Meine Eltern leben dort, mein Bruder und seine Familie lebt dort. Bodelshofen ist für mich tatsächlich Heimat. Und das ist es auch für meinen Sohn, obwohl wir lange im Ausland gelebt haben. Er war in den Ferien oft dort und ist es auch jetzt.

Von Ihrem Büro aus ist es eine gute Flugstunde nach Stuttgart. Kommen Sie regelmäßig zu Besuch?

Wendlingen liegt sozusagen bei uns um die Ecke. Ich bin regelmäßig in Bodelshofen.

Die Schwaben sind in Berlin nicht immer wohlgelitten. Wie kommen Sie zurecht mit den Berlinern?

Das sind so Geschichten, die ich nur vom Lesen kenne. Ich komme wunderbar zurecht. Ich wurde noch nie komisch angeschaut, weil ich Schwäbin bin. Ich mag die Berliner, ihre Art, ihren besonderen Humor. Und ich mag auch die Brandenburger, unser Flughafen liegt ja in Brandenburg.

Bestellen Sie Weckle oder Schrippen beim Bäcker?

Ich umgehe das. Für mich sind das Brötchen.

Bevor Sie nach Berlin gingen, waren Sie auf zahlreichen Stationen im Ausland. Welcher Ort ist für Sie in besonderer Erinnerung geblieben?

Das ist schwierig, in einem Satz zu sagen. Jeder Standort ist besonders, und alle Stationen bedeuten mir sehr viel. Ich habe von überall, wo ich gearbeitet habe, sehr viele Erfahrungen mitgenommen und möchte keine einzige Station missen. Ich bin sehr dankbar für das, was ich dort erleben durfte.

Es war auch immer Ihr Sohn dabei. Wie sehr nervt Sie das Narrativ von der „Working Mum“ und ständig danach gefragt zu werden? Oder ist es etwas, was Sie gerne herausstellen, um andere Frauen zu ermutigen?

Vielleicht ist es eine Mischung aus beidem. Mich wundert es immer ein bisschen, wieso das so wahnsinnig betont wird oder warum diese Tatsache so ein großes Interesse hervorruft. Ich finde es völlig normal, Geschäftsfrau und Mutter zu sein. Es freut mich aber auch, wenn ich anderen Mut machen kann, die Dinge, die einem wichtig sind, unter einen Hut zu bekommen. Aber eigentlich ist es gar nicht so außergewöhnlich.

Bevor es nach Berlin ging, leiteten Sie den Flughafen von Antalya. Was ist der Unterschied zu einem deutschen Flughafen?

Antalya war meine vorletzte Station. Vor Berlin war ich noch vier Jahre in Frankfurt. Bei meinen Auslandseinsätzen war ich ja für den Frankfurter Flughafenbetreiber, die Fraport, unterwegs. In Frankfurt hatte ich die Verantwortung für deren weltweites Portfolio, also für 30 Flughäfen in zehn Ländern. Von dort bin ich nach Berlin gekommen. Es gibt sehr viele Dinge, die an ausländischen Flughäfen ähnlich sind wie an deutschen Airports, weil Luftverkehr international ist und sehr viel international reguliert ist. Es gibt aber auch Besonderheiten: Flughäfen sind Wirtschaftsunternehmen. Die Wirtschaft der Türkei zum Beispiel ist durch und durch privatisiert. Der Flughafenbetrieb in Antalya war ein Joint Venture zwischen der Fraport und einem türkischen Unternehmen, und das bereits seit 1999. Auch in den anderen Ländern, in denen ich gearbeitet habe, waren die Modelle vergleichbar. Die Fraport hat an den jeweiligen Standorten den Betrieb und die Entwicklung der Flughäfen übernommen. Dafür bezahlte sie einen Anteil ihres Umsatzes oder Gewinns an die Eigentümer. Per Vertrag ist dann auch festgelegt, wie sich der Flughafen entwickeln soll. Solche Modelle gibt es in Deutschland nicht.

Der Berliner Flughafen macht hohe Verluste. Zuletzt waren es über eine halbe Milliarde Euro. Wie schafft man es, diese Entwicklung zu stoppen? Was sind die Ursachen für die hohen Verluste? Es gab bereits vor der Eröffnung Bedenken, ob sich der Flughafen jemals wirtschaftlich selbst tragen kann.

Das war der Verlust für das Jahr 2021. Er war maßgeblich von Wertberichtigungen geprägt. Das hatte mit dem langen und sehr teuren Bau zu tun. Für das Jahr 2022 haben wir noch keinen Jahresabschluss, aber schon jetzt ist klar, dass wir operativ profitabel sind. Grundsätzlich müssen wir für die Zukunft schauen, dass das Unternehmen finanziell selbstständig wird, aber auch das schaffen wir. Ich komme aus einer Welt, in der Flughäfen profitabel sind. Deshalb gehe ich davon aus, dass Flughäfen das tun, was sie sollen: nämlich Menschen und Märkte verbinden, für Konnektivität sorgen und natürlich auch finanziell selbstständig sein. Das heißt auch, die Investitionen, die erforderlich sind, selbstständig leisten zu können und damit nicht zum Steuerzahler zu gehen. Dass das beim BER noch nicht so ist, liegt neben der sehr teuren und sehr langen Bau­historie auch an den Folgen der Corona-Pandemie. Wenn wir plötzlich nur noch 25 Prozent des Umsatzes erzielen können, weil kaum noch ein Flugzeug fliegt, dann hat das natürlich eine Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens.

Die Meinungen der Experten gehen auseinander, die einen rechnen in der Zukunft mit weniger ­Flügen und steigenden Kosten, um CO₂-Emissionen zu verringern. Andererseits prognostizierte das DLR 2019 noch eine Steigerung der Fluggastzahlen bis 2040 um jährlich 3,7 Prozent. Wie bereitet man einen Flughafen auf solche Szenarien vor?

Während der Pandemie haben wir bereits gelernt, mit großen Schwankungen und unklaren Aussichten für die nächsten Wochen und Monate zurechtzukommen. Resilienz und Robustheit sind sehr wichtig, um aktuellen und künftigen Krisen begegnen können. Historisch gesehen verzeichnete die Branche immer ein Wachstum. Wie sich der Luftverkehr weiterentwickelt, ist aktuell eine der interessantesten Diskussionen. Da gibt es, wie Sie bereits gesagt haben, sehr unterschiedliche Meinungen. Um das mal zu sortieren: Der Luftverkehr in Deutschland ist nach der Pandemie auf dem Weg der Erholung, aber immer noch hinter den Entwicklungen in den Nachbarländern zurück. In vielen europäischen Ländern ist der Luftverkehr bereits auf Vorkrisenniveau. In Deutschland nicht. In Stuttgart nicht und in Berlin nicht. Die Frage ist nun, warum ist das so. Gerade für Berlin ist der Flughafen eine wichtige Anbindung, weil die Hauptstadt abseits der europäischen Hauptverkehrsachsen liegt. Das merkt man, wenn man mit der Bahn fahren will: Von Wendlingen ist man mit dem Zug schneller in Paris als in Berlin. Ich finde die Bahnverbindung von Berlin nach Wendlingen nicht attraktiv. Und wenn ich nur einen Tag Zeit habe, dann schaffe ich das gar nicht.

Für ähnliche Negativschlagzeilen wie der Bau des BER sorgt auch der Bau des neuen Stuttgarter Hauptbahnhofs. Verfolgen Sie das Projekt?

Mich interessiert es als Verkehrs- und Infrastrukturprojekt. Und es ist ein Jahrhundertprojekt. Ich bin aber nicht so nah dran, dass ich jedes Detail kenne.

 

Aletta von Massenbach

Die Vorsitzende der Geschäftsführung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH kam 2020 von der Frankfurter Flughafenbetreibergesellschaft Fraport AG als Kaufmännische Geschäftsführerin zum BER. Die Juristin ist die erste weibliche CEO an der Spitze eines großen deutschen Flughafens. Seit 25 Jahren arbeitet Aletta von Massenbach für Flughäfen im In- und Ausland. Sie entwickelte Flughäfen, baute Flughafengesellschaften auf und transformierte und überwachte diese unter anderem in Peru, China, Russland, USA und Brasilien. Außerdem leitete sie Flughäfen in Bulgarien und der Türkei. Aletta von Massenbach ist in München geboren und im Wendlinger Stadtteil Bodels­hofen aufgewachsen. ps